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Arzneimittel und Therapie
Antidot: Fomepizol bei Vergiftungen mit Ethylenglycol
Ethylenglycol ist ein Bestandteil vieler Frostschutzmittel, zum Beispiel in Automobilkühlern. Außerdem wird es beispielsweise als Lösungsmittel, als Bestandteil photographischer Entwickler oder als Bremsflüssigkeit verwendet. Ethylenglycol wird immer wieder in Flaschen ohne entsprechende Kennzeichnung aufbewahrt, was zu Verwechslungen und zu Vergiftungsfällen führen kann.
Die Giftigkeit der Glycole wird meist unterschätzt. Ethylenglycolvergiftungen verursachen eine schwere metabolische Azidose, Nierenversagen und enden oft tödlich. Ethylenglycol wird rasch gastrointestinal resorbiert und hepatisch metabolisiert. Die Halbwertszeit liegt im Bereich von drei bis acht Stunden. Bereits 60 ml Ethylenglycol können tödlich sein. Als mittlere tödliche Dosis von Ethylenglycol gelten 1,4 ml pro kg Körpergewicht für den Menschen, jedoch wurden schon bis zu 400 ml überlebt. Ethylenglycol erzeugt im Mund ein Wärmegefühl.
Erst durch Abbau giftig
Per se ist Ethylenglycol nicht toxisch. Im Körper wird der Alkohol aber via Alkoholdehydrogenase (ADH) zu aktiven Metaboliten abgebaut, die giftig sind. Zeichen der Intoxikation sind eine metabolische Azidose, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma und Nierenversagen. Während die Glycolsäure für die Entwicklung der metabolischen Azidose verantwortlich ist, gelten die beiden Metaboliten Glycoaldehyd und Glyoxylat als nephro- bzw. tubulotoxisch. Aus dem Abbau von Glyoxylat resultiert schließlich die Oxalsäure, die über den Urin ausgeschieden wird und typischerweise zur Bildung von Calciumoxalat-Kristallen führt.
Lebensgefährliche Vergiftung
Bei der Einnahme lassen sich drei Stadien der Vergiftung unterscheiden: Erst kommt es zu Erscheinungen von Trunkenheit, ohne dass der Betroffene nach Alkohol riecht. Bei hohen Dosen treten Schock, Koma und Krämpfe auf, und der Tod kann innerhalb von 24 h im Schockzustand eintreten. Wird Stadium 1 überlebt, treten Herz-Kreislauf-Störungen mit beschleunigter Atmung, blauroter Verfärbung der Haut infolge Sauerstoffarmut und eventuell ein Lungenödem auf. Die Nierenschädigungen zeigen sich im Anschluss an Stadium 2. Sie können bis zum Ausbleiben der Harnabsonderung gehen. Spättodesfälle bis zu 17 Tagen nach der Einnahme wurden beobachtet. Wird die Vergiftung überlebt, so können auch Schädigungen der Leber und des Nervensystems auftreten.
Abbau hemmen
Bisherige Standardtherapie ist die Gabe von Ethanol im Zusammenhang mit der Hämodialyse. Dadurch wird der Abbau von Ethylenglycol zu giftigen Metaboliten verlangsamt.
Jetzt kann auch die neue Substanz Fomepizol bei Vergiftungen mit Ethylenglycol eingesetzt werden. Fomepizol hemmt rasch und kompetitiv die Alkoholdehydrogenase und ist wirksamer und sicherer als Ethanol. Die Plasmahalbwertszeit von Ethylenglycol verlängert sich von vier auf zehn bis 16 Stunden. Es wird dann in unveränderter Form renal ausgeschieden, wodurch eine Polyurie osmotisch induziert wird.
Schnell behandeln
Bei jedem Verdacht auf eine Intoxikation durch Ethylenglycol ist nach der Einnahme des Giftstoffs so schnell wie möglich mit der Behandlung zu beginnen, selbst in Abwesenheit von Vergiftungssymptomen.
Fomepizol sollte bei Verdacht sofort und über 48 Stunden gegeben werden, wobei der Ethylenglycolspiegel unter 200 mg/l abfallen sollte. Die verdünnte Fomepizol-Lösung sollte langsam intravenös infundiert werden. Die Dosierung hängt von der Plasmakonzentration von Ethylenglycol und der Nierenfunktion ab. Fomepizol ist dialysierbar, daher muss das Dosierungsintervall unter Hämodialyse angepasst werden. Orale oder intravenöse Dosen zwischen 7 und 20 mg/kg und Tag Fomepizol gelten als wirksam.
