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Umwelt: Methan aus Pflanzen
Die Forschungsgruppe von Dr. Frank Keppler am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik hat nachgewiesen, dass Pflanzen Methan emittieren. In keinem der anerkannten Lehrbücher der Pflanzenphysiologie ist das bisher erwähnt worden. Es ist eine echte Neuigkeit. Der Befund ist aus mehreren Gründen sehr interessant. Zum einen gilt das Gas als wichtiger Faktor des anthropogenen Treibhauseffektes. Zum anderen ist es überraschend, dass Pflanzen überhaupt Methan bilden können. Bisher ging man davon aus, dass das Gas, das vor allem im Erdgas vorkommt, nur von anaeroben methanogenen Bakterien gebildet werden kann.
Nach der gängigen Lehrmeinung kann Methan nur unter Ausschluss von Sauerstoff unter stark reduzierenden Bedingungen entstehen. Nun wurde die Methanbildung in Pflanzen nachgewiesen, doch ist der Prozess selbst noch unklar. Keppler hält zwei Quellen des Methans für möglich: Entweder die Estergruppen der Pektine oder die Methylethergruppen der Lignine spalten Methylgruppen ab, die dann zu Methan protoniert werden. Die Frage sei nun: Wie kann man Pektine oder Lignine so stark reduzieren?
Saubere Analytik
Die Veröffentlichung der Mess–ergebnisse schlug hohe Wellen. Einige Experten zweifelten die Daten an und sprachen von Messfehlern oder Zufallsreaktionen. Es wurde auch spekuliert, dass die Pflanzen das emittierte Methan vorher aufgenommen haben. Diesen Zweiflern an der Entdeckung können die betei–ligten Forscher entgegenhalten, sehr sauber gearbeitet zu haben. Keppler, der zuvor in Belfast über Chlormethan geforscht hatte, hat mit seiner neuen Arbeitsgruppe in Heidelberg um Professor Thomas Röckmann eine sehr gute Methananalytik etabliert. Sie haben die Analysen in ab–solut methan–freier Luft durchgeführt. Parallel dazu haben sie die Anteile der Kohlenstoffisotope 13C und 12C im Methan bestimmt und konnten dadurch zweifelsfrei nachweisen, dass das Methan aus den Pflanzen kam. Den Befund erhielten sie zuerst an abgestorbenen und frischen Laubblättern; danach haben sie auch Nadelgehölze und Gräser wie Mais und Weidelgras (Lolium perenne) untersucht.
Bei weiteren Untersuchungen fanden die Wissenschaftler, dass lebende Pflanzen die 10- bis 100fache Menge Methan freisetzen wie abgestorbenes Pflanzenmaterial.
Zudem stellten sie fest, dass sich die Methanproduktion noch drastisch erhöht, wenn die Pflanzen der Sonne ausgesetzt sind. Beim Artenvergleich stellte sich heraus, dass Gräser 10- bis 20-mal mehr Methan emittieren als Rosmarin.
Über den zugrunde liegenden Prozess weiß man zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr wenig. Es ist noch nicht einmal klar, ob das Methan aus den Stomata (natürliche Blattöffnungen) ausgast. Die Heidelberger Wissenschaftler vermuten einen unbekannten Reaktionsmechanismus, der mit dem herkömmlichen Wissen über Pflanzen nicht zu erklären ist; es könnte also ein neues Forschungsgebiet für Biochemiker und Pflanzenphysiologen entstehen.
Methanproduzenten
Bisher ging man davon aus, dass Methan nur unter anaeroben Bedingungen gebildet werden kann, und zwar aus Acetat oder Wasserstoff und Kohlendioxid. Diese Edukte entstehen beim anaeroben Abbau organischen Materials. Als mengenmäßig wichtigste anoxische Standorte auf dem Globus gelten Sümpfe und Reisfelder. Außerdem emittieren Wiederkäuer und Termiten erhebliche Mengen Methan. Auch die Faulgase von Klärwerken enthalten sehr viel Methan. Diese Quellen bringen nach der bisherigen Lehrmeinung zwei Drittel der weltweiten Methanproduktion von jährlich etwa 600 Mio. Tonnen hervor.
Kepplers Schätzungen zufolge produzieren terrestrische Pflanzen 60 bis 240 Mio. Tonnen Methan pro Jahr, also etwa 10 bis 40 Prozent der gesamten Methanproduktion. Davon entfallen etwa zwei Drittel auf die Tropen, da dort am meisten Biomasse gebildet wird. Dies erklärt auch die relativ hohen Methankonzentrationen über tropischen Wäldern, die Heidelberger Forscher vor kurzem per Satellit gemessen haben.
Auswirkungen auf das Klima
Warum kommt die scheinbar so triviale Entdeckung der Methanproduktion durch Pflanzen erst jetzt, 20 Jahre nachdem Hunderte von Wissenschaftlern weltweit den globalen Kreislauf von Methan untersucht haben? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, meint Keppler: "Es ist eine bisher anerkannte Lehrbuchweisheit, dass biogenes Methan nur unter Ausschluss von Sauerstoff gebildet werden kann. Darum hat bisher einfach niemand genau hingesehen."
Künftig wollen die Heidelberger Wissenschaftler neben Laborversuchen auch Feldstudien und Fernerkundungen durchführen, um die Stärke der Methanquellen besser abschätzen zu können. Darüber hinaus stellt sich die Fragen, welche Rolle die Emission von Methan aus Pflanzen bisher in der Geschichte des Klimas und der Biosphäre gespielt hat und künftig bei steigenden Temperaturen und Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre spielen wird.
Methan ist ein Treibhausgas, das nach Kohlendioxid am meisten zur anthropogenen Klimaveränderung beiträgt. Seine Konzentration in der Atmosphäre hat sich in den vergangenen 150 Jahren nahezu verdreifacht. Am bekanntesten ist Methan als Hauptbestandteil von Erdgas (75 bis 95%), doch nur ein Teil der Zunahme des Methans in der Atmosphäre geht auf das Konto der Erdgasförderung. Weit stärker hat die Nahrungsmittelproduktion für die rasch zunehmende Weltbevölkerung dazu beigetragen – durch Emission von Methan aus biogenen Quellen wie Reisfeldern oder Rindermägen.
Umweltlexikon
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