- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 13/2006
- Das Cytochromsystem – ...
DAZ wissenswert
Das Cytochromsystem – eine Goldgrube?
Die Erforschung der Proteine ist ein weites Feld. Die Raumstruktur bestimmt wesentlich ihre Funktion und Wechselwirkung. Mit der Strukturbiologie widmet sich ein eigenes Fach diesen Fragestellungen.
Auch an der Umwandlung elektrischer Membranpotenziale in die energiereiche Bindung des Adenosintriphosphats (ATP) sind viele Proteine beteiligt. Dieser Prozess setzt sich aus fünf Komplexen zusammen. Fehlfunktionen, die hier auftreten, können viele Krankheiten verursachen (Tab. 1).
Evolution der Energieversorgung
Die Lebewesen in all ihrer Vielfalt ähneln sich im grundlegenden Aufbau der Energieversorgung darin, dass sie Energie mit ähnlichen Molekülen umwandeln und in Form von ATP speichern. Die Methoden der Energiegewinnung reichen von der Oxidation unterschiedlichster anorganischer Verbindungen, über die Oxidation organischer Stoffe bis zur Verwertung von Licht mittels Photosynthese. Die meisten dieser Reaktionen gibt es in zwei Varianten mit bzw. ohne Sauerstoff.
Das erste energiewandelnde System basierte vermutlich auf der Oxidation von Eisensulfid (FeS) durch Schwefel zu Pyrit (FeS2) und funktionierte ohne Sauerstoff. Vor 3,8 Milliarden Jahren haben dann Purpurbakterien und Grüne Schwefelbakterien eine erste primitive anoxygene Photosynthese entwickelt, indem sie Schwefelwasserstoff (H2S) zu Schwefel und Sulfat oxidieren. Sie kommen noch heute in anaeroben Bereichen von Gewässern vor. Das Licht absorbieren sie mit Bakteriochlorophyll, das sich vom pflanzlichen Chlorophyll unterscheidet.
Die Cyanobakterien (Blaualgen) haben sehr wahrscheinlich vor 3,4 Mrd. Jahren als erste mit der aeroben Photosynthese begonnen. So wurden in Simbabwe 3 Mrd. Jahre alte Stromatolithen gefunden – das sind blättrig gebaute Kalkkrusten, die von den fädigen Geflechten der Cyanobakterien ausgefällt worden sind. Sogar Cyanobakterien und Abbauprodukte des Chlorophylls sind darin noch zu erkennen.
Durch die Photosynthese, den bislang effizientesten Prozess der Energiegewinnung in der Natur, entstanden gewaltige Mengen molekularen Sauerstoffs. Er reicherte sich kontinuierlich in der Atmosphäre an und änderte die Lebensbedingungen auf der Erde radikal. Da der Sauerstoff für die meisten Arten giftig war, gingen sie zugrunde, es sei denn, dass sie sauerstofffreie Nischen fanden oder ihre Lebensweise anpassten. Eine Art der Anpassung stellt die oxidative Atmung dar. Dazu erfand die Natur allerdings keinen grundlegend neuen Prozess. Die bereits vorhandene und bewährte Elektronentransportkette mithilfe von Cytochrom musste "nur" ausgebaut und zur Atmungskette weiterentwickelt werden.
Vielseitiges Cytochrom
Cytochrome sind ubiquitär verbreitete redoxaktive Proteinkomplexe mit einer prosthetischen Hämgruppe. Sie sind löslich und binden an die positiv geladene Seite von Membranen: So befinden sie sich im Periplasma von Bakterien, im Intermembranraum von Mitochondrien und im Lumen von Chloroplasten und Cyanobakterien. Auf der anderen Seite der Membran liegen jeweils das Cytoplasma, das Stroma bzw. der Matrixraum.
Man unterscheidet die Cytochrom-Gruppen nach ihren charakteristischen Lichtabsorptionsspektren. Die Enzyme des Cytochrom-P450-Systems (CYP) wirken wesentlich am Metabolismus von Schadstoffen und pharmazeutischen Wirkstoffen mit. Die zugrunde liegenden Gene haben sich während der Evolution sehr schnell verändert, sodass es im Metabolismus große ethnische und sogar individuelle Unterschiede gibt.
