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Fortbildung
Nahrungsergänzungsmittel und bilanzierte Diäten
Die Auffassung von Ernährung hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Früher stand die ausreichende Zufuhr von Energie und Nährstoffen, also die Vermeidung von Mangelscheinungen, im Vordergrund. Heute wird die langfristige Gesunderhaltung im Sinne einer Prävention degenerativer Erkrankungen ebenso wichtig genommen.
Die Datenlage
ist sehr unterschiedlich
Die Nährstoffempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die gesunde Durchschnittsbevölkerung sind weitgehend akzeptiert. Präventive Empfehlungen für bestimmte Personengruppen gibt es bisher nur vereinzelt. Echte Mangelerscheinungen sind in Deutschland kaum noch zu finden. Nur bei Iod, Calcium und Folsäure ist die Zufuhr in dieser Hinsicht knapp oder unzureichend.
Wenig Daten liegen zum erhöhten Nährstoffbedarf bei Krankheiten und zur Beeinflussung von Krankheiten durch Mikronährstoffe vor. Um präventive Effekte von Nährstoffen nachzuweisen, genügen epidemiologische und molekulare Studien nicht, sondern diese müssen durch die Ergebnisse plazebokontrollierter, randomisierter Studien am Menschen ergänzt werden. Für einzelne Nährstoffe ist die klinische Datenlage zur präventiven Wirksamkeit inzwischen relativ gut, darunter Vitamin D zur Prävention der Osteoporose.
Beachtlicher Anteil
am Apothekenumsatz Rund 40% aller in Apotheken umgesetzten Packungen stammen heute schon aus dem Lebensmittelbereich. Der Anteil am monetären Apothekenumsatz beträgt bereits 13 bis 14% mit steigender Tendenz.
Viele Hersteller von Produkten im Lebensmittelbereich nutzen die einfache Vermarktung über die Apotheke und das positive Image der Apotheke aus. "Nicht nur im Internet, auch in der Apotheke finden sich besonders unseriöse Produkte", behauptet Prof. Andreas Hahn, Hannover. Für unseriöse Firmen sei nämlich gerade dieser Distributionsweg viel einfacher als der Verkauf im Lebensmittelhandel. Apotheker sind aufgrund ihres Fachwissens aber auch in der Lage, sinnvolle Produkte von unsinnigen zu unterscheiden.
Für die Industrie:
Alternative zum Arzneimittel Viele pharmazeutische Unternehmen vermarkten mittlerweile ihre neuen Produkten als Lebensmittel. Für das Inverkehrbringen von Lebensmitteln besteht zwar im Gegensatz zu Arzneimitteln eine generelle Erlaubnis, trotzdem gibt es zahlreiche Einzelverbote und Anforderungen (siehe Kasten).
Lebensmittel
oder Arzneimittel? Die Abgrenzungsfrage Lebensmittel oder Arzneimittel ist für den Apotheker in der Offizin selten eindeutig zu beantworten. Das wichtige juristische Kriterium, dass nur ein Arzneimittel eine pharmakologische Wirkung ausübt, ist nur formal eindeutig. Der Begriff "pharmakologische Wirkung" ist nicht absolut definiert, und viele Nährstoffe üben durchaus pharmakologische Wirkungen aus, zum Beispiel hormonartige Wirkungen (Vitamin D, Phytoöstrogene) oder eine Beeinflussung der Genexpression (verschiedene Vitamine).
Auch die Höchstmengenfrage hilft nicht bei der Zuordnung. Früher galt die Dreifachregel als einfaches Kriterium: Ein Präparat, das höchstens das Dreifache der von der DGE empfohlenen Nährstoffmenge enthielt, wurde noch als Lebensmittel akzeptiert. Dieses Kriterium wurde inzwischen wieder verworfen; eine einheitliche Handhabung fehlt. Die meisten in der Apotheke angebotenen Produkte aus dem Lebensmittelbereich sind Nahrungsergänzungsmittel und bilanzierte Diäten.
Nahrungsergänzungsmittel: ohne medizinische Indikation
Nahrungsergänzungsmittel sollen laut Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV)
- die allgemeine Nahrung ergänzen,
- Konzentrate von Nährstoffen (Vitaminen und Mineralstoffen) oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung enthalten,
- in dosierter (abgeteilter) Form in Verkehr gebracht werden.
Die Hersteller müssen Nahrungsergänzungsmittel beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit anzeigen. Die Meldung spätestens beim ersten Inverkehrbringen beinhaltet jedoch keine Prüfung auf Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit der Präparate.
