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Apotheke und Krankenhaus
Patientenorientierte Verblisterung von Arzneimitteln: Aufgabe des Apothekers ode
Mit folgendem Beitrag will der BVKA nun zu diesem Thema eindeutig Position beziehen und einen Beitrag auch zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten der Verblisterung leisten.
Unter dem Begriff "Verblistern" verstand man lange Zeit die einvernehmliche Praxis zwischen versorgenden Apotheken und Heimen, Arzneimittel patientenindividuell zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung und der Arzneimittelsicherheit zu verblistern.
Die erklärte Absicht der Kohl-Gruppe, nicht ausschließlich auf Grund einer konkreten Versorgungs–situation, sondern sogar über den Kreis chronisch Kranker hinaus mehr oder weniger für alle Patienten, die dabei mitmachen wollen, das Fertigarzneimittel durch neuverblisterte Arzneimittel zu ersetzen, hat mit der Praxis einzelner Heimversorgungsapotheken wenig gemeinsam. Mit diesen Ausführungen sollen die gravierenden Unterschiede beider Systeme verdeutlicht werden.
Verblistern durch heimversorgende Apotheken
Am Anfang der Diskussion stand die Frage: Sind Vereinbarungen zwischen heimversorgenden Apotheken und Heimen über die Verblisterung rechtlich überhaupt zulässig? Die ABDA hat diese Frage zumindest anfänglich verneint. Die zuständigen Landesbehörden haben sie bejaht. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 9. März 2005, die allerdings noch nicht rechtskräftig ist, hat ebenfalls das Verblistern im Rahmen der Heimversorgung sanktioniert.
Der BVKA hat seit Beginn der Diskussion das Verblistern für Heimbewohner nicht propagiert oder unterstützt, er hat jedoch stets die Auffassung vertreten, dass rechtliche Bedenken hiergegen nicht bestehen, wenn Heimträger und Apotheke sich einig sind und wenn beim Verblistern bestimmte Regeln und Grundsätze eingehalten werden. Der BVKA steht unter dem Eindruck, dass rechtliche Bedenken sich inzwischen erledigt haben und es im Grunde nur noch um die Beachtung bestimmter Qualitätsrichtlinien beim Verblistern geht.
Die vom BVKA im vergangenen Jahr entwickelten und inzwischen publizierten "Qualitätsrichtlinien zur patientenindividuellen Arzneimittelversorgung" betonen ausdrücklich, dass das Verblistern Teil der pharmazeutischen Betreuung ist und damit eine pharmazeutische Dienstleistung darstellt, wenn sie auf Wunsch und in enger Absprache mit dem Heim von der Apotheke erbracht wird.
Patientenindividuelles Verblistern: nur ein kleiner Teilaspekt einer intensiven Betreuung
Das Verblistern ist lediglich ein Vorgang am Ende einer intensiven Betreuung des Patienten durch die Apotheke. Der weitaus größere Aufwand liegt im Vorfeld, ausgehend von einem eindeutigen Medikationsplan, der ohne Informationsverluste die Schnittstellen passieren muss, die zwischen den behandelnden Ärzten, dem Pflegepersonal des Heims und der Apotheke bestehen. Auf den Apotheker kommt dabei nicht nur mehr Arbeit zu, sondern die Verantwortung für die Arzneimittelversorgung des Patienten erreicht eine andere Dimension, die hier nur unvollständig aufgezeigt werden kann. So verlagert sich die zeitnahe Beschaffung der erforderlichen Rezepte vom Heim in die Apotheke. Neben der wie bisher notwendigen Abrechnung mit den Krankenkassen liegt im Rezept nun die unabdingbare Vorraussetzung für die Weiterführung der Arzneimitteltherapie. Ohne die Investition in eine EDV gestützte Reichweitenanalyse mit entsprechender Dokumentation ist dieses für die Apotheke kaum möglich. Damit das Rezept aber stets rechtzeitig die Apotheke erreicht, muss man das Vorliegen der Versicherungskarte des Patienten bei Quartalswechsel ebenso berücksichtigen wie die Beachtung von Feiertagen, Praxisferien und diensthabenden Vertretungsärzten. Die Krankenhauseinweisung eines Patienten verschiebt nicht nur die Reichweite der Arzneimittel, sondern die spätere Entlassung erfordert oft zusätzlich verordnete Präparate. Diese Informationen wie auch ein plötzlicher Therapiewechsel erreichen nun oftmals zuerst die Apotheke und es obliegt jetzt ihr, diese sofort an das Pflegepersonal im Heim weiterzugeben. Abgesetzte Arzneimittel müssen aus den bereits gefertigten Blistern entfernt werden, bzw. Blister entsprechend neu erstellt und ins Heim gebracht werden. Bei einer maschinellen Verblisterung lassen sich halbe Tabletten nur aufwendig verarbeiten, und um möglichst wenige Präparate neben den verblisterten Arzneimitteln abgeben zu müssen, sind weitere Rücksprachen mit den behandelnden Ärzten nötig.
