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Arzneimittel und Therapie
Neues Krebsmittel: Sorafenib verkleinert solide Tumoren
Das metastasierende Nierenzellkarzinom hat eine sehr schlechte Prognose. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung liegen bei mindestens jedem dritten Patienten bereits Metastasen vor, und er hat durchschnittlich noch neun bis elf Monate zu leben. Jährlich sterben in Deutschland etwa 6500 Menschen an dieser Erkrankung. Heute gelten die Immuntherapien mit Interferon-alpha und Interleukin-2 als Therapien der ersten Wahl.
Einsatz bei verschiedenen Tumoren Jetzt wird Sorafenib zur Behandlung dieser Krebsart eingeführt. Es soll bei Patienten eingesetzt werden, bei denen eine vorherige Therapie mit Interferon-alpha- oder Interleukin-2 versagt hat oder nicht eingesetzt werden kann. Der orale Multi-Kinase-Hemmer ist die erste neue Behandlungsoption für das Nierenzellkarzinom seit über zehn Jahren.
Eine Phase-III-Studie bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom mit Sorafenib als Erstbehandlung wurde im Februar 2006 begonnen. Unter anderem wird Sorafenib auch für die Anwendung bei Haut- und Leberkrebs in weiteren Studien der Phase III untersucht. Bisher wurde Sorafenib an etwa 8000 Patienten mit über 20 Krebsarten geprüft.
In den USA wurde Sorafenib im Dezember 2005 für die Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms zugelassen.
Multi-Kinase-Inhibitor Sorafenib attackiert mehrere Schwachstellen der Krebszellen gleichzeitig: Zum einen unterbricht es einen Signalweg, der die Zelle zu unablässiger Teilung anregt. Zum anderen verhindert Sorafenib die Neubildung von Blutgefäßen, ohne die bösartige Geschwulste nicht mehr wachsen können.
Sorafenib wirkt, indem es Serin/Threonin-Kinasen und Rezeptor-Tyrosin-Kinasen in den Tumorzellen und in den Tumorgefäßen angreift.
Dazu gehören die Raf-Kinase, VEGFR-2, VEGFR-3, PDGFR-β, KIT und FLT-3.
Zweimal täglich 400 mg peroral Sorafenib wird peroral in einer Dosierung von 400 mg zweimal täglich eingenommen, maximale Plasmakonzentrationen werden nach etwa drei Stunden erreicht. Bei Einnahme zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit verringert sich die Absorption um 30%. Sorafenib wird zu 99,5% an humane Plasmaproteine gebunden. Es wird primär in der Leber metabolisiert, und zwar sowohl durch oxidativen Abbau über CYP3A4 wie auch durch Glukuronidierung. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei 25 bis 48 Stunden.
Doppelt so langes Überleben In der Phase-III-Studie TARGETs (treatment approaches in renal cancer global evaluation trial) erhielten 903 Patienten 400 mg Sorafenib oder Placebo zweimal täglich. Die Behandlung mit Sorafenib verdoppelte die Überlebenszeit im Vergleich zu Placebo. Das progressionsfreie Überleben, also die Zeit, in der ein Tumor nicht weiter wächst, lag bei den mit Sorafenib behandelten Patienten im Mittel bei sechs, in der Placebo-Gruppe bei drei Monaten.
In der Sorafenib-Gruppe verkleinerte sich der Tumor bei 74%, in der Placebo-Gruppe bei 20% der Patienten. Unter der Sorafenib-Therapie stabilisierte sich die Erkrankung bei 78% der Patienten, unter der Placebo-Behandlung waren es 55%. 84% der mit Sorafenib behandelten Patienten erreichten ein Ansprechen oder eine Stabilisierung ihrer Erkrankung, in der Placebo-Gruppe dagegen nur 55%.
Unter der Therapie mit Placebo kam es dreimal häufiger zur Progression.