Cytochrom c spielt bei der Atmungskette, d. h. beim Elektronentransport in den Mitochondrien, die entscheidende Rolle. Das dreidimensionale funktionsfähige Protein entsteht durch Faltung des linearen Apoproteins. Für diesen Prozess der Biogenese oder Reifung gibt es drei verschiedene Systeme (Tab. 2):
- System I ist das komplexeste und wahrscheinlich auch älteste.
- System II ist möglicherweise eine weiterentwickelte, vereinfachte Form des Systems I, denn es existieren große Homologien zwischen den beteiligten Genen beider Systeme.
- System III unterscheidet sich strukturell deutlich von den beiden anderen Systemen. Wahrscheinlich ist es am jüngsten und hat sich erst entwickelt, seitdem die Mitochondrien nicht mehr direkt mit der Außenwelt in Verbindung stehen.
Durch Mutationen zu neuen Aufgaben
Die Biogenese des Cytochroms c erfolgt wesentlich durch die Ausbildung von Disulfidbrücken, wobei Thioredoxine die Redoxvorgänge katalysieren; in Prokaryonten heißen sie Dsb-Proteine (Dsb = Disulfidbindung), in Euykaryonten Proteindisulfidisomerasen (PDI). Ein einziger Organismus kann mehr als 50 verschiedene Thioredoxine besitzen, die in einem komplexen Zusammenspiel stehen. Das lösliche Protein DsbA beispielsweise fügt eine Disulfidbrücke in das Apoprotein des Cytochroms c ein und muss danach seinerseits von DsbB, einem integralen Membranprotein, wieder reduziert werden. Ähnlich wirken DsbC und DsbD zusammen.
Dsb-Proteine sind mit Domänen unterschiedlicher Struktur und Zahl ausgestattet. Es kommen Mutationen vor, die sich sehr unterschiedlich auswirken. So besitzt DsbD drei Domänen, ist aber auch dann funktionell, wenn nur eine einzige Domäne vorhanden ist. Dagegen erfüllen andere Mutanten ganz unterschiedliche Aufgaben (Tab. 3). Einige sind in der Lage, mit Proteinen ganz anderer Stoffwechselwege zu interagieren. Beispielsweise überträgt das DsbD nicht nur Elektronen auf das Cytochrom c, es kann auch für die Reparatur falsch gefalteter Proteine sorgen.
Die Dsb-Familie zeigt sehr anschaulich, wie Evolution funktionieren kann. Die Variabilität der Domänen sorgt für die Anpassung der Enzyme an neue Bedingungen, indem sie neue Aufgaben übernehmen.
Die Strukturbiologie setzt die Evolution gewissermaßen fort. Mittlerweile ist sie in der Lage, Dsb-Proteine gezielt einzusetzen. So ist es gelungen, durch übermäßige Biosynthese von Dsb-Proteinen in E. coli Humaninsulin in nativer Form, also mit intakten Disulfidbrücken, herzustellen.
Defekte in der ATP-Synthese durch oxidative Phosphorylierung gehören zu den am häufigsten vererbten Stoffwechselkrankheiten. Die meisten der dafür verantwortlichen Gene sind noch nicht identifiziert.
Mitochondriale Erkrankungen des Menschen wurden 1959 entdeckt. Ihre Prävalenz liegt zwischen 10 und 15 Fällen je 100.000 Personen.
"Wer die Membranproteine versteht, dem stehen ungeahnte Möglichkeiten offen. Es ist wie Gold suchen."
Prof. Dr. Markus Grütter, Molekularbiologe, Universität Zürich
Das Cytochrom bei Pflanzen www.biologie.uni-freiburg.de/data/bio2/schroeder/P450_General_de.html Cytochrom im Roche-Lexikon www.gesundheit.de/roche Cytochrom und Stammbaumhypothese www.weloennig.de/AesV1.1.Cyto.html
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.