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Arzneimittel und Therapie
Stellungnahme der DPhG: Zimt als Antidiabetikum
Derzeit sind weit über 100 Arzneipflanzen mit hypoglykämischer Wirkung bekannt. Sie spielen eine große Rolle in der Dritten Welt bzw. in der traditionellen Medizin dieser Länder. Zu ihnen gehören auch Zimt und Bittermelone (Momoridica charantia). Die Inhaltsstoffe des Zimts sollen die Insulinsensitivität steigern und antioxidativ wirken.
Aus Pakistan wurde kürzlich eine Studie [1] veröffentlicht, die eine blutzucker- und lipidsenkende Wirkung von täglich 1 bis 6 g Zimt bei Typ-II-Diabetikern, die gleichzeitig Glibenclamid erhielten, zeigt. Eine Standardisierung auf wirkungsrelevante Inhaltsstoffe war allerdings nicht vorgenommen worden. Derzeit ist jedoch über Langzeiteffekte von Zimt, was klinische Endpunkte, aber insbesondere seine Toxikologie betrifft, nichts bekannt.
Im Handel ist gegenwärtig ein offenbar nicht standardisierter wässriger Extrakt mit dem Namen Diabetruw® der Firma Truw Arzneimittel, der 1 g Zimt äquivalent sein soll, sowie ein Zimtpräparat namens Alfiroyal®, das über Reformhäuser vertrieben wird.
Die Firma Sandoz stellt ein Präparat aus Bittermelone her mit dem Namen Glukokine® als Nahrungsergänzungsmittel mit gesundheitsfördernden Eigenschaften zur Unterstützung für einen "gesunden Zuckerhaushalt". Inhaltsstoffe sind Flavonoide (Gelbstoffe) und Saponine. Die Bittermelone dient u. a. in Indien als Gemüse. Als stoffwechselrelevante Parameter wurden im Tierversuch eine Steigerung der Insulinsekretion sowie eine Verbesserung der Glucosetoleranz beschrieben [2].
In Anbetracht der Tatsache, dass die Einstellung von Diabetikern bereits mit den in westlichen Ländern zur Verfügung stehenden gut geprüften Antidiabetika nicht einfach ist, kann nicht empfohlen werden, zusätzlich oder anstelle von ihnen Zimt- oder andere Naturprodukte anzuwenden. Dies gilt insbesondere für nicht näher bewertbare pflanzliche Stoffe enthaltende Nahrungsergänzungsmittel, die keine Zulassung als Arzneimittel haben und daher auch nicht den pharmakologischen, klinischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen an ein Arzneimittel genügen.
Für die zivilisierte Welt gilt immer noch, dass der Nachweis einer ausreichenden blutzuckersenkenden Wirkung standardisierter Produkte in randomisierten Studien zu führen wäre, zuvor aber die Notwendigkeit toxikologischer Prüfungen auch zur Langzeitsicherheit besteht. Letztlich haftet der Arzt für die Unbedenklichkeit, wenn der Anbieter derartiger Produkte darauf verweist, diesbezüglich "den Arzt zu fragen".
Von der Anwendung pflanzlicher, nicht den Anforderungen unseres Arzneimittelrechts entsprechender Arzneimittel, ist daher abzuraten.
Prof. Dr. H. P. T. Ammon, Tübingen, (Altpräsident Deutsche Diabetes Gesellschaft und ehemaliger Präsident der DPhG), Prof. Dr. U. Holzgrabe (Präsidentin der DPhG), Prof. Dr. T. Dingermann (Altpräsident der DPhG), Prof. Dr. M. Schubert-Zsilavecz (Vizepräsident der DPhG)
Quellen
[1] Khan, A.; et al.: Diabetes Care 26, 3215 – 3218 (2003).
[2] Basch. E.: et al.: Am. J. Health: Syst. Pharm. 60, 356 – 359 (2003).
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