Arzneimittel und Therapie

Neues Analgetikum: Ziconotid: Schneckengift gegen den Schmerz

Das neue Analgetikum Ziconotid (Prialt®) ist ein N-Typ-Calciumkanalblocker. Es ist als nicht-opioides Schmerzmittel zur Behandlung von starken, chronischen Schmerzen bei Patienten angezeigt, die eine intrathekale Analgesie benötigen und auf andere stark wirksame Analgetika inklusive intrathekales Morphin nicht ausreichend ansprechen.

Wer nur schneckenschnell kriechen kann und trotzdem flinke Beutetiere fangen möchte, benötigt innovative Methoden: Die fleischfressende Magier-Kegelschnecke Conus magus hat für die Jagd ein Nervengift entwickelt, ein Conotoxin. Damit ausgerüstet, pirscht sie sich aus ihrem Versteck in den Korallenriffen tropischer Meere langsam an ihr Opfer heran, zum Beispiel einen kleinen Fisch. Ist sie nahe genug, schießt sie blitzschnell einen winzigen vergifteten Pfeil aus ihrem Körper ab. Der Effekt gleicht einem elektrischen Schock: Das Beutetier erstarrt innerhalb von Sekunden in einem Muskelkrampf, der es ihm unmöglich macht, der hungrigen Schnecke zu entkommen.

Nervengift bindet an Ionenkanäle Der Wirkstoff, mit dem die Schnecke ihr Opfer lähmt, das Conotoxin, dient als Ausgangsstoff für eine neue Klasse von Arzneimitteln: die N-Typ-Calciumkanalblocker. Conotoxine sind sehr kleine Peptide aus zehn bis 30 Aminosäuren. Dank ihrer geringen Größe gelangen die Giftmoleküle im Körper des Beutetieres schnell an ihren Zielort, die Ionenkanäle in den Zellmem–branen der Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark.

Genau hier wirkt auch das synthetisch abgewandelte Ziconotid, das aus 25 Aminosäuren besteht. Es dockt an die N-Typ-Calciumkanäle an und blockiert dort die Übertragung von Nervensignalen. Bei den Conotoxinen führt das in der Natur zur Lähmung und zum Tod des Beutefisches. Für die therapeutische Anwendung von Ziconotid wird die Blockade von Schmerzreizen im Rückenmark genutzt.

Hemmung von N-Typ-Calciumkanälen Ziconotid besitzt ein Molekulargewicht von rund 2600 Dalton und besteht aus einer Kette von 25 Aminosäuren, die drei Disulfidbrücken enthält. Die Substanz ist hydrophil und frei in Wasser löslich.

Ziconotid soll wesentlich stärker als Morphin wirken. Das nicht-opioide Analgetikum blockiert spannungsabhängige N-Typ-Calciumkanäle. Diese regulieren die Freisetzung von Neurotransmittern bei Nervenzellen, die für die spinale Verarbeitung von Schmerz verantwortlich sind. Durch die Bindung an die neuronalen Calciumkanäle hemmt Ziconotid den Calciumioneneinstrom in die primären nozizeptiven, afferenten Nerven, die in den oberflächlichen Schichten des Hinterhorns des Rückenmarks enden. Dadurch wird die Freisetzung von Neurotransmittern und damit die Signalisierung von Schmerz im Rückenmark gehemmt.

Dosis muss titriert werden Ziconotid wird über einen Epiduralkatheter kontinuierlich rückenmarksnah, also intrathekal, infundiert. Die Wirkstoffzufuhr wird über eine externe oder implantierte Mikroinfusionspumpe reguliert.

Die benötigte Dosis von Ziconotid ist individuell unterschiedlich und muss langsam titriert werden, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Ziconotid sollte zuerst in einer Dosis von 2,4 µg/Tag gegeben und individuell je nach analgetischem Ansprechen des Patienten und unerwünschten Wirkungen titriert werden.

Bei vielen Respondern kommt es innerhalb weniger Stunden nach Gabe einer geeigneten Dosis zu einer annähernd maximalen Analgesie. Die mediane Dosis beim Ansprechen beträgt 6,0 µg/Tag, rund 75% der Responder benötigen bis zu 9,6 µg/Tag. Um schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu verhindern, wird eine maximale Dosis von 21,6 µg/Tag empfohlen. Anzeichen für die Entwicklung einer pharmakologischen Toleranz gegenüber Ziconotid gibt es bisher nicht.

