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Arzneimittel und Therapie
Renaissance eines Naturheilmittels: Honig heilt fast alle Wunden
Glaubt man den Aussagen von Wissenschaftlern, die sich mit der Heilwirkung von Honig befassen, dann ist Honig das älteste Wundheilmittel überhaupt. Schon die alten Ägypter haben die heilungsfördernden Eigenschaften des Honigs genutzt. Und noch im ersten und zweiten Weltkrieg wurden mit Honigumschlägen Wunden versorgt. In der Folgezeit haben moderne Wundtherapeutika wie Antibiotika das bewährte Naturheilmittel verdrängt und fast in Vergessenheit geraten lassen. Doch die therapeutischen Möglichkeiten in der modernen Wundbehandlung sind begrenzt. Heute stellen vor allem in Kliniken schlecht heilende Wunden eine therapeutische Herausforderung dar. Sie sind oft mit Keimen infiziert, denen die gängigen Antibiotika nichts anhaben können. Noch schwieriger wird es, wenn Grunderkrankungen oder notwendige therapeutische Maßnahmen den Wundheilungsprozess zusätzlich beeinträchtigen. Mit dieser Situation haben auch die Mitarbeiter der Krebsstation der Bonner Universitätskinderklinik zu kämpfen. Während bei gesunden Kindern Wunden innerhalb einer Woche heilen, dauert der Prozess bei den mit Zytostatika behandelten kleinen Patienten oft mehrere Wochen. Dringen dann noch antibiotikaresistente Keime in die Wunde ein, wird es gefährlich. Eine tödliche Sepsis kann die Folge sein. Seit einigen Jahren setzen die Ärzte der Bonner Universitätskinderklinik daher bei Problemwunden ein Honigpräparat ein. Es wird von einer australischen Firma hergestellt und unter dem Namen Medihoney ™ vertrieben. Die Erfolge sind selbst bei mit multiresistenten Keimen infizierten Wunden so überzeugend, dass sich die Ärzte entschlossen haben, die positiven Beobachtungen in einer groß angelegten Studie zu überprüfen.
Wir haben mit Dr. Arne Simon, einem der Initiatoren der Studie, gesprochen und ihn nach seinen Erfahrungen befragt.
d:
Wann setzen Sie das Honigpräparat in der Wundbehandlung ein?
Simon:
Das Spektrum der klinischen Anwendung reicht von der entzündeten Eintrittsstelle eines zentralen Venenkatheters bis zu tiefen Dekubiti, beispielsweise nach großen Tumoroperationen. Auch bei Verbrennungen und Verbrühungen bis einschließlich Grad II und bei Herpes labialis haben wir Medi–honey™ erfolgreich eingesetzt.
d:
Wie bewerten Sie das Präparat im Vergleich zu anderen Behandlungsmöglichkeiten, beispielsweise zu kationischen Silberverbindungen oder lokalen Antibiotika?
Simon:
Eine vergleichende Bewertung kann sich bislang nicht auf wissenschaftliche Studien stützen, wobei solche Studien in unserem Fachgebiet Kinderonkologie auch für andere Verfahren der Wundpflege schlicht nicht existieren. Gegenüber Antibiotika hat Medihoney™ den Vorteil der fehlenden Resistenzentwicklung. Einige wenige Isolate sind a priori nicht empfindlich gegenüber Medihoney™, so zum Beispiel Serratia marcescens. In der vergleichenden Studie von Johnson et al. bei Patienten mit Dialysekathetern erwies sich Medihoney™ in der Prophylaxe von Bakteriämien als ebenso wirksam wie Mupirocin, in der Mupirocingruppe wurde bei 2% der Isolate eine Resistenz beobachtet. Außerdem verringert Medihoney™ das Wundödem und erleichtert den Verbandswechsel. Nach Anfeuchtung mit steriler Ringerlösung kann der Verband sehr leicht abgelöst werden, ohne die Wundoberfläche zu verletzen. Der letztgenannte Punkt ist bei Kindern wichtig, weil der Verbandswechsel weniger Schmerzen verursacht und damit weniger Sedierungen zum Verbandswechsel erforderlich werden. Was Silberverbände angeht, ist die Unbedenklichkeit im Kindesalter zumindest für die Präparate, die Silberionen in die Wunde abgeben, nicht gesichert.
d:
Medihoney™ ist ein Produkt, das aus zwei verschiedenen Honigsorten besteht. Wie wird es aufbereitet? Kann prinzipiell jede Honigsorte zur Wundbehandlung verwendet werden?
