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Öffentliches Gesundheitswesen
Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker
Föderale Vielfalt
Die Zuständigkeiten für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln sind in Deutschland zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Vereinfacht gilt: Der Bund ist zuständig für die Zulassung bzw. Registrierung. Die Länder sind zuständig für die "Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln". Sie vollziehen die Rechtsvorschriften und überwachen die Einhaltung der Bestimmungen des Arzneimittel-, Apotheken-, Betäubungsmittelrechts sowie der Heilmittelwerbung.
Im Hinblick auf die Zuständigkeiten bestehen von Land zu Land zum Teil große Unterschiede. So werden Betriebe von Arzneimittelherstellern, der pharmazeutische Großhandel, Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende öffentliche Apotheken in den meisten Flächenländern (d. s. Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) durch die mittlere Verwaltungsebene (Bezirksregierung/Regierungspräsidium) überwacht, in einigen Bundesländern (z. B. Rheinland-Pfalz) auch der Einzelhandel mit Arzneimitteln, in anderen (z. B. Bayern) ist dafür die untere Verwaltungsebene (Kreis, Stadt) zuständig.
Sonderregelungen bestehen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In Niedersachsen übertrug die Landesregierung nach Auflösung der Bezirksregierungen zum Jahresende 2004 u. a. die Überwachung der Apotheken der Landesapothekerkammer (LAK) Niedersachsen. Um Interessenkonflikte zu vermeiden und die Apothekenüberwachung nach wie vor unabhängig sicherzustellen, wurden umfangreiche Vereinbarungen getroffen, z. B. hinsichtlich Umfang und Abgrenzung der neuen Aufgaben, Kostenübernahme (durch das Land), Rechenschaftslegung durch die Kammer (mit einem gesonderten Rechenschaftsbericht), Laufzeit der Vereinbarung, Kündigung etc.
Zur Überwachung der öffentlichen Apotheken in den meisten Flächenländern bedienen sich die zuständigen Behörden/die LAK Niedersachsen im Allgemeinen besonders qualifizierter niedergelassener Apotheker, die zeitlich befristet zu Ehrenbeamten ernannt werden und für die Ausübung ihres Amtes den entsprechenden beamtenrechtlichen Bestimmungen unterliegen (z. B. Verschwiegenheit). Sie tragen den Titel "Pharmazierat".
Die Auswahl und Ernennung der ehrenamtlichen Pharmazieräte erfolgt durch die Landesregierung (z. B. in Rheinland-Pfalz), die Bezirksregierung (z. B. in Bayern und in Baden-Württemberg) im Einvernehmen mit der Landesapothekerkammer bzw. durch die LAK Niedersachsen. Die ehrenamtlichen Pharmazieräte besichtigen die öffentlichen Apotheken und berichten der Bezirksregierung oder den Kreisverwaltungsbehörden bzw. der LAK. Maßnahmen sind diesen Stellen vorbehalten. Kurzfristige Ausnahmen sind nur in Fällen "von Gefahr im Verzug" möglich.
Der Weg von Nordrhein-Westfalen
Die organisatorische Ausgestaltung der Überwachung des Arzneimittelverkehrs in Nordrhein-Westfalen (NRW) weicht von der in den übrigen Bundesländern ab. Bis 1980 waren in NRW drei verschiedene Behörden auf unterschiedlichen Ebenen in der Apothekenüberwachung tätig:
- Der Regierungspräsident: Er führte – meist gemeinsam mit dem Amtsarzt – regelmäßig amtliche Apothekenbesichtigungen durch.
- Der Oberstadt-/Oberkreisdirektor: Zusätzlich zu den amtlichen Besichtigungen wurden die Apotheken i. d. R. einmal pro Jahr mit den Schwerpunkten Personal, Hygiene und Betäubungsmittel durch den Amtsarzt gemustert.
- Der Oberstadt-/Oberkreisdirektor: Tierarzneimittel und die Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes prüfte das Veterinäramt.
