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Gesundheitshilfe
GPHF-Minilabs: Mehr Schutz vor gefälschten Arzneimitteln
Vietnam: Aids-Medikamente im Drogenmilieu
Mitarbeiter der städtischen Gesundheitsbehörden in Ho Chi Minh City, dem ehemaligen Saigon, testen im Rahmen einer Studie die Qualität antiretroviraler Arzneimittel, die legal oder illegal im Markt sind. Es gibt in Vietnam vier namhafte Produzenten von Aids-Medikamenten, und bisher ist unbekannt, in welchem Maße illegale Hersteller sich an dem dortigen Markt beteiligen und wie die Qualität ihrer Produkte beschaffen ist.
Schon vor Beginn der Studie war klar: Die Aids-Medikamente, die in der Drogenszene und im Rotlichtmilieu kursieren, stammen überwiegend aus dubiosen Quellen. Um hiervon Proben zu erhalten, arbeiten die Gesundheitsbehörden mit Aids-Patienten des Tropical Diseases Hospital und des Binh Trieu Hospital zusammen, die sich in der Szene gut auskennen.
Unabdingbar für die Durchführung der Studie ist der Einsatz von GPHF-Minilabs, die einfach, schnell und sicher zu handhaben sind. Mitarbeiter des German Pharma Health Fund haben die vietnamesischen Kollegen entsprechend geschult. Außerdem unterstützen die United States Agency for International Development (USAID) und die Global Assistance Initiative der United States Pharmacopeia (USP) diese Studie, deren Kosten auf 35.000 US Dollar veranschlagt sind; die Hälfte dieser Summe wird für den Kauf der Arzneimittelproben benötigt.
Kambodscha: Flut von Arzneimittelfälschungen
USAID/USP und GPHF kooperieren auch in Kambodscha. In der Hauptstadt Phnom Penh nahmen 24 Apotheker aus 24 Provinzen an einem Minilab-Training teil, um anschließend landesweit Proben von Aids-Medikamenten zu ziehen und auf ihre Qualität zu prüfen. Da jedoch der ganze kambodschanische Arzneimittelmarkt von Fälschungen überflutet wird
[1 – 7], wurde kurzfristig die Prüfung weiterer Medikamente, z. B. Tuberkulose- und Malaria-Präparate, in das Projekt aufgenommen. Auch dieses Projekt kostet 35.000 US Dollar. Inzwischen hat USAID weitere 300.000 US Dollar für Gesundheitsprojekte in Südostasien bewilligt.
War Kambodscha einst die Kornkammer Südostasiens und reicher als Thailand, so ist es heute von Krieg, Vernichtung, Verfolgung und absoluter Verelendung geprägt. Es ist mit Abstand die ärmste Volkswirtschaft der Region. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt unter 300 US Dollar im Jahr. Die vor gut zehn Jahren eingeleitete Transformation von der Staats- zur Marktwirtschaft gestaltet sich schwierig, nicht zuletzt wegen der Seilschaften alter Kader.
Auch bei der Arzneimittelversorgung herrscht Anarchie [4]. Tausend legalen Apotheken stehen etwa 2500 Arzneimittelverkaufsstellen ohne Betriebserlaubnis gegenüber. Zehn Prozent des Arzneimittelmarkts besteht aus dem Verkauf verfallener Ware. Von den 6000 im Markt befindlichen Präparaten ist nur die Hälfte zugelassen. Der Anteil der Fälschungen liegt durchschnittlich über zehn Prozent, bei Mitteln gegen Malaria weitaus höher. Hierbei handelt es sich mehrheitlich um importierte Ware, die in ländlichen Gegenden an die ärmere Bevölkerung verkauft wird.
Einige spektakuläre Fälle
Die kambodschanische Arzneimittelbehörde fand mit Unterstützung der WHO allein im letzten Jahr 35 gefälschte Arzneimittel und entzog fünf Importeuren die Lizenz [4]. Eine aktuelle Untersuchung der Universität Toulouse und der Pierre Fabre Foundation bestätigt diese Zahlen und brachte darüber hinaus einige spektakuläre Fälle ans Tageslicht [6]: So sollte ein Ceftriaxon-Präparat von einem Pharmahersteller in der Schweiz stammen, den es in Wirklichkeit nicht gibt ("Rodenon"). Die Fälscher nutzten hier den guten Ruf der Schweiz für Werbezwecke. Das Produkt Di-Antalvic der Firma Aventis wurde gleich dreimal kopiert (Dicintavic, Di-Entalwic, Di-Butalvic).
Darüber hinaus wurden im Rahmen des WHO-Projekts Mekong Roll Back Malaria massenhafte Fälschungen bei Malariamitteln bekannt; bis zu 25% der Präparate waren betroffen, im besten Fall war die Wirkstoffmenge unzureichend, in den schlimmsten Fällen enthielten sie einen falschen oder gar keinen Wirkstoff [5].