Keine Beschränkung auf vier Einnahmezeiten
Die von der Apotheke erstellten Blister sollten nicht wie bei assist Pharma auf vier Einnahmezeiten pro Tag beschränkt sein, denn der Verzicht auf weitere Differenzierungen bei der Verabreichung, wie vor oder nach den Mahlzeiten, bedeutet allein schon einen erheblichen Schwachpunkt für den Therapieerfolg.
Beitrag zur Arzneimittelsicherheit und zur Rationalisierung
Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass die Verblisterung für den BVKA ein Beitrag zur Arzneimittelsicherheit und zur Rationalisierung der Arzneimittelversorgung in Heimen bedeutet. Der Ansatz liegt primär nicht in einem Beitrag zur Kostendämpfung von Arzneimittelausgaben im Rahmen der Heimversorgung. Auf Wunsch der Politik haben Kolleginnen und Kollegen innerhalb des BVKA das mögliche Einsparpotential bei Fertigarzneimitteln im Rahmen der Heimversorgung untersucht und kamen zu einem über–raschenden Ergebnis: Es gelangten wertmäßig weniger als 2% der für die Heimbewohner verordneten Arzneimittel nicht zur Anwendung. In fast allen Fällen lag die Ursache in einem plötzlichen Therapiewechsel, dagegen war das Überschreiten des Verfalldatums nur ganz selten zu beobachten.
Hohe Compliance von Patienten in Heimen
Ein solches Maß an Wirtschaftlichkeit dokumentiert eine hohe Compliance der Patienten im Heim. Grund hierfür ist die übersichtliche Lagerung und Beschriftung der Packungen, getrennt für den jeweiligen Bewohner, besonders seitdem Pflegepersonal und Apotheke per Versorgungsvertrag eng zusammenarbeiten und daher die Verantwortlichkeiten klar definiert sind. Dieses wäre durch den Vorgang des Verblisterns für sich betrachtet nicht mehr steigerungsfähig.
Teure Zweitverwendung
Eine Zweitverwendung der bei einem Therapiewechsel sofort an die Apotheke zurückgeführten Präparate ließe sich auch ohne eine Verblisterung durchführen, wenn auch zugegebenermaßen vielleicht weniger elegant, weil diese als "second hand Ware" sofort erkennbar wäre. In jedem Fall – und beim Verblistern erst recht – stellt sich die Frage, ob die mit der Zweitverwendung verbundene aufwendige Dienstleistung der Rück- und Wiederzuführung, den Gewinn für die Krankenkassen nicht wieder völlig aufzehrt.
Der BVKA bleibt bei seiner Position, diejenigen Apotheker zu unterstützen und zu verteidigen, die in Absprache mit Heimen Arzneimittel verblistern oder verblistern wollen. Es muss jedoch weiterhin der individuellen Entscheidung von Heimträgern und Apothekern überlassen bleiben, ob sie das Verblistern auf der Grundlage eines konkreten Versorgungsvertrags praktizieren bzw. praktizieren wollen.
Freiheit der Entscheidung und des Wettbewerbs muss gewahrt bleiben
Mit Erstaunen haben wir die Aussage aus dem geschäftsführenden Vorstand der ABDA zur Kenntnis genommen, wonach der eine oder andere Anstrengungen unternehmen will, Heimträger von der Absicht und erst recht von der Praxis des Verblisterns abzubringen. Hier sollten die Freiheit der Entscheidung der Beteiligten und auch die Freiheit des Wettbewerbs der Heime und der Apotheken untereinander gewahrt bleiben.