Keine Akkumulation im Plasma Das Peptid Ziconotid scheint nicht in nennenswerter Weise im Liquor verstoffwechselt zu werden. Nach dem Übergang in die systemische Zirkulation unterliegt es vermutlich primär der proteolytischen Spaltung durch verschiedene ubiquitäre Peptidasen und Proteasen, die in den meisten Organen vorhanden sind und wird so zu Peptidfragmenten und einzelnen freien Aminosäuren abgebaut. Aufgrund der sehr langsamen intrathekalen Infusionsgeschwindigkeit und der relativ raschen Plasmaclearance kommt es nach intrathekaler Gabe nur zu sehr geringen zirkulierenden Ziconotid-Konzentrationen im Plasma. Die mittlere Plasma-Eliminationshalbwertzeit beträgt 1,3 Stunden.

Die geringen Ziconotid-Plasmakonzentrationen, der Metabolismus durch ubiquitäre Peptidasen und die relativ geringe Plasmaproteinbindung lassen durch den Stoffwechsel bedingte oder durch Plasmaproteinverdrängung bedingte Interaktionen zwischen Ziconotid und anderen Arzneimitteln unwahrscheinlich erscheinen.

In klinischen Studien gut wirksam Die neue Substanz soll Patienten mit extrem starken Schmerzen helfen, bei denen alle anderen Behandlungsoptionen keinen Erfolg zeigen.

Die Zulassung von Prialt® basiert auf den Ergebnissen von drei klinischen Phase-III-Studien mit mehr als 1200 Patienten. In allen Studien konnte Ziconotid im Vergleich zu Placebo Schmerzen gut reduzieren, unter anderem auch schwere behandlungsresistente chronische Schmerzen als Folge einer Krebserkrankung oder von AIDS. Unter anderem konnte durch den zusätzlichen intrathekalen Einsatz von Ziconotid die benötigte Opioidmenge reduziert werden. Im Vergleich zu Morphin verursacht Ziconotid weniger unerwünschte Wirkungen. In hohen Dosen können aber unter anderem Schwindel, Konzentrationsstörungen und Doppelsehen auftreten.

Zentralnervöse Nebenwirkungen 88% der Patienten litten unter unerwünschten Arzneimittelwirkungen, am häufigsten unter Schwindel, Übelkeit, Nystagmus, Verwirrtheit, Gangunsicherheit, Gedächtnisstörungen, Verschwommensehen, Kopfschmerzen, Asthenie, Erbrechen und Somnolenz. Die meisten unerwünschten Wirkungen waren leicht bis mittelschwer und klangen mit der Zeit ab.

Unerwünschte kognitive und neuropsychiatrische Wirkungen, insbesondere Verwirrung, sind bei mit Ziconotid behandelten Patienten häufig. Eine kognitive Beeinträchtigung tritt typischerweise nach mehrwöchiger Behandlung auf. Die kognitiven Wirkungen von Ziconotid sind normalerweise innerhalb von einer bis vier Wochen nach Absetzen des Arzneimittels reversibel.

Die Immunogenität von intrathekal gegebenem Ziconotid erscheint gering. Bis jetzt kam es in den klinischen Studien nicht zu allergischen Reaktionen.

Ziconotid interagiert nicht mit Opiatrezeptoren. Sollen zu Beginn einer Ziconotid-Therapie Opiate abgesetzt werden, sollte das Opiat ausschleichend entzogen werden. Die zusätzliche Gabe von intrathekalem Ziconotid neben einer stabilen Dosis von intrathekalem Morphin ist möglich, erfordert aber besondere Vorsicht. Die zusätzliche Gabe von intrathekalem Morphin neben stabilen Dosen von intrathekalem Ziconotid wird besser vertragen. Daten zur gleichzeitigen Anwendung von partiellen Opiatrezeptoragonisten (z. B. Buprenorphin) mit Ziconotid liegen nicht vor.

Nicht genug Daten zur Langzeitanwendung Auch wenn Ziconotid in offenen klinischen Langzeitstudien zur Wirksamkeit und Sicherheit untersucht wurde, wurden keine kontrollierten Studien über mehr als drei Wochen durchgeführt. Mögliche lokale toxische Wirkungen auf das Rückenmark nach Langzeitanwendung wurden nicht ausgeschlossen, daher ist bei Langzeitanwendung Vorsicht geboten.

Die intrathekale (i. th.) Anwendung von Arzneimitteln, das heißt eine Applikation in den Flüssigkeitsraum, der sich entlang des Rückenmarks erstreckt, birgt das Risiko von potenziell schwerwiegenden Infektionen wie Meningitis, die lebensbedrohlich sein können. Eine Meningitis aufgrund des Eindringens von Organismen entlang des Katheters oder die versehentliche Kontamination des Infusionssystems ist eine bekannte Komplikation der intrathekalen Gabe von Arzneimitteln, insbesondere mit externen Systemen.