Durch die Behandlung einer Ethylenglycol-Vergiftung soll die Bildung toxischer Metaboliten von Ethylenglycol verhindert werden. Außerdem soll die metabolische Azidose korrigiert und der Organismus ausreichend hydriert werden, um den Gefahren einer Dehydratation und Hypernatriämie vorzubeugen.
Ethylenglycol sollte beschleunigt dialysiert werden. Toxische Metaboliten können, wenn notwendig, mit Hämodialyse entfernt werden. Bei der klinischen Beobachtung des Patienten sollten die Plasmakonzentrationen des Ethylenglycols, die Blutgase, der Blut-pH, die Elektrolyte, das Serum-Kreatinin und der Urin (Überprüfung auf Oxalatkristalle) regelmäßig überprüft werden.
Mehrfache Infusion
Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion oder einer schwach bis mäßig ausgeprägten Nierenfunktionsstörung, die eine Hämodialyse nicht erforderlich machen, sollte die Initialdosis von 15 mg/kg in Zeitintervallen von zwölf Stunden wiederholt werden, bis die Plasmakonzentration von Ethylenglycol auf einen Wert von unter 0,2 g/l (3,2 mmol/l) abgesunken ist. Die Anzahl der Folge-Dosierungen und die Dosis nach 48 Stunden sind abhängig von der Initialdosis und dem Verlauf der Plasmakonzentrationen von Ethylenglycol während der Behandlung. Bei älteren Patienten sollte die Behandlung an die Nierenfunktion angepasst werden. Bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen ist bei der Behandlung mit Fomepizol eine Hämodialyse angezeigt.
Pharmakokinetik
Das Verteilungsvolumen von Fomepizol beträgt etwa 0,7 l/kg. Für Dosen zwischen 7 und 20 mg/kg ist die Eliminationskinetik nicht linear und zeigt Sättigungscharakter.
Die wiederholte Gabe von Fomepizol induziert einen eigenständigen Metabolismus. Fomepizol wird im Organismus fast vollständig metabolisiert. Das wichtigste Abbauprodukt ist 4-Carboxypyrazol. Es hat in vitro keinen hemmenden Einfluss auf die Aktivität der menschlichen ADH. Die für den Abbau von Fomepizol verantwortlichen Enzyme sind nicht bekannt. In präklinischen Studien zeigte Fomepizol sowohl inhibitorische als auch induzierende Eigenschaften auf die Aktivität von CYP450-Isoenzymen. Vergleichbare Studien bei Menschen wurden nicht durchgeführt, somit kann keine Aussage über die Beeinflussung der Pharmakokinetik anderer Arzneimittel, die ebenfalls durch CYP450 vermittelt wird, getroffen werden.
Fomepizol und seine Abbauprodukte werden hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden. Nur 2 bis 3% der verabreichten Menge Fomepizol wird in unveränderter Form mit dem Urin ausgeschieden. Fomepizol ist dialysierbar. Der Extraktionskoeffizient liegt bei 0,75 und die Ausscheidung pro Stunde beträgt zwischen 0,41 und 1,15 mg/kg/h.
Nebenwirkungen: Benommenheit und Kopfschmerzen
Sehr häufig (> 10%) traten Benommenheit und Kopfschmerzen auf. Häufige Nebenwirkungen (> 1 bis < 10%) waren Bradykardie, Tachykardie, Anstieg des Blutdruck; Vertigo, Anfälle, Sehstörungen, Nystagmus, Sprachstörungen, Angst- und Unruhezustände; ein leichter Anstieg der Transaminasen; Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Dyspepsie, Schluckauf; Schmerzen an der Injektionsstelle, Phlebitis; Juckreiz, Hautausschlag; Hypereonsinophilie, Anämie sowie erhöhte Creatininphosphokinase-Werte.
Bei einigen Patienten wurden leichtere allergische Reaktionen (Hautausschlag, Eosinophilie) beobachtet. Bei Auftreten dieser Symptome sollten die Patienten überwacht werden. Bei schweren Symptomen (angioneurotisches Ödem, Bronchospasmus, anaphylaktischer Schock) einer allergischen Reaktion und Fehlen einer anderen möglichen Ursache sollte die Behandlung mit Fomepizol abgebrochen werden. Symptomatische Maßnahmen sollten eingeleitet werden. Eine Ethanolgabe sollte erfolgen und eine Hämodialyse sollte in Betracht gezogen werden.