Gleiches gilt für den Einsatz von Automaten zum Verblistern. Es ist offenkundig, dass diese Automaten sich erst ab einer bestimmten Größenordnung der Heimversorgung rechnen.
Jeder Apotheker muss in eigener ökonomischer und pharmazeutischer Verantwortung entscheiden, ob er solche Automaten einsetzt. Er haftet dafür, dass die Automaten die Portionierung entsprechend der ärztlichen Verord–nung produzieren.
Automaten zur Verblisterung: BVKA befürwortet gemeinsame Nutzung
Der BVKA hätte auch keine Einwände dagegen, wenn mehrere Apotheken sich aus ökonomischen Gründen zur gemeinsamen Benutzung eines Automaten zur Verblisterung zusammen schließen oder Regelungen analog §11 Abs. 3 Apothekengesetz (Herstellung von Zytostatika) getroffen würden.
Wirtschaftliche Situation der einzelnen Apotheken entwickelt sich auseinander
Im Zeitalter der Nieder–lassungsfreiheit können das Apothekenrecht, das Wettbewerbsrecht und auch die Aktivitäten von Apothekerverbänden ausschließlich darauf gerichtet sein, für den immer stärker werdenden Wettbewerb der Apotheken untereinander die rechtliche Basis und die Chancengleichheit für jede Apotheke zu gewährleisten. Es ist nicht Aufgabe des Apothekenrechts oder der Verbandspolitik, Wettbewerb zu dämpfen oder dafür sorgen zu wollen, dass die Position aller Apotheken im Ergebnis möglichst gleich ist.
Verbände sind zwar immer in der Gefahr, sich so zu verhalten, und manche Apotheker hegen auch die Erwartung, dass Kammern und Verbände nicht nur die Kleinen fördern, sondern auch die Großen deckeln. Man muss jedoch nüchtern und ohne jeglichen Neidkomplex zur Kenntnis nehmen, dass die wirtschaftliche Situation der einzelnen Apotheken sich zunehmend auseinander entwickelt.
Gleichheit der Apotheken ist ökonomisch betrachtet eine Chancengleichheit
Es ist nicht Aufgabe oder Recht von Berufsorganisationen, auch stehen ihnen nicht die Möglichkeiten zur Verfügung, hier regulierend oder sogar verbietend einzugreifen. Noch deutlicher formuliert: Die Gleichheit aller Apotheken ist die Gleichheit vor dem Recht und ökonomisch betrachtet eine Chancengleichheit. Was sich auf dieser Basis sodann wirtschaftlich individuell entwickelt, ist das Risiko und die Chance eines jeden einzelnen Apothekeninhabers.
Der BVKA hat seit seinem Bestehen diese Position genauso konsequent in der Krankenhausversorgung vertreten, dieses gilt insbesondere für den Wettbewerb zwischen krankenhausversorgenden Apotheken untereinander als auch für den Wettbewerb mit den Krankenhausapotheken. An dieser Freiheit sollte man festhalten.
Richtig ist aber auch, dass der Vorstand des BVKA einen Teil seiner Zurückhaltung gegenüber dem Verblistern aufgegeben hat, weil alles darauf hindeutet, dass das patientenindividuelle Verblistern unter der Verantwortung der Versorgungsapotheke mehr und mehr in eine Wettbewerbs–situation zu einem sich anbahnenden industriellen Verblistern von Fertigarzneimitteln gerät. Nach unserer Einschätzung haben diese beiden Varianten mehr oder weniger nur den Namen gemeinsam und unterscheiden sich im Hinblick auf die Beteiligung der einzelnen Apotheken, aber auch im Hinblick auf die gesundheitspolitischen Konsequenzen ganz wesentlich voneinander. Hier gilt es zu unterscheiden und damit eine klare politische Position zu beziehen.
Industrielle Verblisterung: Was sind bisher die Fakten?
Ein Tochterunternehmen des Arzneimittelimporteurs Kohl, die assist Pharma, hat mit dem politischen Rückenwind des saarländischen Ministerpräsidenten Müller und mit Unterstützung des Herrn Prof. Lauterbach in Merzig damit begonnen, Maschinen zu installieren, die in großem Stil so genannte 7 x 4 med-Wochen-Blister herstellen können. Das Ziel ist ehrgeizig: Für das Jahr 2007 sind täglich bis zu 100.000 Wochenblister geplant. Die Überschrift eines kürzlich veröffentlichten Interviews mit Herrn Geller von Kohl-Pharma geht für die Zukunft noch darüber hinaus und lautet: "In zehn Jahren Blister für 10 Millionen Patienten in ganz Europa."
