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- DAZ 39/2005
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Arzneimittel und Therapie
Mukoviszidose: Neue Herausforderungen durch längere Lebensdauer
Rund 8000 Menschen leben in Deutschland mit einer Mukoviszidose, jährlich kommen etwa 200 neue Fälle hinzu. Zirka jedes 2000ste Neugeborene ist erkrankt, die Mukoviszidose gehört nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation somit zu den seltenen Krankheiten. Andererseits aber handelt es sich um die häufigste tödlich verlaufende Stoffwechselerkrankung in der westlichen Welt.
Ursache der Erkrankung ist ein Gendefekt, wobei inzwischen mehr als 1000 verschiedene Mutationen beschrieben sind. Sie alle führen zu Funktionsstörungen der Lunge und der Bauchspeicheldrüse und damit zu Störungen der Atmung und der Verdauung. Doch auch andere Organsysteme wie die Leber und die Galle sind betroffen. Die erkrankten Kinder leiden immer wieder unter Infektionen und Entzündungsreaktionen vor allem im Bereich der Atemwege und es kommt schließlich zu einer zunehmenden Gewebeschädigung und zu einer irreversiblen Gewebezerstörung.
Neugeborenen-Screening - ja oder nein?
Diese aufzuhalten ist ein wesentliches Ziel der Behandlung, welche daher so früh wie möglich einsetzen sollte. Viele Mediziner plädieren deshalb für ein routinemäßiges Neugeborenen-Screening, was mittels spezieller Gentests durchaus möglich wäre. Allerdings gibt es auch Stimmen, die sich gegen ein solches Screening aussprechen, da die Gentests keine 100% zuverlässigen Aussagen bieten, eine Heilung der Erkrankung auch bei Früherkennung nicht möglich ist und sich zudem durch die Tests das allgemeine Recht auf "Nicht-Wissen" einer Erkrankung praktisch nicht mehr aufrecht erhalten ließe.
Mangelernährung darf nicht auftreten
Wird die Diagnose "Mukoviszidose" gestellt, so muss durch eine Behandlung mit Pankreasenzymen gesichert werden, dass trotz der bei 80% der Kinder vorliegenden Pankreasinsuffizienz eine hochkalorische Ernährung möglich ist und die Kinder somit ohne Gedeihstörungen groß werden. Dank der guten Behandlungsmöglichkeiten sollte es heutzutage praktisch nicht mehr vorkommen, dass die Kinder unterernährt sind oder durch Mangelernährungen nicht die genetisch vorprogrammierte Körpergröße erreichen.
Betreuung in hochspezialisierten Mukoviszidose-Zentren
Die bessere Prognose der Mukoviszidose-Kinder stellt die Medizin nunmehr auf anderer Ebene vor neue Herausforderungen: Da mehr und mehr Kinder das Erwachsenenalter erreichen, werden neue Betreuungsstrukturen notwendig. Denn als Erwachsene haben die Patienten andere Probleme und auch andere Bedürfnisse, denen man durch eine weitere Betreuung beim Pädiater nicht gerecht werden kann. So entwickeln sich mit zunehmendem Alter häufig eine Leberzirrhose, ein Diabetes mellitus oder Nierensteine, was eine zunehmend komplexere Behandlung notwendig macht. Auch die durch die Erkrankung bedingten psychosozialen Bedürfnisse sind bei Erwachsenen völlig anders als bei Kindern.
Allerdings fehlen noch entsprechende Versorgungsstrukturen in der Erwachsenenmedizin, so dass die meisten Patienten nach wie vor in den zumeist von Pädiatern geleiteten Mukoviszidose-Zentren medizinisch versorgt werden. Zwar ist nicht zuletzt der Betreuung in solchen hochspezialisierten Zentren die erheblich verbesserte Prognose der Mukosviszidose-Patienten zu verdanken, von den über 80 Mukoviszidose-Zentren in Deutschland behandeln aber nur elf Zentren ausschließlich Erwachsene.
Hoffnung auf alternativen Gentherapie-Ansatz
Große Hoffnungen auf Heilungsmöglichkeiten der Erkrankung durch eine Gentherapie wurden bislang enttäuscht. Weltweit wurden etwa 30 Gentherapiestudien bei 200 Mukoviszidose-Patienten durchgeführt, ohne dass jedoch ein lang andauernder therapeutischer Nutzen hätte gezeigt werden können. Trotz des ausgebliebenen Erfolges wird aber am grundlegenden Konzept der Gentherapie nicht gezweifelt. Das Verfahren wurde inzwischen weiter entwickelt und es scheint nicht unwahrscheinlich, dass sich mit den modernen Genvektoren bald bessere Ergebnisse erzielen lassen. Bereits für das kommende Jahr ist eine neue multizentrische Gentherapie-Studie in Europa geplant, in der optimierte, nicht virale Genvektoren in die Lunge von Mukosviszidose-Patienten vernebelt werden. Neben dieser klassischen Gen-Therapie wird außerdem an einem alternativen Gentherapie-Ansatz gearbeitet, der nicht den Ersatz des erkrankten Gens zum Ziel hat. Es soll vielmehr versucht werden, durch eine Hemmung der epithelialen Natrium-Kanäle die aus dem Gendefekt resultierende erhöhte Natrium-Reabsorption zu unterbinden und so die pathologischen Veränderungen am respiratorischen Epithel zu normalisieren.
Christine Vetter, freie Medizinjournalistin
Quelle
Dr. Claus Pfannenstil, Aachen; Dr. Ernst Rietschel, Köln; Dr. Peter Tinschmann, Frechen; Priv.-Doz. Dr. Joseph Rosenecker, München: 3. Christiane-Herzog-Tag,
10. Mukoviszidose-Workshop, Leichlingen,
3. September 2005, veranstaltet von der Berlin-Chemie AG, Berlin.
Gestiegene Lebenserwartung
Die Mukoviszidose oder cystische Fibrose ist eine autosomal rezessiv vererbte Stoffwechselstörung, deren Ursache ein Gendefekt auf dem Chromosom 7, dem so genannten CFTR-Gen, ist. Es ist verantwortlich für die Bildung des cystic fibrosis conductance transmembrane regulator (CFTR), der die Leitfähigkeit biologischer Membranen reguliert. Die Veränderungen im CFTR-Protein führen zu einer generalisierten Dysfunktion exokriner Drüsen. Als Folge verstopft ein zäher Schleim lebenswichtige Organe. Vor allem die Lunge, die Bauchspeicheldrüse, die Leber und der Darm sind davon betroffen.
Mukoviszidose ist nicht heilbar, hier zu behandeln heißt, die Symptome behandeln. Je früher die Mukoviszidose nach der Geburt diagnostiziert wird, desto eher können vor dem Entstehen von Zell- und Organschäden Fehlfunktionen therapeutisch ausgeglichen werden, so dass die Lebenserwartung der Betroffenen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Ein Neugeborenes mit Mukoviszidose hat heute die Chance, 50 Jahre und älter zu werden.
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