Analytik

Ginkgo-Produkte aus dem Internethandel?

In Deutschland sind zahlreiche Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Ginkgo-biloba-Extrakt als Antidementiva zugelassen. Weitere Indikationen sind vor allem Vertigo und Tinnitus vaskulärer Genese, ebenso Claudicatio intermittens. Außerhalb des Arzneimittelbereichs werden speziell über das Internet "Ginkgo-Produkte" als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) hat vor diesem Hintergrund "Ginkgo" enthaltende Nahrungsergänzungsmittel über den Internethandel bezogen und stichprobenweise drei Präparate analysiert.
Foto: DAZ Archiv
Ginkgo Biloba: Die von Ginkgo-Fertigarzneimitteln beanspruchten Indikationen können nicht auf Nahrungsergänzungsmittel mit Ginkgo übertragen werden.

In der produktbezogenen Werbung, aber nicht auf den Packungen, finden sich für einige dieser Nahrungsergänzungsmittel Hinweise auf die zugelassenen Indikationen der Ginkgo-Fertigarzneimittel, so auf leicht zugänglichen Internetseiten einzelner Anbieter. Patienten könnten daher irrtümlich annehmen, dass entsprechende Nahrungsergänzungsmittel Alternativen zu Fertigarzneimitteln darstellen. Über Nebenwirkungen nach dem Verzehr solcher Ginkgo enthaltenden Nahrungsergänzungsmittel ist der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker berichtet worden.

Produkte und Analytik

Der Focus der ZL-Untersuchungen lag neben der Charakterisierung des jeweils deklarierten Bestandteils "Ginkgo" auf der Erfassung der Ginkgolsäuren, einer Substanzgruppe mit allergisierendem Potenzial.

In die Untersuchung wurden folgende Produkte einbezogen:

  • Ginkgo biloba Tabletten 500 mg, LOT 00010, Vertrieb BIO-DIS ESPANA S.L., Spanien
  • Ginkgo Tabletten 200 mg, LOT (ohne Angabe), Vertrieb herbafit b.v., Niederlande
  • Ginkgo biloba Kapseln 400 mg, LOT 08.04, Vertrieb Vialispharm, Deutschland

 Die Identitätsprüfungen wurden mikroskopisch und mittels Dünnschichtchromatographie nach der Monographie Ginkgoblätter, Ph.Eur. 2002 (4.00/1828), durchgeführt. Der Flavonoidgehalt und die Quantifizierung der Ginkgolsäuren erfolgten durch Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) nach den in der Monographie "Eingestellter Ginkgotrockenextrakt", DAB 2003, beschriebenen Verfahren.

Die Analysen von Ginkgolsäuren wurden zudem spezifisch mittels HPLC unter massenspektroskopischer Erfassung in Anlehnung an Ndjoko, K. et al. vorgenommen.

Ergebnisse

Produkt 1: Die Tabletten werden in einem 100 ml-Braunglasgefäß ohne Umkarton gehandelt. Es wird ein Gehalt an "Ginkgo biloba" mit 500 mg/Tablette angegeben. Die Internetwerbeanzeige weist den Tabletteninhalt als 400 mg Extrakt und 100 mg Pulver ohne nähere Angaben zur Art des Extrakts aus.

Nach den Ergebnissen der Identitätsprüfungen sind Ginkgo-Bestandteile enthalten, die Mikroskopie belegt das Vorkommen von Blättern. Der analysierte Flavonoidgehalt von 1,5% (m/m, bezogen auf 500 mg deklarierten Ginkgobestandteil) entspricht auch dem natürlichen Vorkommen in Ginkgo-Blättern. Da monographiekonformer Ginkgoextrakt mit mindestens 22,0 bis 27,0% Flavonglykoside spezifiziert ist, kann ein solcher Extrakt nicht zu 400 mg enthalten sein. Es wurden 3406 ppm Ginkgolsäuren nachgewiesen.

Produkt 2: Die Tabletten liegen in einem braunen Kunststoffgefäß ohne Umverpackung vor. Unter "Zutaten" werden 200 mg Ginkgo biloba-Blätter pro Tablette und andere Bestandteile angegeben.

Die Formlinge enthalten nach mikroskopischer Prüfung pulverisierte Ginkgo-Blattbestandteile, die Identität wurde dünnschichtchromatographisch bestätigt. Es wurden 6857 ppm Ginkgolsäuren nachgewiesen.