Auch Placebopatienten erhalten jetzt Sorafenib Wegen der guten Datenlage wurde das Studienprotokoll geändert, und auch die Placebo-Patienten erhielten Sorafenib (Cross over). Den aktuellen Daten zufolge lag die mittlere Gesamtüberlebenszeit bei 19,3 Monaten für die mit Sorafenib behandelten Patienten im Vergleich zu 15,9 Monaten in der Placebo-Gruppe. Dieses Ergebnis wurde unter Einschluss derjenigen Patienten erzielt, die zunächst Placebo erhalten hatten und dann in die Sorafenib-Behandlungsgruppe überwechselten. Wurden die von Placebo zu Sorafenib übergewechselten Patienten nicht bei der Auswertung berücksichtigt, betrug die Gesamtüberlebenszeit 19,3 Monate für Sorafenib gegenüber 14,3 Monaten unter Placebo-Behandlung.
Eine abschließende Analyse der Gesamtüberlebenszeit wird vorgenommen, wenn 540 Ereignisse aufgetreten sind.
Hautausschläge und Hand-Fuß-Syndrom Die Sicherheitsbewertung für Nexavar® basiert auf 1286 Krebspatienten, die Sorafenib als Monotherapie in klinischen Studien erhielten. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durchfall, Hautausschlag, Alopezie und das Hand-Fuß-Syndrom (Rötungen und Schmerzen an Händen und Füßen). In der Phase-III-Studie brachen 10% der Sorafenib-Patienten und 8% der Placebo-Patienten die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab.
Sorafenib kann eine Hypertonie verursachen. Bei einer schweren oder andauernden Hyper–tonie oder einer hypertensiven Krise, die trotz eingeleiteter antihypertensiver Therapie nicht abklingt, muss die Unterbrechung oder der Abbruch der Sorafenib-Behandlung in Betracht gezogen werden. Nach der Einnahme von Sorafenib kann sich das Risiko von Blutungen erhöhen.
In einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studie traten während der Behandlung mit Sorafenib mehr kardiale Ischämie-/Herzinfarkt-Ereignisse auf (2,9%) als in der Placebo-Gruppe (0,4%). Bei Patienten, bei denen kardiale Ischämien und/oder Herzinfarkte auftreten, ist eine Unterbrechung oder der Abbruch der Sorafenib-Behandlung in Betracht zu ziehen.
Sorafenib (Nexavar®) kommt jetzt zur Behandlung von Patienten mit Nierenzellkarzinom auf den Markt. Der Multi-Kinasen-Inhibitor greift an verschiedenen Stellen in die molekulare Steuerung von Krebszellen. Die Behandlung mit Sorafenib hat bis jetzt das progressionsfreie Überleben beim Nierenzellkarzinom annähernd verdoppelt.
Normalerweise erhalten Zellen die Befehle für Teilung und Wachstum von außen, indem ein Wachstumsfaktor an der Zelloberfläche andockt. Dann wird das Signal in das Zellinnere übertragen. Das Ras-Protein fungiert als zentrale Schaltstelle, es wird aktiviert und schaltet die Raf-Kinase ein. Dadurch wird eine Kaskade von Enzymen ausgelöst, die sich gegenseitig aktivieren. Schließlich gelangt die Botschaft dann bis in den Zellkern, wo die Zellteilung ausgelöst wird.
Bei vielen Tumorarten ist die Raf-Kinase und damit auch der Signalweg durch einen Defekt dauerhaft aktiv – auch ohne äußeres Wachstumssignal. Dadurch kommt es zur unkontrollierten Zellvermehrung. Bei 50% aller Krebsarten ist das Ras-Gen mutiert, bei 30% wird es überexprimiert. So sind zum Beispiel bei 90% aller Pankreaskarzinome und bei 50% aller Kolorektalkarzinome Mutationen im Ras-Gen zu finden.
Die Wirkung von Sorafenib setzt an dieser zentralen Schaltstelle in der Zelle an: Es blockiert den Ras-Signalweg. Dabei bindet Sorafenib nicht an Ras selbst, sondern an das nächste Enzym in der Reihe, die Raf-Kinase, und verhindert so, dass der Wachstumsbefehl weitergegeben wird. Kann die Raf-Kinase als weiterführendes Signal in Krebszellen gehemmt werden, wird das Wachstumssignal des Ras-Signalwegs und damit die Proliferation der Krebszellen gebremst.