Nahrungsergänzungsmittel dürfen wie alle Lebensmittel beim Endverbraucher nicht mit krankheitsbezogenen Aussagen beworben werden. Erlaubt sind Aussagen wie "für starke Knochen" oder "für die Gesundheit der Knochen", aber nicht "zur Verhinderung der Osteoporose".
Vom Gesetz her brauchen Nahrungsergänzungsmittel keinen speziellen Nutzen zu haben, außer die Nahrung zu ergänzen. Tatsächlich besitzen Nahrungsergänzungsmittel in drei Bereichen einen möglichen Nutzen:
- Ausgleich oder Vermeidung einer unzureichenden Nährstoffzufuhr (vor allem bei hypokalorischer Ernährung, d.h. < 1800 kcal),
- Deckung eines erhöhten Nährstoffbedarfs (Schwangere, Stillende, Kranke),
- Prävention ernährungsabhängiger Krankheiten.
Täglich 400 µg Folsäure, spätestens ab vier Wochen vor Schwangerschaftsbeginn (!) eingenommen, senken das Risiko von Neuralrohrdefekten beim Neugeborenen. In diesem Fall ist der präventive Effekt gut belegt. In anderen Bereichen, wie Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen, ist wenig über die präventive Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln bekannt. Zum Nachweis wären langjährige Studien nötig, die die Hersteller auch wegen des fehlenden Patentschutzes für Nährstoffkombinationen nicht durchführen. Letztlich muss der Verbraucher entscheiden, ob er eine potenziell wirksame Maßnahme nutzt.
Bilanzierte Diäten:
mit Arzneimittel-Anspruch
Bilanzierte Diäten sind ein Sonderfall diätetischer Lebensmittel. Diätetische Lebensmittel dienen einem besonderen Ernährungszweck (z.B. Ernährung von Säuglingen, von Diabetikern), müssen für diesen Zweck geeignet sein und sich von normalen Lebensmitteln maßgeblich unterscheiden.
Bilanzierte Diäten (auch "diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke") sind für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt, die entweder eine Verwertungsstörung oder einen sonstigen "medizinisch bedingten" Nährstoffbedarf haben.
Man unterscheidet
- vollbilanzierte Diäten zur ausschließlichen Ernährung (Trinknahrung) und
- ergänzende bilanzierte Diäten zur teilweisen Ernährung.
Auch bilanzierte Diäten müssen vom Hersteller vor dem ersten Inverkehrbringen angezeigt werden. Für den Hersteller haben bilanzierte Diäten einen unschätzbaren Vorteil: Die Produkte müssen mit dem Hinweis "zur diätetischen Behandlung von ...", ergänzt durch eine Krankheit, Störung oder Beschwerde, deklariert werden. Dieser Hinweis ermöglicht eine krankheitsbezogene Positionierung, obwohl auch für bilanzierte Diäten die krankheitsbezogene Bewerbung beim Endverbraucher und präventive Aussagen verboten sind.
Bilanzierte Diäten müssen nutzbringend und sicher sein. Die Indikation für eine bilanzierte Diät muss klar umrissen und diätetisch behandelbar sein. Dem Apotheker obliegt es, begründete Indikationen (z.B. Osteoporose, erhöhter Homocysteinspiegel, rheumatoide Arthritis) von Pseudoindikationen ("zur Behandlung von Schäden infolge oxidativen Stresses", "in physischen und psychischen Stress-Situationen") zu unterscheiden. Er sollte überprüfen, ob der Nutzen belegt ist (möglichst indikationsbezogene, plazebokontrollierte Interventionsstudien), und sollte stoffliche Zulässigkeit sowie Risiken und Nebenwirkungen beurteilen.
Quelle
"Bilanzierte Diäten und Nahrungsergänzungsmittel – Produkte für die Beratung in der Apotheke", Vortrag von Prof. Dr. Andreas Hahn, Universität Hannover, auf einer Veranstaltung der DPhG am 18. Januar 2005 in Münster/Westf.
Anforderungen für das Inverkehrbringen von
Lebensmitteln
- Das Produkt muss Lebensmittel sein; keine pharmakologische Wirkung (BasisV 178/2002).
- Das Produkt darf die Gesundheit nicht schädigen (§ 8 LMBG).
- Für verschiedene Produkte besondere Rechtsnormen und Anforderungen, z.B. für Nahrungsergänzungsmittel und bilanzierte Diäten (NemV, DiätV)
- Alle Zutaten müssen zulässig sein; keine (unerlaubten) Zusatzstoffe (§ 11 LMBG in Verbindung mit § 2 LMBG).
- Gesundheitsbezogene Aussagen sind erlaubt, krankheitsbezogene Bewerbung beim Endverbraucher ist verboten (§ 18 LMBG).
- Werbung mit wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherten Aussagen ist immer verboten (§ 17 LMBG).
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