Pilotprojekt mit 500 Patienten
Das Pilotprojekt von assist Pharma umfasst zur Zeit vier Alten- und Pflegeheime mit etwa 500 Bewohnern. Diese Patienten werden seit September 2004 mit 7 x 4 med-Wochen-Blister versorgt. assist Pharma propagiert das Projekt wie folgt: Blister verbessern die Compliance und bedeuten weniger Arzneimüll. Die nicht eingenommenen Arzneimittel führen dagegen zu vermehrten Krankenhauseinweisungen oder zu einer teureren intensivierten ambulanten Therapie. Das klingt verlockend, denn neben den sozialen Aspekten eines verminderten Heim- und Klinikaufenthalts ließen sich auch deren Kosten verringern.
400 Präparate müssen reichen
In diesem Projekt werden zur Zeit nach eigenen Angaben nur 230 feste orale Arzneimittel eingesetzt, angeblich sollen später selbst bei größeren Umfang bis zu 400 Präparate ausreichen. Einem ersten Ergebnis zufolge sollen 8,5% weniger Arzneimittelkosten gegenüber der Versorgung mit Fertigarzneimitteln angefallen sein. Als Grund wurde die Vermeidung verfallener und nicht mehr benötigter Arzneimittel sowie weniger Reste aus Großpackungen angegeben. Zu den Tutoren dieses Projekts zählt inzwischen auch Ulla Schmidt, die das Unternehmen mit einem persönlichen Besuch vor Ort auszeichnete.
Vor kurzem stellte ein Mitarbeiter von Herrn Prof. Lauterbach, Herr Dr. A. Gerber, in Berlin neue Zahlen des jetzt 18 monatelang laufenden Pilotprojektes vor und erweiterte diese um einige Hochrechnungen. So wurden die Einsparungen für Arzneimittel dort nur noch mit 5,3% angegeben, die sich aus 3,6 % der Restmengen nicht verbrauchter Arzneimittel und aus 1,7% der Preisdifferenzen der Verpackungsgrößen (es wurde meistens Packungsgrößen N3 eingesetzt) zusammensetzten.
Gerbers Hochrechnungen zufolge sollen 56% des GKV-Arzneimittelumsatzes mit der angestrebten Zielgruppe, nämlich "Patienten über 60 Jahre" getätigt werden
Einsparpotenzial von 368,5 Millionen Euro?
Eine Einsparung von 5,3% bedeuteten nach seiner Berechnung ein Einsparpotenzial von 368,5 Millionen Euro pro Jahr durch die Neuverblisterung von assist Pharma. Untersuchungen in Schweden und Dänemark hätten laut Dr. Gerber gezeigt, dass die verbesserte Compliance durch die Verblisterung der Arzneimittel zu 5% weniger Krankenhauseinweisungen geführt habe. Auf Deutschland übertragen ließen sich allein für die Indikation Hypertonus und chronische Herzinsuffizienz indirekte Kosten in Höhe von 16,5 Mio. Euro und 31,4 Mio. Euro einsparen. Diese Zahlen bezogen sich auf das Jahr 2003, in dem ca. 450.000 Krankenhauseinweisungen auf Grund dieser beiden Erkrankungen erfolgten. Eine Reduktion der Einweisungen um 5% hätte bei Fallkosten in Höhe von 1.700 bis 2.300 Euro nahezu 50 Mio. Euro weniger Kosten verursacht.
Es ist offensichtlich, man rechnet in den Häusern Kohl und Lauterbach in ganz anderen Zahlendimensionen und denkt weit über die Heimversorgung hinaus. Doch die in Berlin vorgestellten Zahlen sind kritisch zu hinterfragen. Die Beispiele aus Schweden und Dänemark erschienen vielen Teilnehmern der Veranstaltung als wenig schlüssig und die Referenten mussten auf Nachfrage erklären, fehlende Daten zu einem späteren Zeitpunkt nachzuliefern.
