Arzneimittel und Therapie

Osteoporose: Langkettiges Parathormon-Analogon zugelassen

Die europäische Zulassungsbehörde EMEA hat am 24. April 2006 unter dem Handelsnamen Preotact® ein naturidentisches, langkettiges rekombinantes humanes Parathormon (PTH 1-84) für postmenopausale Osteoporose-Patientinnen mit hohem Frakturrisiko zugelassen, wie die Nycomed Pharma GmbH mitteilte. Die Einführung in Deutschland ist für die zweite Jahreshälfte geplant. Preotact® wird von den Patientinnen selbst als einfach anzuwendende tägliche subkutane Injektion mit einem Pen verabreicht.

In Deutschland leiden derzeit mehr als 7,8 Millionen Menschen im Alter von mehr als 50 Jahren an einer Osteoporose, was rund einem Viertel der Bevölkerung in dieser Altersgruppe entspricht. Der Verlust der Knochenmasse verläuft progredient und bis zum Auftreten der ersten Fraktur meist unbemerkt.

Mit einer effektiven Osteoporose-Therapie soll der Knochenmasseverlust aufgehalten und die Knochendichte und -stärke erhöht werden, damit letztendlich Frakturen vermieden werden.

Regulation der Calciumhomöostase

Parathormon (PTH) kann bei Osteoporose zur Stimulation der Knochenneubildung eingesetzt werden. Das aus 84 Aminosäuren bestehende Parathormon ist der Hauptregulator des Calcium- und Phosphatstoffwechsels in Knochen, Nieren und Intestinaltrakt. Das Hormon wird im Organismus von den Nebenschilddrüsen gebildet. Unter normalen physiologischen Bedingungen dient es vor allem zur Regulation der Calciumhomöostase im Blut. Die Parathormon-Sekretion wird direkt durch den Serumcalciumspiegel gesteuert. Ein Abfall des Serumcalciums bewirkt einen rasch einsetzenden Anstieg der Konzentration von Parathormon im Blut. In den Nieren wird die Calciumrückresorption aus dem Primärurin gesteigert. Außerdem stimuliert Parathormon die Bildung von Calcitriol (der aktiven Hormonform von Vitamin D) und steigert somit auch die Aufnahme von Calcium aus dem Darm. Um den Calciumspiegel im Blut zusätzlich wieder anzuheben, kommt es im Knochen zu einer erhöhten Knochenresorption und somit gesteigerter Calciumfreisetzung. Alle diese Mechanismen sorgen dafür, dass der Serumcalciumspiegel stets aufrecht erhalten wird.

Auch knochenaufbauende Wirkung

Am Skelett entfaltet Parathormon jedoch nicht nur eine den Knochen abbauende (katabole), sondern auch eine den Knochen aufbauende (anabole) Wirkung. Beide Effekte werden durch osteoblastäre Zellen vermittelt. Parathormon stimuliert auf der einen Seite die Bildung von Interleukin-6 und hemmt die Bildung von Osteoprotegerin, wodurch es zu einer Aktivierung und Vermehrung der Osteoklasten und damit zu gesteigertem Knochenabbau kommt. Bei dauerhaft erhöhten Parathormonspiegeln können auch Osteoklasten den PTH-Rezeptor ausbilden, was zu einer übermäßigen Steigerung der Knochenresorption beiträgt.

Auf der anderen Seite stimuliert Parathormon die Proliferation und Differenzierung von osteoblastären, Knochen aufbauenden Zellen, und es stimuliert in diesen Zellen die Sekretion von osteoanabolen, insulinähnlichen Wachstumsfaktoren (insbesondere IGF-1). Darüber hinaus wird unter dem Einfluss von Parathormon die Apoptose von Osteoblasten verhindert. Durch diese Effekte wird der Knochenstoffwechsel in Richtung Knochenaufbau gelenkt, zusätzlich unterstützt durch die Stimulation der Kollagenbildung.

Kurzkettiges PTH Teriparatid

In Deutschland steht seit November 2003 das biologisch aktive 34 Aminosäuren lange Fragment von Parathormon (PTH (1-34)), Teriparatid, unter dem Handelsnamen Forsteo® zur Behandlung der manifesten postmenopausalen Osteoporose zur Verfügung. Der Einsatz sollte bei schweren und/oder progredienten Formen der Osteoporose erwogen werden, insbesondere, wenn antiresorptive Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen oder kontraindiziert sind.