Änderungen wurden durch das Arzneimittelgesetz (AMG) von 1976 erforderlich, das am 1. Januar 1978 in Kraft trat, insbesondere durch § 64 AMG, der die §§ 18 und 19 ApoG ablöste. Von nun an waren nämlich nicht mehr nur die Apotheken, sondern sämtliche Betriebe, die mit Arzneimitteln handeln, der Überwachung nach dem AMG unterworfen.
Um das bisherige Nebeneinander unterschiedlicher Kompetenzen im Bereich Arzneimittel, Betäubungsmittel und Gefahrstoffe zu beenden und den erwarteten Aufgabenzuwachs bewältigen zu können, übertrug die Landesregierung in NRW die Überwachung des Arzneimittelverkehrs von der mittleren Verwaltungsebene auf die untere, nämlich auf Kreise und kreisfreie Städte ("Verordnung über Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen" vom 8. Januar 1980 in Verbindung mit der "Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Arbeits-, Immissions- und technischen Gefahrschutzes" vom 6. Februar 1973). Ausgenommen blieben Betriebe mit Herstellungserlaubnis sowie Großhandel außerhalb von Apotheken. Zugleich schufen die Kreise und kreisfreien Städte bei den Gesundheitsämtern eine Stelle, die sämtliche pharmazeutischen Überwachungsaufgaben sowie die Überwachung verwandter Bereiche wahrnehmen sollte: die Stelle des Amtsapothekers. Dies war die "Geburtsstunde" der Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker in NRW.
Die Amtsapothekerinnen/Amtsapotheker in NRW
Als Richtzahl für einen Aufsichtsbereich wurden durch den Landkreistag (LKT) ca. 600.000 Einwohner festgelegt. Um dieser Richtzahl einigermaßen gerecht zu werden, schlossen kleinere Kreise bzw. kreisfreie Städte öffentlich-rechtliche Vereinbarungen miteinander ab mit dem Ziel, die Arbeitszeit einer Amtsapothekerin/ eines Amtsapothekers entsprechend der Einwohnerzahl anteilig zu nutzen.
Leider wurde bei der organisatorischen Ausgestaltung überwiegend versäumt, für den Amtsapotheker jeweils (nur) einen Dienstsitz pro Aufsichtsbereich festzulegen, von dem aus die Überwachungstätigkeit wahrgenommen werden sollte. So kam es zu der nicht immer effizienten Regelung, in jedem Gesundheitsamt Dienstsitze und ggf. Mitarbeiter für ein und denselben Amtsapotheker einzurichten. Einige Amtsapotheker haben so bis zu drei Dienstsitze mit evtl. jeweils eigenen Mitarbeitern.
Grundsätzlich gilt: Die Bündelung der Zuständigkeitsbereiche und die Zusammenarbeit von Kreisen und kreisfreien Städten hat sich bewährt und sollte auch beibehalten werden. Eine wirtschaftlichere Nutzung der Ressourcen wäre aber sicher zu erreichen, wenn die Überwachungsaufgaben von einem zentralen Dienstsitz aus wahrgenommen werden könnten. Trotz des anfänglichen Widerstands einiger Kommunen wurde bereits 1981 in Düsseldorf der erste Amtsapotheker eingestellt.
Bis 1983 hatten alle Kommunen – mit Ausnahme der Städte Hagen und Duisburg – Amtsapotheker. Gegenwärtig sind in NRW 37 Amtsapotheker in 54 Aufsichtsbereichen/ Kommunen tätig. Davon haben
- 26 einen Dienstsitz,
- 8 zwei Dienstsitze und
- 3 drei Dienstsitze.