Keine Kalkulation der Dienstleistung
Völlig unstrittig ist jedoch, dass bei der Berechnung der Einsparungen im Saarland die durch die Verblisterung zusätzlich erbrachte Dienstleistung überhaupt nicht kalkuliert wurde.
Es kann uns auch nicht überraschen, denn eine Einsparung von 5,3% minus einer aufwändigen Dienstleistung wäre politisch weniger attraktiv zu propagieren. Das mögliche Einsparpotenzial in Höhe von 368,5 Mio. Euro, dessen Berechnung allerdings in den Unterlagen der Berliner Veranstaltung ebenfalls fehlte, könnte zur Vergütung herangezogen werden, es würde die Einsparung aber sicherlich dramatisch vermindern. Von den Verfassern des Gutachtens muss der BVKA an dieser Stelle verlangen, das angesprochene Einsparpotenzial genau zu analysieren, denn gerade die älteren Patienten erhalten eine Vielzahl sehr teurer Arzneimittel wie z. B. Zytostatika, andere Parenteralia und Schmerzpflaster, die sich nicht verblistern lassen und somit für die Berechnung nicht herangezogen werden können.
Kohl: Apotheker als Medikationsmanager
Die Firma Kohl geht ungeachtet der wirtschaftlichen Unsicherheiten in Bezug auf die Vergütung auf die Apotheker zu und verspricht, der Apotheker werde in Zusammenarbeit mit ihr, als so genannter Medikationsmanager, aufgewertet. Der Apotheker werde sich weiterhin um die Rezepte sorgen und diese überprüfen, so dass Doppelverordnungen, Wechselwirkungen und Kontraindikationen ausgeschlossen seien. Die Verwaltung der nicht blisterfähigen Arzneiformen verbleibe ebenfalls in der Apotheke, so dass die Kunden damit gebunden blieben. Die Beschaffung der Folgeverordnungen werde organisiert und eine mögliche kurzfristige Medikationsänderung durch Entnahme oder Zufügung am Blister vorgenommen. Für all dieses solle der Apotheker ein Honorar erhalten. In den schweren Zeiten des AVWG sei dies eine willkommene Kompensation von Renditeverlusten. Die Honorierung konnte bisher nicht verhandelt werden, weil ABDA und DAV seit zwei Jahren nicht bereit seien, gemeinsam mit Kohl und den Kostenträgern zu verhandeln.
Die Firma Kohl berichtet weiter, sie erhalte täglich mehrere Anrufe von Apothekern, die zur Zeit Blister mühsam mit der Hand befüllen müssten und den Tag herbeisehnten, an dem ihnen assist Pharma diese Arbeit abnehmen könne. Diese Angaben berufen sich auf Äußerungen und Veröffentlichungen der Kohl-Gruppe und des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln, dessen Direktor Professor Karl Lauterbach bis zum Jahr 2005 war.
Lex Kohl?
Wohl mit Hilfe der Dreieinigkeit Müller-Lauterbach-Ulla Schmidt ist es im vergangenen Jahr handstreichartig gelungen, in letzter Minute in die 14. AMG-Novelle eine Regelung einzufügen, welche das industrielle Verblistern als Vorgang sanktioniert, ohne dass damit gesichert wäre, dass die konkreten Pläne von Kohl arzneimittelrechtlich und apothekenrechtlich uneingeschränkt rechtlich unbedenklich wären. Dr. Weiser von Sanofi hatte vor einem Jahr in Bad Homburg den damaligen Regierungsentwurf zur 14. AMG-Novelle bereits vorgestellt.
Die ABDA ist von der Novellierung des AMG anscheinend überrascht worden. Wie Vorstands- und Beiratsmitgliedern des BVKA mitgeteilt wurde, will man den Widerstand gegen diese Regelung solange aufschieben, bis das Gutachten zur industriellen Verblisterung unter Federführung von Professor Lauterbach in Gänze vorliegt. Erste Ergebnisse sind nun bereits vorgestellt worden und man darf die Prognose wagen, dass es ein Endergebnis geben wird, welches niemanden mehr so richtig überraschen dürfte.
Der BVKA hätte sich gewünscht, dass die ABDA bereits während der Koalitionsverhandlungen im vergangenen Jahr signalisiert hätte, dass der Gesetzgeber seine Entscheidung pro Kohl und pro industrielles Neuverblistern nicht allein von den Aktivitäten und Interessen eines Professors Lauterbach abhängig machen sollte, der zudem inzwischen auch dem Parlament als Abgeordneter der SPD angehört.