Produkt 3: Die Hartgelatinekapseln werden in einem weißen 100 ml-Kunststoffgebinde ohne Umverpackung gehandelt. Die Zutatenliste führt 400 mg Ginkgopulver pro Kapsel auf. Das gelblich-braune Kapselfüllgut enthält pulverisierte Ginkgo-Blattbestandteile. Es wurden 7824 ppm Ginkgolsäuren nachgewiesen.

Diskussion

Der Wirkstoff "Eingestellter Ginkgotrockenextrakt" in Deutschland zugelassener Fertigarzneimittel ist auf 22,0 – 27,0% Flavonglykoside und 5,0 – 7,0% Terpenlactone, worunter 2,6 – 3,2% Bilobalid und 2,8 – 3,4% Ginkgolide A, B, und C subsumiert werden, standardisiert. Der Anteil an Ginkgolsäuren in diesem Extrakt ist auf höchstens 5 ppm limitiert.

Grundlage der zulassungsrelevanten Monographie der Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamt ist der im Deutschen Arzneibuch (DAB 2003) beschriebene Wirkstoff "Eingestellter Ginkgotrockenextrakt". Formulierungen, die Ginkgo-Blätter enthalten, können auf dieser Basis nicht als Fertigarzneimittel zugelassen und vermarktet werden.

Alle Produkte enthalten nach dem Ergebnis der mikroskopischen Prüfung Blattbestandteile, die durch ergänzende dünnschichtchromatografische Untersuchungen als Ginkgo identifiziert wurden. Aus den Untersuchungen ergaben sich keine Hinweise auf zusätzlich enthaltene Extraktanteile.

Der Inhalt der geprüften Produkte unterscheidet sich gravierend vom Wirkstoff zugelassener Ginkgo-Fertigarzneimittel.

Mittels HPLC wurden zwischen 3406 und 7824 ppm Ginkgolsäuren quantifiziert. Damit enthalten alle Produkte unter Berücksichtigung des Limits von 5 ppm für den Wirkstoff "Eingestellter Ginkgotrockenextrakt" unzulässig hohe Gehalte an Ginkgolsäuren. Diese Ergebnisse liegen im Rahmen der Ergebnisse anderer Untersuchungen. So waren bei Analysen von 27 Ginkgo-Produkten des U.S.-amerikanischen Marktes durch Kressmann et al. (5) Ginkgolsäuren in einer Spanne von < 500 ppm bis über 90.000 ppm nachgewiesen worden.

Ein gesundheitliches Risiko nach dem Verzehr durch Ginkgolsäuren belasteter Produkte kann nicht ausgeschlossen werden. Zur Einnahme bestimmte Ginkgo-Produkte aus dem Internet sind demnach kritisch zu bewerten, zumal die Frage nach dem ernährungsphysiologischen Zweck zu stellen ist.

Fazit

Im Rahmen der apothekerlichen Beratungstätigkeit sollen Patienten darüber informiert werden, dass die von Ginkgo beanspruchte Indikation ausschließlich zugelassenen Fertigarzneimitteln zukommt und nicht auf andere Ginkgo-Produkte übertragen werden kann. Die Verwendung von Ginkgo enthaltenden "Nahrungsergänzungsmitteln" aus dem Internet kann in Anbetracht des für alle untersuchten Produkte nachgewiesenen hohen Anteils an Ginkgolsäuren mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden sein.

Jürgen Meins, Michael Ihrig und Manfred Schubert-Zsilavecz

 

Literatur: 
Baron-Ruppert, G., Lüpke, N.-P., Evidence for toxic effects of alkylphenols from Ginkgo biloba in the hen’s egg test (HET), Phytomedicine 8 (2001) 133 – 138 

Koch, El., Jaggy, H., Chatterjee, S.S., Evidence for immunotoxic effects of crude Ginkgo biloba L. lear extracts using the popliteal lymph node assay in the mouse, Int. J. Immunopharmacol. 22 (2000) 229 – 236 

Siegers, C.P., Cytotoxicity of alkylphenols form Ginkgo biloba, Phytomedicine 6 (1999), 281 – 283 

Ndjoko, K., Wolfender, J.-L., Hostettmann, K., Determination of trace amounts of ginkgolic acids in Ginkgo biloba L. leaf extracts and phytopharmaceuticals by liquid chromatography-electrospray mass spectrometry, J. Chromatogr. B, 744 (2000) 249 – 255 

Kressmann, S., Müller, E.W., Blume, H.H., Pharmaceutical quality of different Ginkgo biloba brands, J. Pharmacy and Pharmacology 54 (2002) 661 – 669

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