Teriparatid fördert die Knochenneubildung, indem es nach Bindung an den Parathormon-Rezeptor die Osteoblasten-Aktivität stimuliert und dadurch den Anbau von neuem Knochengewebe auf trabekuläre und kortikale Knochenoberflächen erhöht. Durch Aktivierung der Knochenumbauprozesse werden zwar zugleich die Osteoklasten stimuliert und damit wird auch die Knochenresorption angeregt, dennoch resultiert insgesamt eine Nettozunahme an Knochensubstanz.

Der knochenaufbauende Effekt von Teriparatid wurde in mehreren Studien nachgewiesen. In einer Untersuchung mit mehr als 1600 Frauen nach der Menopause mit Wirbelsäulen-Osteoporose und schon eingetretenen Wirbelkörper-Verformungen wurden zwei Drittel der Teilnehmerinnen 21 Monate lang einmal täglich mit Teriparatid behandelt, die übrigen erhielten ein Placebo. Bei den mit Teriparatid behandelten Frauen stieg die Mineralsalzdichte der Knochen an der Lendenwirbelsäule um neun Prozent, am Oberschenkelhals um drei Prozent. Beeindruckender war allerdings der drastische Rückgang neuer Frakturen. Die Rate an Wirbelkörpereinbrüchen war um 65 Prozent, die Rate neuer Brüche an anderen Stellen um 53 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe. Teriparatid wird in einer Dosis von 20 Mikrogramm täglich subkutan injiziert. Es sollte nicht länger als 18 Monate eingesetzt werden. Die Lösung muss kühl gelagert werden.

Gravierende Nebenwirkungen hat die Therapie nicht. In größerer Menge kann Teriparatid zwar Schwindel und Übelkeit hervorrufen, in der gängigen Dosierung jedoch nicht.

Einsatz zur sequenziellen Therapie

Das neue Preotact® ist ein naturidentisches, langkettiges PTH (1-84), das wie Teriparatid knochenaufbauend wirkt. Die Effekte von Preotact® auf den Knochen sowie die Sicherheit und Verträglichkeit der Substanz wurden in verschiedenen klinischen Studien dokumentiert. So reduzierte in der randomisierten, doppelblinden und multizentrischen Phase-III-Zulassungsstudie TOP (Treatment of Osteoporosis with PTH) die Behandlung mit Preotact® bei postmenopausalen Frauen mit und ohne vorhergegangene Osteoporose-bedingte Frakturen signifikant das Risiko für neue Wirbelkörperbrüche. Auf der Grundlage dieser Daten wurde Preotact® in Europa zugelassen.

Im Gegensatz zu Teriparatid ist Preotact® bereits zur First-line-Therapie, also zu Beginn einer Osteoporosebehandlung zugelassen. Ergebnisse einer Zwei-Jahres-Studie zeigten, dass das sequenzielle Therapieschema mit initialer einjähriger Gabe von Preotact®, gefolgt von Alendronat über ein Jahr, die Wirksamkeit des Bisphosphonats verstärkt. Entsprechende Studien zu Teriparatid liegen nicht vor.

Preotact® ist für den Einsatz von 24 Monaten indiziert, also etwas länger als Teriparatid.

In beiden klinischen Studien war die Verträglichkeit gut. Zu den häufigen unerwünschten Ereignissen mit höherer Inzidenz in der Parathormon-Gruppe als unter Placebo gehörten Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel.

Preotact® steht als gebrauchsfertige Lösung zur Verfügung und wird von der Patientin selbst in einer Dosierung von einmal täglich 100 Mikrogramm subkutan verabreicht. Die Injektion erfolgt mit einem speziell für Preotact® im Hinblick auf ältere Patienten entwickelten Pen. Aufgrund seiner vergleichbar hohen Thermostabilität muss Preotact® nicht ständig gekühlt aufbewahrt werden, was die Anwendung beispielsweise auf Reisen erleichtert.

hel

Physiologische Wirkungen des Parathormons PTH

  • Stimulation der Knochenneubildung durch direkte Effekte auf die Osteoblasten
  • Wiederherstellung der Knochenqualität und -quantität durch Zunahme der Knochendichte
  • Verbesserung der ossären Mikroarchitektur
  • Aufbau von stärkerem, frakturresistenteren Knochen

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.