Arzneimittel und Therapie

Neue Therapieoption bei Nierenzellkarzinom: Tyrosinkinase-Inhibitor entzieht Wac

Der Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib (Sutent®) wurde Mitte Juli für die Behandlung fortgeschrittener, vorbehandelter Nierenzellkarzinome und gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) zugelassen und jetzt eingeführt. Er blockiert die Tyrosinkinasen verschiedener Wachstumsfaktorrezeptoren, etwa des PDGF- und den VEGF-Rezeptors, verhindert deren Aktivierung und hemmt so Tumorwachstum und -angiogenese. Klinisches Resultat: Das progressionsfreie Überleben der Patienten wird verbessert.

"Wir müssen chemisch zielen lernen", wusste schon Paul Ehrlich, der Vater der Chemotherapie. Und er blickte dabei weit in die Zukunft. Denn erst vor wenigen Jahren wurden die dazu notwendigen Werkzeuge entwickelt, etwa monoklonale Antikörper oder Tyrosinkinase-Inhibitoren. Rezeptor-Tyrosinkinasen sind an der Signaltransduktion von Wachstumsfaktoren in die Zelle wesentlich beteiligt. PDGF(platelet derived growth factor)- und VEGF(vascular endothelial growth factor)-Rezeptoren oder auch der Stammzellfaktor-Rezeptor c-KIT vermitteln über Tyrosinkinasen ihre entscheidenden Impulse für Tumorwachstum und -angiogenese. Bereits etabliert sind Tyrosinkin–ase-Inhibitoren wie Erlotinib, die genau eine Tyrosinkinase, nämlich die des EGF(epidermal growth factor)-Rezeptors blockieren.

Selektive Blockade multipler Tyrosinkinasen Mit Sunitinib wurde nun ein oral verfügbarer Multi-Kinase-Inhibitor entwickelt. Er hemmt gezielt verschiedene Tyrosinkin–asen und unterbindet so tumorfördernde Effekte, die über den PDGF- und VEGF-Rezeptor, sowie über den c-KIT-Rezeptor oder den Flt-3-Rezeptor vermittelt werden. Diese selektive Blockade multipler Zielrezeptoren, und damit gleichzeitig mehrerer Tumorwachstumsmechanismen, wird als Multi-Targeting bezeichnet.

Im Juli 2006 wurde der Multi-Kinase-Inhibitor für Patienten mit fortgeschrittenem vorbehandelten Nierenkrebs und fortgeschrittenen vorbehandelten GIST zugelassen.

Zulassung unter besonderen Bedingungen Die Therapie des Nierenzellkarzinoms ist ein therapeutisches Dilemma. Kommt der operative Eingriff zu spät oder entwickeln sich nach zunächst erfolgreicher Therapie Lokalrezidive oder Fernmetastasen, stand bislang vor allem Interferon-alpha zur Verfügung, das die Progression im Mittel um 2,4 Monate aufhalten konnten. Hohe PDGF- und VEGF-Konzentrationen beim kleinzelligen Nierenzellkarzinom, dem häufigsten Nierenkrebs, prädestinieren den Tumor allerdings für eine Therapie mit Sunitinib. Die Zulassung für die Therapie des Nierenzellkarzinoms erfolgte unter besonderen Bedingungen, nämlich bereits auf Basis von Daten aus Phase-II-Studien. Denn die Ergebnisse ließen es nicht zu, das Medikament Patienten mit fortgeschrittenem Nierenkrebs weiter vorzuenthalten. In den beiden Studien wurden 63 bzw. 106 Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenkrebs behandelt, bei denen die Vortherapie versagt hatte. Bei 38 bzw. 36,5% der Patienten wurde eine Verkleinerung des Tumors mit einer Abnahme der Tumormasse um mindestens 30% erreicht. Bei 24% kam es zu einem Stillstand des Tumorwachstums über mindestens drei Monate. Insgesamt lag die Zeit bis zur Progression bei 8,7 Monaten, wurde eine Tumorverkleinerung erreicht bei 14,8 Monaten.