... und der Angiogenese
Sorafenib hemmt außerdem den VEGF-Rezeptor (vascular endothelial growth factor rezeptor), genauer: die VEGF-Rezeptor-Tyrosinkinase in den Blutgefäßzellen. So verhindert Sorafenib die Neubildung von Blutgefäßen am Ort des Tumors, die Angiogenese. Durch diese Gefäße versorgt sich der Tumor mit Blut und Nährstoffen, was bereits ab einer Geschwulstgröße von wenigen Millimetern für sein Überleben notwendig ist. Sorafenib hemmt das intrazelluläre Signal für die Angiogenese und entzieht so dem Tumor die für sein Wachstum nötige Blutversorgung.
Handelsname:
Nexavar®
Hersteller:
Bayer Vital GmbH, Leverkusen
Einführungsdatum:
24. Juli 2006.
Zusammensetzung:
1 Filmtablette enthält 200 mg Sorafenib (als Tosilat). Sonstige Bestandteile: Kern: Croscarmellose-Natrium, mikrokristalline Cellulose, Hypromellose, Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat (Ph. Eur.). Überzug: Hypromellose, Macrogol (3350), Titandioxid (E 171), Eisen(III)-oxid (E 172).
Packungsgrößen, Preise und PZN:
112 Filmtabletten, 4370,42 Euro, PZN 6639677.
Stoffklasse:
Zytostatika; Proteinkinase-Inhibitor. ATC-Code: L01XE05. Indikation: Zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, bei denen eine vorherige Interferon-alpha- oder Interleukin-2-basierte Therapie versagt hat oder die für solch eine –Therapie nicht geeignet sind.
Dosierung:
400 mg (2 Tabletten ą 200 mg) zweimal täglich (entsprechend einer Tagesgesamtdosis von 800 mg). Sorafenib sollte unabhängig von einer Mahlzeit oder zusammen mit einer leicht oder mäßig fettreichen Mahlzeit eingenommen werden. Ist eine Dosisreduktion erforderlich, sollte die Dosis auf 2 Tabletten ą 200 mg einmal täglich reduziert werden.
Gegenanzeigen:
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen:
Lymphopenie; Hypophosphatämie; Blutungen, Hypertonie; Durchfall, Übelkeit, Erbrechen; Hautausschlag, Alopezie, Hand-Fuß-Syndrom, Erythem, Pruritus; Müdigkeit, Schmerzen; erhöhte Amylase- und Lipase-Werte.
Wechselwirkungen:
Die Löslichkeit von Sorafenib nimmt mit steigendem pH-Wert ab, daher ist eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln gegen Magenübersäuerung während der Sorafenib-Behandlung zu vermeiden. Enzyminduktoren können den Metabolismus von Sorafenib über CYP3A4 und UGT1A9 verstärken und dadurch die Sorafenib-Konzentrationen senken. Pharmakokinetische Interaktionen von Sorafenib mit CYP3A4-Inhibitoren sind unwahrscheinlich. Sorafenib hemmt CYP2C9 in vitro und erhöht möglicherweise die Konzentrationen von gleichzeitig angewendeten Substraten von CYP2C9; bei Patienten, die Warfarin oder Phenprocoumon einnehmen, sollten die INR-Werte regelmäßig überprüft werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Sorafenib die Konzentrationen von gleichzeitig angewendeten Substraten von CYP2B6 und CYP2C8 erhöht.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:
Bei mit Sorafenib behandelten Patienten kann es zu einer arteriellen Hypertonie kommen. Nach Einnahme von Sorafenib kann sich das Risiko für Blutungen erhöhen. Bei Patienten, bei denen kardiale Ischämien und/oder Herzinfarkte auftreten, ist eine Unterbrechung oder ein Abbruch der Sorafenib-Behandlung in Betracht zu ziehen. Da Sorafenib hauptsächlich über die Leber ausgeschieden wird, könnte die Exposition bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung erhöht sein. Es wird empfohlen, die Sorafenib-Behandlung vor größeren chirurgischen Eingriffen vorübergehend zu unterbrechen.
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