21 Amtsapotheker arbeiten auf Vollzeit-, 16 auf Teilzeit-Stellen (mit 10 bis 30 Stunden pro Woche).
Aufgaben und Kompetenzen
Der Überwachungsauftrag der Amtsapotheker in NRW ist deutlich weiter gefasst als der von ehrenamtlichen Pharmazieräten. Die Aufgabenbereiche können jedoch von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich sein. Ein Vergleich der Aufgabenumfänge anhand der Einwohnerzahlen des jeweiligen Aufsichtsbereichs ist daher nicht möglich:
Wie ehrenamtliche Pharmazieräte überwachen die Amtsapotheker zwar die öffentlichen Apotheken, der Überwachungsbereich ist mit bis zu 300 Apotheken jedoch meist größer als der von ehrenamtlichen Pharmazieräten. Gleiches gilt für ihre Kompetenzen bzw. hoheitlichen Aufgaben: Sie
- erteilen die Betriebserlaubnis für öffentliche Haupt- und Filial- Apotheken und für Krankenhausapotheken,
- widerrufen die Betriebserlaubnis,
- ordnen die Schließung einer Apotheke an,
- erteilen die Erlaubnis zur Verwaltung einer Apotheke,
- genehmigen Versorgungsverträge hinsichtlich der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern und Heimen (Alten-, Pflege-, Behindertenheime),
- erteilen die Erlaubnis zum Versandhandel und zum Großhandel von Apotheken,
- und vieles andere mehr.
Anders als die ehrenamtlichen Pharmazieräte müssen Amtsapotheker außerdem bei Verstößen i. d. R. die Folgemaßnahmen durchführen (z. B. Einleiten von Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren).
Neben der Überwachung der öffentlichen Apotheken sind Amtsapotheker außerdem zuständig für die Überwachung (sowie die ggf. notwendigen Maßnahmen)
- der Krankenhausapotheken,
- der Krankenhäuser im Hinblick auf den ordnungsgemäßen Umgang mit Arzneimitteln; dazu werden Stationsbegehungen durchgeführt,
- der Lagerung und des Umgangs mit Arzneimitteln in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und bei Rettungsdiensten,
- der Einzelhandelsgeschäfte, die wissentlich oder unwissentlich freiverkäufliche Arzneimittel in Verkehr bringen (z. B. Lebensmittelgeschäfte, Kaufhäuser, Reformhäuser, Bioläden, Fitness-Studios, Sex-Shops etc.),
- des Verkehrs mit Betäubungsmitteln in Apotheken Krankenhäusern, Arztpraxen sowie
- der klinischen Prüfung von Arzneimitteln in Bezug auf das Arzt-Probanden-Verhältnis.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst in NRW zum 1. Januar 1998 wurde die Sozialpharmazie als Teil des lokalen Verbraucherschutzes den Amtsapothekern übertragen. In dieser neuen Aufgabe werden sie durch das Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst (lögd) in Münster unterstützt (z. B. durch Koordination von Projekten, durch regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen an der Akademie für das öffentliche Gesundheitswesen in Düsseldorf, durch kontinuierliche Informationen etc.). Das lögd ist mit der amtlichen Arzneimitteluntersuchungsstelle zudem ein wichtiger Teil der Arzneimittelüberwachung in NRW.
Zuständigkeiten bei der Ausbildung und Prüfung von pharmazeutischem Personal ergänzen den Aufgabenkatalog der Amtsapotheker. Sie
- haben den Prüfungsvorsitz im Dritten Prüfungsabschnitt der Studenten der Pharmazie,
- haben den Prüfungsvorsitz bei der Prüfung der Pharmazeutisch-technischen Assistentinnen und Assistenten (PTA) und
- erteilen Erlaubnisse zum Führen der Berufsbezeichnung.
Und schließlich gehört auch die Überwachung des Verkehrs mit Gefahrstoffen zu ihrem Verantwortungsbereich – teilweise in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV):
Sie überwachen
- Einzelhandelsgeschäfte, die mit Gefahrstoffen handeln hinsichtlich Sachkunde, Lagerung, Kennzeichnung, Sicherheitsdatenblättern, Einhaltung der Abgabevorschriften (z.B. bei dichlormethanhaltigen Abbeizern, cadmiumhaltigen "Scoubidou"-Bändern und Lichterschläuchen, chromathaltigem Zement etc.), Verbraucherinformationen u.v.a.m. oder
- die Einhaltung der Chemikalienverbotsverordnung (z.B. hinsichtlich Erlaubnis, Sachkunde etc.).