GIST: zweite Chance nach Imatinib Gastrointestinale Stromatumore (GIST) gehört trotz ihrer Seltenheit zu den Tumoren, deren Ursache weitgehend geklärt ist: eine oder mehrere genetische Veränderungen des c-KIT-Rezeptors, die sich bei weit mehr als 90% der Patienten finden. Die Mutationen sorgen für eine Daueraktivierung der Tyrosinkinase, die letztlich zur Entwicklung eines Tumors führt. Standardtherapie ist der selektive Tyrosinkin–ase-Inhibitor Imatinib (Glivec®). Doch seine Wirkung ist begrenzt. Im Mittel nach zwei Jahren entwickeln die Patienten eine Resistenz, es kommt zur Progression. Bei einigen Patienten kann Imatinib wegen mangelnder Verträglichkeit nicht eingesetzt werden. In diesen Fällen gibt Sunitinib den GIST-Patienten eine zweite Chance. Bei Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasierten GIST, die auf eine Therapie mit Imatinib nicht mehr ansprachen oder sie nicht vertrugen, wurde die Zeit bis zur Tumorprogression im Vergleich zu Placebo um das Fünf- bis Sechsfache verlängert (28,9 Wochen gegenüber 5,1 Wochen). Unter Placebo war das Mortalitätsrisiko doppelt so hoch, weshalb der Placeboarm frühzeitig abgebrochen wurde.

Gefahrlos: Gelbfärbung der Haut Die Zahl der Therapieabbrüche lag auf Placeboniveau. Bei mindestens 20% der Patienten kam es zu Erschöpfung, gastrointestinalen Beschwerden, Störungen des Geschmackssinns und Appetitlosigkeit. Zudem kann sich unter Sunitinib die Haut gelblich färben, da sich der gelbe Wirkstoff dort einlagert. Es handelt sich dabei nicht um einen Ikterus! Sunitinib wird einmal täglich über vier Wochen eingenommen, gefolgt von einer zweiwöchigen Therapiepause.

Sunitinib bietet sich als Multikinase-Inibitor auch für weitere Tumorarten an. In der klinischen Prüfung befindet sich die Substanz unter anderem bei Dickdarmkrebs, Lungenkrebs, Mammakarzinom und Melanom.

Apothekerin Dr. Beate Fessler

Der Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib (Sutent®) wurde jetzt für die Behandlung fortgeschrittener, vorbehandelter Nierenzellkarzinome und gastrointestinaler Stromatumoren eingeführt. Er blockiert die Tyrosinkinasen verschiedener Wachstumsfaktorrezeptoren und hemmt so Tumorwachstum und -angiogenese.

GIST: eine Rarität

Gastrointestinale Stromatumore (GIST) sind eine Seltenheit. Mit einer Gesamtinzidienz von 10 bis 15/1.000.000 machen sie weniger als 1% aller malignen Tumoren des Gastrointestinaltraktes aus. GIST gehören zu den Sarkomen, die durch die Entartung von Bindegewebszellen entstehen. Mittleres Erkrankungsalter sind 58 Jahre. 75% der Tumoren sind im Magen und im Dünndarm lokalisiert. Metastasen finden sich vorrangig in der Leber, seltener im Peritoneum. Typische Symptome sind Schmerzen, gastrointestinale Blutungen und gastrointestinale Obstruktionen. Bei 20% ist die Diagnose ein Zufallsbefund.

Nierenzellkarzinom: im Frühstadium asymptomatisch

Nierenzellkarzinome machen rund 95% aller Nierentumoren aus. Sie gehen von verschiedenen Zelltypen der Niere aus. Zu 80% handelt es sich um ein klarzelliges Karzinom.

Bei 25% sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits Metastasen gebildet. Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 13.000 Menschen, Männer doppelt so häufig. Das Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 70 Jahren. Als Risikofaktor wird das Rauchen hervorgehoben, das das Risiko mindestens verdoppelt. Auch Adipositas, Diabetes, Hypertonie und Hypercholesterinämie scheinen ungünstig. Im Frühstadium eines Nierenzellkarzinoms treten kaum Symptome auf. Typisch für den späteren Verlauf sind Blut im Urin, tastbare Raumforderung im Flanken–bereich. Schmerzen, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Fieber, Bluthochdruck.

Wirkungsmechanismus

Sunitinib hemmt verschiedene Rezeptor-Tyrosin-Kinasen, die mit dem Tumorwachstum, der pathologischen Angiogenese und der Entwicklung von Metastasen bei Krebserkrankungen in Verbindung gebracht werden. So ist Sunitinib ein Hemmer

  • des PDGF(platelet-derived growth factor)-Rezeptors α und β,
  • des VEGF(vascular endothelial growth factor)-Rezeptors 1 – 3,
  • des KIT(Stammzellfaktor)-Rezeptors,
  • des FLT(Fms-like tyrosine kinase)3-Rezeptors,
  • des CSF (koloniestimulierenden Faktors) 1-Rezeptors und
  • des RET(rearranged during transfection)-Rezeptors.

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