DAV lehnt industrielle Verblisterung ab
Immerhin hat die Mitgliederversammlung des DAV am 25. Oktober 2005 beschlossen, eine industrielle Verblisterung von Arzneimitteln schlechterdings abzulehnen. Der BVKA kann den DAV in dieser Bekundung nur unterstützen und nimmt in der Frage der industriellen Verblisterung eine ebenfalls eindeutig ablehnende Position ein.
Großer Feldversuch zur Ablösung des Fertigarzneimittels
Vertreter des Hauses Kohl haben inzwischen ausdrücklich erklärt, dass ihr Vorhaben sich keineswegs auf die Bewohner von Alten und Pflegeheimen und auf chronisch Kranke beschränken soll. Man möchte künftig möglichst viele Kunden der Apotheke erreichen, weil damit ein positiver Beitrag für die Arzneimittelsicherheit und für die Kostendämpfung im Gesundheitswesen erbracht werde. Mit anderen Worten: Hier wird mit Hilfe der Politik der groß angelegte Versuch gestartet, das herkömmliche Fertigarzneimittel tendenziell und lang–fristig durch die Abgabe patientenindividuell verblisterter Arzneimittel zu ersetzen. Die Motive der Politik liegen nach unserer Einschätzung nur vordergründig in der Verbesserung der aktuellen Arzneimittelsicherheit, sondern sie sind vielmehr in der möglichen Chance einer Kostendämpfung im Arzneimittelbereich zu suchen.
Gefahr: Gesetzliche Verpflichtung zur Auseinzelung
Wenn Kohl sich mit Hilfe der Politik durchsetzt, dann wird aus der Freiwilligkeit, die jetzt noch bei der Verblisterung z.B. in der Heimversorgung besteht, eine gesetzliche Verpflichtung eines jeden Apothekers, bei der Abgabe von Arzneimitteln zumindest im Rahmen einer Dauermedikation aus Fertigarzneimitteln auszueinzeln. Ob diese Auseinzelung dann in einer förmlichen Verblisterung mündet, mag dahingestellt bleiben.
Konzept Kohl: Apotheker wird zum Handlanger
Das Konzept von Kohl wertet zudem den Apotheker nicht auf, denn alles, was Kohl ihm aufgabengemäß zuordnet, sollte bereits Aufgabe und Praxis des Apothekers sein. Das System Kohl macht den Apotheker nur zum Handlanger des Hauses Kohl, indem die direkte Abgabe des Arzneimittels, sei es verblistert oder ausgeeinzelt, nicht mehr von ihm erbracht werden soll, bzw. künftig womöglich gar nicht mehr erbracht werden kann und darf. Man kann sich nur über die Instinktlosigkeit und Bequemlichkeit von Kollegen wundern, die dieses Konzept auch noch begrüßen und praktizieren wollen, weil es ihnen Arbeit abnimmt und Bequemlichkeit sichert.
Gegenüber dem Patienten wird nicht offenbar werden, dass hier keine Leistung des Apothekers, sondern die eines industriellen Dritten vorliegt. Die Politik wird diese Struktur von Leistung und Nichtleistung bzw. die Verlagerung von Leistung von Apotheken auf Dritte sehr wohl erkennen und langfristig daraus auch Konsequenzen ziehen.
Verblistern und Auseinzeln muss durch Apotheker erfolgen!
Wenn es denn künftig unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit, der Verbesserung der Compliance und einer hieraus resultierenden Kostendämpfung im Gesundheitswesen förderlich sein sollte, über die Freiwilligkeit der Heimversorgung hinaus das Auseinzeln und Verblistern zu einer gesetzlichen Vorgabe für alle Apotheken zu machen, dann darf und muss diese Leistung von Apothekern erbracht werden. Ein Zusammenschluss von Apothekern in räumlicher Nähe zum Zwecke der Verblisterung wäre auch noch gegenüber industriellen Anbietern vorzuziehen, nicht nur, um damit der Öffentlichkeit zu dokumentieren, was Apotheker alles leisten können oder wollen, sondern um flexibel und schnell Therapieziele umsetzen zu können.