Es wird empfohlen, die Lebertransaminasen und das Blutbild vor und einen Monat nach der Behandlung zu bestimmen. Bei vorbestehender Leberinsuffizienz ist eine engmaschige Überwachung der Transaminasen erforderlich.
Fomepizol (Fomepizole OPi) ist ein Antidot, das zur Behandlung von akuten Intoxikationen durch Ethylenglycol – ein weit verbreitetes Lösungsmittel, das oft zu Vergiftungsunfällen führt - infundiert wird. Es hemmt rasch und kompetitiv die Alkoholdehydrogenase und ist wirksamer und sicherer als Ethanol.
Handelsname/Hersteller:
Fomepizole OPi/OPi Deutschland GmbH, Köln
Einführungsdatum:
1. März 2006
Zusammensetzung:
1 ml enthält 8 mg Fomepizolhemisulfat (entsprechend 5 mg Fomepizol). Eine Ampulle mit 20 ml enthält 160 mg Fomepizolsulfat, entsprechend 100 mg Fomepizol. Hilfsstoffe: Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke
Packungsgrößen, Preise und PZN:
5 20 ml, 895,94 Euro, PZN 4953139.
Stoffklasse:
Antidot; ATC-Code: V03AB34
Indikation:
Zur Behandlung von akuten Intoxikationen durch Ethylenglycol
Dosierung:
Patienten mit normaler Nierenfunktion oder einer schwach bis mäßig ausgeprägten Nierenfunktionsstörung: 30 bis 45 Minuten als langsame intravenöse Infusion (Dauerinfusion). Die Initialdosis von 15 mg/kg sollte in Zeitintervallen von 12 Stunden wiederholt werden, bis die Plasmakonzentration von Ethylenglycol auf einen Wert von unter 0,2 g/l (3,2 mmol/l) abgesunken ist. Bei Patienten mit schweren Nierenfunktionsstörungen ist bei der Behandlung mit Fomepizol eine Hämodialyse angezeigt. Die Initialdosis von 15 mg/kg wird über 30 bis 45 Minuten infundiert. Im Anschluss daran erfolgt eine Dauerinfusion (1 mg/kg/Stunde Fomepizol) während der gesamten Dauer der Hämodialyse.
Gegenanzeigen:
Das Arzneimittel sollte nicht verabreicht werden in Fällen einer bekannten Überempfindlichkeit gegen Fomepizol und andere Pyrazole.
Nebenwirkungen:
Sehr häufig: Benommenheit, Kopfschmerzen. Häufig: Bradykardie, Tachykardie, Anstieg des Blutdrucks; Vertigo, Anfälle, Sehstörungen, Nystagmus, Sprachstörungen, Angst- und Unruhezustände; leichter Anstieg der Transaminasen; Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Dyspepsie, Schluckauf; Schmerzen an der Injektionsstelle, Phlebitis; Juckreiz, Hautausschlag; Hypereonsinophilie, Anämie; erhöhte Creatininphosphokinase-Werte
Wechselwirkungen:
Die Wirksamkeit von Fomepizol im Falle einer Ethylenglycolvergiftung wird durch Alkoholkonsum nicht beeinflusst.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:
Eine begonnene Behandlung einer Ethylenglycolvergiftung mit Ethanol schließt die Anwendung von Fomepizol nicht aus; dennoch wird die Kombination von Ethanol und Fomepizol in der Regel nicht empfohlen. Bei einigen Patienten wurden leichtere allergische Reaktionen (Hautausschlag, Eosinophilie) beobachtet; bei schweren Symptomen (angioneurotisches Ödem, Bronchospasmus, anaphylaktischer Schock) einer allergischen Reaktion und Fehlen einer anderen möglichen Ursache sollte die Behandlung mit Fomepizol abgebrochen werden. Es wird empfohlen, die Lebertransaminasen und das Blutbild vor und einen Monat nach der Behandlung zu bestimmen; bei vorbestehender Leberinsuffizienz ist eine engmaschige Überwachung der Transaminasen erforderlich. Während der ersten Tage nach dem Absetzen der Behandlung sollten die Patienten keine Fahrzeuge führen oder Maschinen bedienen.
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