Orphandrug-Status Nach der Marktzulassung in den USA Ende 2004 wurde Ziconotid im Februar 2005 auch in Europa zugelassen. Jetzt wird Ziconotid unter dem Handelsnamen Prialt® zur Behandlung von schweren chronischen Schmerzen bei Patienten eingeführt, die eine intrathekale Analgesie benötigen. Ziconotid eignet sich für Patienten, bei denen auch die rückenmarksnahe Gabe von Morphin nicht ausreichend wirkt oder die unter zu starken Nebenwirkungen der Opiate leiden. In einigen Fällen dürfte der Wirkstoff sogar effektiver als Morphin sein. Der Nachteil: Prialt® ist teuer, schwer zu verabreichen und zu kontrollieren. Daher wird sein Einsatz eher limitiert sein.

In der EU besitzt Ziconotid den so genannten Orphandrug-Status, den Medikamente erhalten, die bei lebensbedrohlichen, meist sehr seltenen Krankheiten oder Zuständen eingesetzt werden. Das bedeutet auch, dass es aufgrund der Seltenheit der Erkrankung nicht möglich war, vollständige Informationen zu diesem Arzneimittel zu erhalten. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA) wird jegliche neuen Informationen, die verfügbar werden, jährlich bewerten. hel

Das neue Analgetikum Ziconotid (Prialt®) ist ein N-Typ-Calciumkanalblocker. Es ist als nicht-opioides Schmerzmittel zur Behandlung von starken, chronischen Schmerzen bei Patienten angezeigt, die eine intrathekale Analgesie benötigen und auf andere stark wirksame Analgetika inklusive intrathekales Morphin nicht ausreichend ansprechen.

Steckbrief: Ziconotid

Handelsname:

Prialt

Hersteller:

Eisai GmbH, Frankfurt/Main

Einführungsdatum:

15. August 2006

Zusammensetzung:

Prialt 100 Mikrogramm/ml Infusionslösung. 1 ml Lösung enthält 100 µg Ziconotid (als Ziconotidacetat). Durchstechflasche zu 1 bzw. 5 ml: Jede Durchstechflasche enthält 100 bzw. 500 µg Ziconotid.

Sonstige Bestandteile:

Methionin, Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke, Salzsäure/Natriumhydroxid (pH-Korrigenzien). Hinweis: kühlkettenpflichtig, Lagertemperatur max. 2 bis 8°C.

Packungsgrößen, Preise und PZN:

1-ml-Durchstechflasche: 505,24 Euro, PZN 4438905. 5-ml-Durchstechflasche, 2369,13 Euro, PZN 4442338.

Stoffklasse:

Analgetika. ATC-Code: N02BG08.

Indikation:

Ziconotid ist zur Behandlung von starken, chronischen Schmerzen bei Patienten angezeigt, die eine intrathekale (i. th.) Analgesie benötigen.

Dosierung:

Anfangsdosis: 2,4 µg/Tag, wird individuell je nach analgetischem Ansprechen des Patienten und unerwünschten Wirkungen titriert bis zu einer Maximaldosis von 21,6 µg/Tag. Der Mindestabstand zwischen Dosiserhöhungen beträgt 24 Stunden; aus Sicherheitsgründen wird ein Abstand von mindestens 48 Stunden empfohlen.

Gegenanzeigen:

Überempfindlichkeit gegen den arzneilich wirksamen Bestandteil oder einen der sonstigen Bestandteile. Ziconotid darf nicht mit einer intrathekalen Chemotherapie kombiniert werden.

Nebenwirkungen:

Sehr häufig: Verwirrung; Schwindel, Nystagmus, Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen, Somnolenz; Verschwommensehen; Übelkeit, Erbrechen; Gangabnormalitäten, Asthenie.