Nährboden für Korruption
Der Staat kann hier nicht gegensteuern. Die öffentlichen Kassen sind leer, die Behörden schwach. Das Einkommen kambodschanischer Staatsdiener liegt zwischen 30 und 60 US Dollar monatlich, das heißt unterhalb der nationalen Armutsgrenze und fünf- bis zehnmal niedriger als in der Privatwirtschaft. Der öffentliche Dienst ist für viele Personen dennoch attraktiv, weil er Ruhm, Macht und Einfluss verspricht und weil Nebentätigkeiten möglich sind.
Unter diesen Umständen sind im öffentlichen Dienst Korruption und Bestechung geradezu vorprogrammiert, und es verwundert nicht, dass große Mengen an Arzneimitteln aus öffentlichen Programmen in den Privatsektor diffundieren. Selbst Arzneistoffmuster für klinische Prüfungen gelangen – meist über Soldaten, die sich als Probanden zur Verfügung stellen – in unlizenzierte Arzneimittelverkaufsstellen, so jüngst Dehydroartemisinin Compound Tabletten, ein neues chinesisches Kombinationspräparat gegen Malaria.
Pragmatische Hilfe durch internationale Zusammenarbeit
Finanziell gut ausgestattete Projekte der internationalen Staatengemeinschaft können diese unerfreuliche Situation verändern. Sie können z. B. einheimische Fachkräfte, die ansonsten in die Privatwirtschaft oder ins Ausland abwandern würden, mit einem adäquaten Zubrot an öffentliche Institutionen binden und ihrer Korruption vorbeugen. So erhielten die Teilnehmer der GPHF-Schulung in Phnom Penh 15 US Dollar als Tagesspesen, quasi als Ausfallgeld für Nebentätigkeiten, die sie während des zentralen Trainings nicht ausüben konnten.
Diese Teilnehmer beschönigten in Gesprächen die Missstände am kambodschanischen Arzneimittelmarkt nicht. Sie betonten aber, dass sich die Arzneimittelversorgung im Vergleich zur Zeit des Bürgerkriegs, als es keinerlei Malariaprophylaxe gab, schon erheblich gebessert hat und dass sie den Willen haben, sie weiter zu verbessern. Dank der Minilabs und der entsprechenden Schulung besitzen sie nun das Know-how zur effektiven Arzneimittelkontrolle und damit auch zur wirksameren Bekämpfung von Aids, Malaria, Tuberkulose und anderen Infektionskrankheiten.
Kooperation mit starken Partnern
GPHF-Minilabs bestehen aus der Laborausrüstung und einem Set von Chemikalien, die zum Teil als Gefahrgut klassifiziert sind. In den letzten Jahren hat der GPHF knapp 200 voll funktionsfähige Minilabs ohne Zwischenfälle und Verlustmeldungen in 45 Länder weltweit geliefert.
Problematisch ist allerdings die Region Lateinamerika wegen der zum Teil überaus bürokratischen Zollvorschriften, was die Lieferung der Minilabs enorm verzögert. Selbst so völlig unbedeutende Kleinigkeiten wie die Glasqualität mitgeführter Messpipetten wird manchmal abgefragt und muss zertifiziert werden. Vor dem Erfindungsreichtum lateinamerikanischer Zollbehörden muss selbst der Fachmann häufig passen.
Ein starker Partner, der die Situation vor Ort bestens kennt, unterstützt seit jüngster Zeit den GPHF beim Einsatz von Minilabs im Amazon Roll Back Malaria Programm: Unter der Obhut der Pan American Health Organization (PAHO), die als südamerikanisches Regionalbüro der WHO fungiert, schweben neuerdings Minilabs gänzlich losgelöst von nationalen Vorschriften quasi als Diplomatengepäck unter UN-Flagge in diese Region ein. Frei nach Schiller: "Das Außergewöhnliche kommt selten auf gewöhnlichem Weg."
Dr. Richard W. O. Jähnke
Literatur
[1] Malaria: Dozens dead in Cambodia from counterfeit drugs. UN Wire, May 30, 2000.
[2] Newton P N et al., Fake artesunate in southeast Asia. Lancet 357, 1948 – 1950 (2001).
[3] Rozendaal J, Fake antimalaria drugs in Cambodia. Lancet 357, 890 (2001).
[4] First study report on counterfeit and substandard drugs in Cambodia. Cambodian Committee for Research and Study on Counterfeit Medicines, Cambodian Ministry of Health & World Health Organization 2001. – Second study report … 2004.
[5] Vachon M, Test shows 1 in 4 malaria drugs sold in provinces is fake. Cambodia Daily, August 28, 2003.
[6] Castelbou R, Les faux médicaments dans les pays emergents. L’exemple du Cambodge. Thèse, Univ. de Toulouse III, 2005.
[7] Aldhoust P, Murder by medicines. Nature 434, 132 – 136 (2005).
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