Simon:
Medihoney™ ist ein Medizinprodukt der Klasse IIB und damit für den bestimmungsgemäßen Bereich der Wundpflege europaweit zertifiziert. Der gesamte Produktionsprozess unterliegt strengen Qualitätskontrollen. Es werden ausschließlich diejenigen Chargen mit geprüfter Wirksamkeit gegen MRSA für die Wundpflege freigegeben. Die Zusammenstellung der beiden Honigsorten beruht neben der Osmolarität auf zwei Wirkprinzipien: die eine Charge enthält hohe Konzentrationen an Glucose-Oxidase, die andere bislang noch nicht vollständig charakterisierte Bestandteile der Jellybush-Pflanzen-(Teebaumgewächse, Leptospermum spp.), die Medihoney™ auch nach Blockade anderer Wirkmechanismen noch eine objektive antibakterielle Aktivität verleihen. Unsere Erfahrungen beziehen sich ausschließlich auf den Einsatz von Medihoney™.
d:
Ihre Berichte beziehen sich vor allem auf die Behandlung von Problemwunden. Kann das Honigpräparat auch bei normalen Wunden oder Verletzungen angewendet werden?
Simon:
Medihoney™ kann auch bei banalen kleineren Verletzungen eingesetzt werden, zum Beispiel in Haushalt und Familie. Darüber hinaus ist Medihoney™ jedoch vor allem eine Alternative in der fachkundigen Behandlung von Problemwunden, die unter konventionellen Behandlungsmethoden nicht ausheilen. Dies gilt insbesondere auch für Wunden, die mit MRSA oder anderen Hospitalkeimen infiziert sind.
Ein für die Patienten ganz wesentlicher Nebenaspekt ist, dass Medihoney™ übel riechende Wunden neutralisiert, wodurch die Patienten das mit solchen Wunden verbundene soziale Stigma verlieren. Generell sollte Medihoney™ bei Problemwunden nur unter ärztlicher Kontrolle angewandt werden.
d:
Welche Probleme können auftreten?
Simon:
Bei 5% der Patienten treten unmittelbar nach Auftragen von MedihoneyTM Schmerzen auf, die durch eine Konditionierung mit EMLA®-Creme (einem Lidocain- und Prilocain-haltigen Präparat) oder durch den Wechsel zur konsistenteren Präparation MedihoneyTM Gel meist vermieden werden können. Lediglich bei einem von 50 Patienten haben wir ein lokal begrenztes allergisches Kontaktekzem beobachtet (sechs–jähriger Junge mit multiplen Allergien). Weder Diabetes mellitus noch eine Bienengiftallergie sind Kontraindikationen für den Einsatz von Medihoney™. du
d:
Herr Dr. Simon, vielen Dank für dieses Gespräch!
- Honig macht Bakterien auf vielfältige Weise zu schaffen. Die hohe Osmolarität entzieht den Bakterien Flüssigkeit und hindert sie so daran, sich zu vermehren. Zudem enthält Honig das Enzym Glucose-Oxidase. Es sorgt dafür, dass aus Zucker ständig in kleinen Mengen Wasserstoffperoxid (H2O2) gebildet wird. H2O2 ist ein wirksames Antiseptikum. Im Honig sind Flavonoide und aromatische Säuren enthalten. Ihnen werden ebenfalls antimikrobielle Eigenschaften zugesprochen.
- Honig wirkt entzündungshemmend. Rötungen, Schwellungen und lokale Schmerzen sollen unter Honigeinfluss schwinden.
- Honig fördert das Wachstum von Fibroblasten und damit die Geweberegeneration. Diese Wirkung lässt sich vor allem bei großflächigen Verbrennungen nutzen.
Medihoney ™ wird als reines medizinisches Honigprodukt und in Form eines Wundgels (Medihoney™ Gel) angeboten. Es besteht aus zwei Honigsorten, einer Sorte mit einer hohen Glucose-Oxidase-Aktivität und einer Leptospermum-Sorte. Medihoney™ hat im August 2005 die europaweite Zulassung als Medizinprodukt erhalten. Es wird voraussichtlich ab November 2006 in deutschen Apotheken erhältlich sein. Vertrieben werden die Produkte über Medihoney (Europe) Ltd., Günzburg.
Neben Medihoney™ gibt es weitere Honigprodukte zur Wundbehandlung. Die Firma Medisorg, Essen, vertreibt das in den Niederlanden von der Firma Triticum hergestellte L-Mesitran®. L-Mesitran® gibt es als Salbe, Softgel und in Form von Wundverbänden.
L-Mesitran®-Salbe und Softgel sind allerdings keine reinen Honigprodukte. Das Gel enthält neben mit Gammastrahlen behandeltem Honig Lanolin, die Salbe darüber hinaus noch Sonnenblumenöl, Lebertran, Ringelblumenextrakt, Aloevera-Saft, Vitamin C, Vitamin E und Zinkoxid. In England vertreibt die Firma Advancis Produkte aus sterilem Manuka-Honig unter dem Namen Activon in Form einer Salbe und eines nicht klebenden Verbandsstoffs (Activon Tulle). Alle Produkte sind CE-zertifiziert.
Cave: Haushaltshonig ist nicht zur Wundbehandlung geeignet, da er mit Sporen von Krankheitserregern verunreinigt sein kann. Besonders gefürchtet sind Sporen von Clostridien.
Internet-Links: www.medihoney.com, www.triticum.org, www.advancis.co.uk
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