Häufig: verminderter Appetit, Anorexie; Ängstlichkeit, akustische Halluzination, Schlaflosigkeit, Agitation, Desorientiertheit, Halluzination, visuelle Halluzination, Depression, Paranoia, Reizbarkeit, Depression verschlimmert, Nervosität, Affektlabilität, Veränderungen der mentalen Verfassung, Angstzustände und Verwirrung verschlimmert; Dysarthrie, Amnesie, Dysgeusie, Tremor, Gleichgewichtsstörung, Ataxie, Aphasie, Gefühl von Brennen, Sedierung, Parästhesie, Hypoästhesie, Aufmerksamkeitsstörung, Sprachstörungen, Areflexie, Koordinationsstörung, Lageschwindel, kognitive Störungen, Hyperästhesie, Hyporeflexie, Ageusie, vermindertes Bewusstsein, Dysästhesie, Parosmie, mentale Beeinträchtigung; Doppeltsehen, Sehstörungen, Photophobie; Schwindel, Tinnitus; orthostatische Hypotonie, Hypotonie; Dyspnoe; Diarrhoe, Mundtrockenheit, Obstipation, Übelkeit verschlimmert, Oberbauchschmerzen; Pruritus, vermehrtes Schwitzen; Gliederschmerzen, Myalgie, Muskelspasmen, Muskelkrampf, Muskelschwäche, Arthralgie, periphere Schwellung; Harnstauung, Harnverhaltung, Dysurie, Harninkontinenz; Müdigkeit, Fieber, Lethargie, peripheres Ödem, Rigor, Sturz, Brustschmerz, Kältegefühl, Schmerz, ängstliche Nervosität, Schmerz verschlimmert; erhöhte Kreatinphosphokinase im Blut, vermindertes Gewicht.

Wechselwirkungen:

Die geringen Ziconotid-Plasmakonzentrationen, der Metabolismus durch ubiquitäre Peptidasen und die relativ geringe Plasmaproteinbindung lassen stoffwechselbasierte Interaktionen oder durch Plasmaproteinverdrängung bedingte Interaktionen zwischen Ziconotid und anderen Arzneimitteln unwahrscheinlich erscheinen.

Bei der Gabe von Ziconotid an Patienten, die eine systemische Chemotherapie erhalten, ist Vorsicht geboten. Ziconotid interagiert nicht mit Opiatrezeptoren; sollen zu Beginn einer Ziconotid-Therapie Opiate abgesetzt werden, sollte das Opiat ausschleichend entzogen werden; die zusätzliche Gabe von intrathekalem Ziconotid neben einer stabilen Dosis von intrathekalem Morphin ist möglich, die zusätzliche Gabe von intrathekalem Morphin neben stabilen Dosen von intrathekalem Ziconotid wird besser vertragen. Bei der gleichzeitigen Gabe von Ziconotid mit systemischem Baclofen, Clonidin, Bupivacain oder Propofol kam es vermehrt zu Somnolenz.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:

Bei Langzeitanwendung ist Vorsicht geboten. Die intrathekale (i. th.) Anwendung von Arzneimitteln birgt das Risiko von potenziell schwerwiegenden Infektionen wie Meningitis, die lebensbedrohlich sein können.

Bei der Gabe von Ziconotid an Patienten, die eine systemische Chemotherapie erhalten, ist Vorsicht geboten. Bei einer progressiven Erhöhung oder einer klinisch signifikanten Erhöhung in Kombination mit den klinischen Merkmalen einer Myopathie oder Rhabdomyolyse sollte ein Absetzen von Ziconotid in Betracht gezogen werden. Bei Symptomen kognitiver Beeinträchtigung oder unerwünschter neuropsychiatrischer Wirkungen sollte die Ziconotid-Dosis reduziert oder abgesetzt werden.

Bewusstseinsbeeinträchtigungen können selbst begrenzend sein, jedoch sollte bis zu deren Abklingen die Ziconotid-Behandlung ausgesetzt werden. Ziconotid kann Verwirrung, Somnolenz und sonstige unerwünschte neurologische Wirkungen hervorrufen.

1 Kommentar

Prialt

von Tanja am 12.08.2019 um 11:50 Uhr

Ich würde keinem dazu raten, das Prialt zu nehmen. Wusste von der Zeit der Therapie gar nichts mehr.Wie ausgelöscht. Wenige Augenblicke waren noch. da. 2 ca. War angeblich aggressiv, total ungut, obwohl das gar nicht meiner Persönlichkeit entspricht. Denken war total ausgeschaltet. Nach Abbruch der Therapie wusste ich nicht mal wie man eine Buttersemmel macht. Ich war total weg getreten.Was hat man von der Therapie, wenn man nichts mehr mit kriegt.Ich bin angeblich viel gelegen. Man probiert alles aus um schmerzfrei zu sein, aber das ist war pures Gift für mich. Es dauerte über ein 1 Jahr bis ich wieder ich selbst wurde. Nicht mal Auto fahren konnte ich. Manch glaubten( ungut) ich bin so, ich wirkte ganz normal auf ihnen. Man verliert fast seine Freunde. Die nicht erkennen, daß man das nicht ist. Das Prialt wurde zu meinem Alptraum. Beim Absetzen vom Prialt schmerzte der ganze Körper stundenlang. Hatte Alpträume und war total verwirrt. Ich bin nach dem Absetzen nicht im Krankenhaus geblieben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.