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Arzneimittel und Therapie
Myelotoxische Chemotherapie: Wachstumsfaktor schützt vor febrilen Neutropenien
Jahr für Jahr erkranken in Deutschland etwa 400.000 Menschen an Krebs. Die meisten benötigen eine Chemotherapie. Etwa die Hälfte der Regimes enthält myelotoxische Zytostatika, beispielsweise Cyclophosphamid, die eine Neutropenie induzieren können. Sie ist charakterisiert durch eine im Vergleich zum Normalwert verminderte Zahl neutrophiler Granulozyten, die wesentlich an der Immunabwehr beteiligt sind. Entsprechend steigt bei einer Neutropenie, je nach Ausmaß der Granulozytendepression, das Risiko für zum Teil lebensbedrohliche Infektionen. Febrile (fieberhafte) Neutropenien verlaufen bei bis zu 18% der Patienten tödlich. Um das Risiko für Nebenwirkungen unter einer myelotoxischen Zytostatikatherapie zu reduzieren, wird nicht selten die Dosis reduziert oder der Zyklus verschoben. Etwa 6% der Patienten werden bereits beim ersten Mal nicht mit der vollen Dosis behandelt. Dieser Trend steigt im Lauf der Behandlung. Chemotherapie-induzierte Neutropenien gelten dabei als entscheidender Grund für eine Dosislimitierung. Das ist nicht ohne Risiko. Denn eine unzureichende Zytostatikadosis reduziert zwar das Risiko von Nebenwirkungen, aber auch die Wirksamkeit der Chemotherapie.
Prävention mit rekombinantem G-CSF
Zur Prävention schwergradiger Neutropenien kann deshalb bei kritischen Zytostatikakombinationen der hämatopoetische Wachstumsfaktor Filgrastim, ein rekombinanter humaner Granulozytenkolonie-stimulierender Faktor (G-CSF), eingesetzt werden. Ähnlich wie bei pegyliertem Interferon-alpha in der Hepatitis-C-Therapie wird durch die Pegylierung von Filgrastim (Neupogen®) zu Pegfilgrastim (Neulasta®) eine längere Wirkdauer erreicht. Pegfilgrastim muss deshalb im Gegensatz zu Filgrastim nur einmal pro Chemotherapiezyklus injiziert werden. In zwei randomisierten Phase-III-Studien bei Patientinnen mit einem Mammakarzinom unter myelotoxischer Therapie (Adriamycin/Doxetacel) traten unter Filgrastim bei 20% beziehungsweise 18% febrile Neutropenien auf, unter Pegfilgrastim dagegen nur bei 13% beziehungsweise 9%. Die Inzidenz febriler Neutropenien unter myelotoxischer Chemotherapie ohne Prävention mit G-CSF ist in einer früheren Studie mit 38% beschrieben. Das bedeutet: Rekombinantes G-CSF senkt das Risiko febriler Neutropenien. Pegfilgrastim ist dabei Filgrastim überlegen.
Starker Nutzen auch bei schwach myelosuppressiver Chemotherapie
Üblicherweise wird eine begleitende Therapie mit hämatopoetischen Wachstumsfaktoren nur dann durchgeführt, wenn die Chemotherapie stark myelosuppressiv und das Risiko für eine febrile Neutropenie groß ist. Pegfilgrastim nützt aber auch bei Chemotherapien, die mit einem geringeren Neutropenierisiko einhergehen, wie eine doppelblinde Phase-III-Studie zeigt. Brustkrebspatientinnen erhielten zusätzlich zu einer Monotherapie mit Docetaxel entweder Pegfilgrastim (n = 463) oder Placebo (n = 465). Ohne Prävention entwickelten 17% der Patientinnen eine febrile Neutropenie (FN), unter Pegfilgrastim dagegen nur ein Prozent. Entsprechend seltener waren FN-bedingte Krankenhausaufenthalte (14% versus 1%) und die Notwendigkeit einer antibiotischen i.v.-Therapie (10% versus 2%).
Pegfilgrastim plus Ciprofloxacin bei neoadjuvanter Chemotherapie
Um febrile Neutropenien und Infektionen bei neoadjuvanter Chemotherapie zu verhindern, bietet sich die Kombination aus Pegfilgrastim und Ciprofloxacin an. Das zeigte die GEPARTRIO-Studie, die bei Mammakarzinompatientinnen unter Chemotherapie (Docetaxel + Doxorubicin + Cyclophosphamid über sechs bis acht Zyklen) drei Regimes miteinander verglich: Filgrastim jeweils vom dritten bis zum zwölften Tag (n = 390), Pegfilgrastim jeweils am zweiten Tag (n = 323) sowie die Kombination aus Pegfilgrastim plus Ciprofloxacin (2 x täglich 500 mg zwischen dem fünften und 14. Tag) (n = 236). Die Kombinationstherapie erwies sich am effektivsten, die Monotherapie mit Pegfilgrastim Filgrastim überlegen.
Metaanalyse bestätigt hohe Effektivität
Auch eine Metaanalyse, die 14 randomisierte, placebokontrollierte Studien mit über 3000 Patienten mit Lymphomen und soliden Tumoren berücksichtigte, kam zu dem Schluss, dass G-CSF wirksam sind und lang wirksames Pegfilgrastim kurz wirksamem Filgrastim überlegen ist. So ergab sich für die G-CSF-Therapie insgesamt eine Reduktion des relativen Risikos für febrile Neutropenien um 46%, wobei Lenograstim die Gefahr um 22%, Filgrastim um 42% und Pegfilgrastim um 92% reduzierte.
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