Die salbungsvollen Worte von Kohl über die Aufwertung der Funktion des Apothekers wird in deutlichem Widerspruch stehen zur tatsächlichen Position des Apothekers in einem System Kohl. Die Frage, wie assist Pharma sich denn verhalten werde, wenn auf der Grundlage ärztlicher Verordnungen die zu verblisternden Arzneimittel nicht mehr zur Erstellung der 7x4 med-Wochen-Blister ausreichten, beantwortete ein Mitarbeiter der Kohl-Gruppe eindeutig und unmissverständlich: Man werde sich in diesem Fall mit dem verord–nenden Arzt in Verbindung setzen. Diese Antwort beleuchtet schlagartig die Position, die Kohl sich selbst zumessen will, und demaskiert die scheinbare Aufwertung des Apothekers in eine zugedachte Hilfsarbeiterfunktion. Nicht der Apotheker wird letztlich gegenüber dem Arzt tätig, sondern Kohl direkt.
Beschränkung der Verordnungsbefugnis
Kohl hat wiederholt erklärt, man könne nur ca. 400 Arzneimittel unter den verblisterungsfähigen Präparaten verblistern und habe daher im Modellversuch Absprachen mit den zuständigen verordnenden Ärzten getroffen. Bis auf einen oder zwei hätten sich alle mit einer Beschränkung ihrer Verordnungsbefugnis auf den von assist Pharma vorgegebenen Katalog verordnungsfähiger Arzneimittel einverstanden erklärt.
Unzulässige Absprachen im Sinne von §§10 und 11 ApoG
Man kann sich an dieser Stelle nicht mit der Mentalität und dem Selbstverständnis dieser Ärzte auseinandersetzen, sondern sagen: Wenn Kohl-Pharma hier so tätig wird, letztendlich im Auftrag der Apotheker, für die Kohl ja verblistern will, dann handelt es sich um unzulässige Absprachen im Sinn von §§ 10 und11 ApoG. Die beteiligten Apotheker könnten u. U. ebenfalls zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, die Aufsichtsbehörden erhalten die Weisung, hier untätig zu bleiben. Wer könnte unter solchen Voraussetzungen dann überhaupt noch Absprachen zwischen Apotheker und Arzt über zu verordnende Arzneimittel verbieten, auch wenn diese ausschließlich zur Rationalisierung des Warenlagers und unter völliger Missachtung des Patienten getroffen werden?
Wenn die Politik tatsächlich will, dass in patientenindividuellen Situationen zur Dämpfung der Arzneimittelausgaben verblistert werden soll, dann muss alles unternommen werden, dass die Apotheker dies allein und gegebenenfalls gemeinsam tun. Gemeinsam heißt: Jeder, soweit das möglich ist, in seiner Apotheke oder gemeinsam in Kooperationen, deren Praktikabilität schnellstens erarbeitet und erprobt werden muss, um sie dann der Politik als Alternative anzubieten. Der BVKA ist zur Mitarbeit bereit.
Am 3. Mai 2006 fand in Berlin eine Konferenz zur "Patientenindividuellen Verblisterung" statt , auf der u. a. der SPD-Abgeordnete Professor Dr. Karl Lauterbach angekündigt worden war, der sich allerdings in der Veranstaltung durch einen Mitarbeiter des Kölner Instituts für Gesundheitsökonomie vertreten ließ. Aus dem Bundes–gesundheitsministerium äußerte sich Herr Ministerialrat Hans-Peter Hofmann zu diesem Thema, ein Vertreter der Apotheker war als Referent leider nicht eingeladen worden.
Im Rahmen der Wirtschaftstagung des DAV hat ferner am darauf folgenden Wochenende der Vorsitzende des Sachver–ständigenrats für das Gesundheitswesen, Professor Eberhard Wille, Mannheim, sich zu der Frage geäußert, ob die Verblisterung von Arzneimitteln geeignet sei, das Fertigarznei–mittel zu verdrängen (s. DAZ 2006, Nr. 19, S. 41).
Klaus Grimm, 2. Vorsitzender des BVKA im Rahmen der BVKA-Jahrestagung am 9. Mai in Bad Homburg
Klaus Grimm, 2. Vorsitzender des BVKA im Rahmen der Jahrestagung des BVKA am 9. Mai in Bad Homburg
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