Um eine möglichst einheitliche Verfahrenweise zu gewährleisten, erarbeiteten Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker in den letzten Jahren in Anlehnung an das Qualitätssicherungssystem der pharmazeutischen Inspektorate der Länder Verfahrensanweisungen (VAW), die durch das für das Gesundheitswesen des Landes NRW zuständige Ministerium geprüft wurden.
Zur gegenseitigen fachlichen Abstimmung oder zur Erarbeitung von Stellungnahmen bei der Weiterentwicklung von Verordnungen, Durchführungsbestimmungen oder Empfehlungen haben Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker zahlreiche Arbeitskreise gebildet (z. B. Apotheken-, Betäubungsmittel-, Gefahrstoffrecht, Klinische Prüfung, Herstellung von Parenteralia, PTA-Angelegenheiten, Sozialpharmazie) oder treten bei neuen Aufgaben zu Ad-hoc-Arbeitskreisen zusammen. Weiterhin sind sie häufig als sachverständige Berater in ihren eigenen Behörden, beim Zoll, bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft und vielem anderen mehr gefragt.
Eine enge Zusammenarbeit besteht i. d. R. auch mit dem sozialpsychiatrischen Dienst (Sucht, Drogen, Abhängigkeit) und mit den Drogenberatungsstellen, insbesondere hinsichtlich der Substitutionsbehandlung betäubungsmittelabhängiger Personen.
Fazit
Die Einrichtung der Amtsapotheker am 1. Januar 1982 vor mehr als 23 Jahren hat sich bewährt; nicht zuletzt deshalb, weil NRW damit entschlossener und konsequenter als die anderen Bundesländer den Weg zu mehr Transparenz, Bürgernähe und zur Effizienz der öffentlichen Verwaltung gegangen ist. Die Vielzahl der Tätigkeiten macht den Amtsapotheker zu einer anerkannten Institution im öffentlichen Gesundheitsdienst.
Trotz anfänglicher Bedenken ist die Funktion des Amtsapothekers inzwischen auch innerhalb der Pharmazie anerkannt; ihr kollegialer Rat ist gefragt. Apotheker, Ärzte, Einzelhandel und Krankenkassen suchen den Kontakt zu dieser neutralen Stelle, wenn es darum geht, Licht in das Dickicht der zahllosen gesetzlichen Bestimmungen zu bringen.
Durch ihre Nähe zum Bürger werden die Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker auch von der Bevölkerung gut angenommen. Der stetig wachsenden Verpflichtung zur Gesundheitsaufklärung rund um das Arzneimittel kommen die Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker durch Information und Beratung nach; mit ihren Warnungen vor unwirksamen oder bedenklichen Arzneimitteln sowie ihren Empfehlungen zu Prophylaxemaßnahmen tragen sie zur Erhaltung und zur Förderung der Gesundheit der Bevölkerung bei.
Dem besonderen Grundsatz des Verbraucherschutzes auf dem Gebiet des Arzneimittelwesens dienen die Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker durch ihre amtlichen Besichtigungen. Damit schützen sie nicht nur den Verbraucher, sondern unterstützen auch die gesetzestreuen Kollegen.
Bereits erschienene BApÖD-Beiträge zu Tätigkeitsfeldern für Apotheker im öffentlichen Dienst
- Mattern, G.: Apotheker im öffentlichen Gesundheitswesen (Einführung). DAZ Nr. 24/2005, S. 58.
- Schmidt, M.: Apotheker als GMP-Inspektoren. DAZ Nr. 28/2005, S. 68.
- Demmer, D.: Apotheker in amtlichen Untersuchungseinrichtungen. DAZ Nr. 33, S. 54
- Langer, M.: Der Apotheker im Sanitätsdienst der Bundeswehr. DAZ Nr. 36/2005, S. 4801.
- Speer-Töppe, E. und M. Romer: Apothekerinnen und Apotheker im Unterricht. DAZ Nr. 40/2005, S. 5354.
Sylvia Demelius, Essen
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