- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 42/2006
- Briefkästen – ...
Rechtsprechung aktuell
Briefkästen – unerlaubte Rezeptsammelstelle oder erlaubter Versandhandel?
Die Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts erging im einstweiligen Rechtsschutz. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren, in dem unter Umständen der Weg bis zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet ist, steht noch aus.
Der Antragsteller, ein Apotheker in Thüringen, hatte eine Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle. Er betrieb diese Rezeptsammelstelle in Form eines Briefkastens, der an dem Gebäude einer Kreissparkasse ordnungsgemäß beschriftet angebracht war. Die Erlaubnis zum Betrieb der Rezeptsammelstelle nach § 24 ApBetrO lief zum Jahresende 2004 aus. Die Apothekerkammer Thüringen, die für die Genehmigung von Rezeptsammelstellen zuständig ist, erteilte vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2006 einem anderem Apotheker eine Rezeptsammelstellenerlaubnis. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 sollte wieder der Apotheker, der bis Ende des Jahres 2004 die Rezeptsammelerlaubnis hatte, Rezepte sammeln dürfen. Der antragstellende Apotheker behielt jedoch auch nach dem 31. Dezember 2004 seinen Briefkasten an dem Gebäude der Kreissparkasse bei. Er wies durch einen Aufkleber darauf hin, dass seine Apotheke als Versandapotheke zugelassen sei.
Arzneimittel und andere Apothekenprodukte könnten durch Einwurf in den Briefkasten bestellt werden. Eine entsprechende Versandhandelserlaubnis hatte die hierfür zuständige Behörde, das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (TLLV) schon im November 2004 erteilt.
Apothekerkammer: weiterhin Erlaubnispflicht Die Apothekerkammer Thüringen erließ im März 2005 eine Ordnungsverfügung gegen den Apotheker. Sie verbot ihm, in der Form des Briefkastens bis zum 30. Juni 2006 eine Rezeptsammelstelle zu betreiben, drohte ein Zwangsgeld an und ordnete die sofortige Vollziehung an. Sie meinte, der Apotheker verstoße gegen die Bestimmung der Apothekenbetriebsordnung über das Anbringen von Rezeptsammeleinrichtungen. An der Erlaubnispflicht von Rezeptsammelstellen habe sich durch die Einführung des Versandhandels nichts geändert. Eine Verletzung der Regeln der Apothekenbetriebsordnung sei zugleich eine Berufspflichtverletzung. Die Einhaltung von Berufspflichten könne die Landesapothekerkammer durch Ordnungsverfügungen durchsetzen. Der Apotheker legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er stellte zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Weimar. Dort rechtfertigte er sein Verhalten damit, dass der Briefkasten keine Rezeptsammelstelle sei, sondern vielmehr eine Ausgestaltung des ihm genehmigten Versandhandels.
Neuer Vertriebsweg Versandhandel Das VG Weimar hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Es sah einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung, die zugleich einen Verstoß gegen die Berufspflichten des Apothekers darstellten. Eine Versandhandelserlaubnis umfasse nicht die Einrichtung einer Rezeptsammelstelle durch einen Briefkasten. Gegen diesen Beschluss hat der Apotheker Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht eingelegt. In seiner Begründung hat er darauf abgestellt, dass der Gesetzgeber neue Vertriebswege eröffnet habe, die es Kunden freistelle, ob sie sich persönlich zur Apotheke begeben oder Bestellung und Entgegennahme der Arzneimittel an irgendeinem anderen Ort stattfinden lassen. Die Anordnung der Apothekerkammer sei auch deshalb rechtswidrig, da sie nicht zwischen Rezepten über verschreibungspflichtige Arzneimittel und der Bestellung von apothekenpflichtigen oder sonstigen apothekenüblichen Waren differenziere.
Keine konkurrierenden Zuständigkeiten Das Thüringer Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung des beschwerdeführenden Apothekers gefolgt. Es setzt sich zunächst mit der Berechtigung der Apothekerkammer auseinander, in diesem Fall belastende Verwaltungsakte zu erlassen. Nach § 5 Abs. 2 Thüringer Heilberufegesetz hat die Apothekerkammer die Möglichkeit, gegen ihre Mitglieder (Apotheker) Verwaltungsakte zur Durchsetzung von Berufspflichten zu erlassen. Diese Vorschrift werde aber, soweit sie die Durchsetzung unmittelbar geltender gesetzlicher Verpflichtungen der Apotheker betreffe, durch die bundesrechtlich vorrangige und inhaltlich speziellere Norm des § 69 Abs. 1 AMG eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift können die zuständigen Behörden zur Beseitigung und zur Verhinderung künftiger Verstöße notwendige Anordnungen treffen. Über § 69 AMG werden nicht nur Verstöße gegen das Arzneimittelrecht, sondern nach ständiger Rechtsprechung auch Verstöße gegen das Apothekengesetz und die Apothekenbetriebsordnung geahndet Die Apothekerkammer könne sich auch unter dem Gesichtspunkt, dass § 5 Abs. 2 Thüringer Heilberufegesetz der Durchsetzung von Berufspflichten diene, nicht auf diese Norm berufen. Wenn die Verletzung einer Berufspflicht in der Verletzung einer arzneimittelgesetzlichen Verpflichtung besteht, seien die Feststellungen und Bewertungen der Kammeraufsicht identisch mit denen, die die zur Apothekenaufsicht berufene Behörde zu treffen hat. Würde man § 69 Abs. 1 AMG neben § 5 Abs. 2 Thüringer Heilberufegesetz anwenden, käme es zu einer konkurrierenden Zuständigkeit verschiedener Behörden, nämlich hier dem Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (TLLV) und der Landesapothekerkammer. Der Gesetzgeber wolle jedoch keine konkurrierende Zuständigkeit verschiedener Behörden. Vielmehr gehe die bundesgesetzliche Bestimmung der Apothekenaufsicht durch den TLLV der landesrechtlichen Regelung im Thüringer Heilberufegesetz vor. Hieran ändere auch nichts, dass die Landesapothekerkammer die Erlaubnis zum Betrieb einer Rezeptsammelstelle selbst erteilen und Ordnungswidrigkeitsverfahren bei Verstößen gegen diese Bestimmung initiieren könne. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Thüringer Verordnung über die Zuständigkeit nach dem Gesetz über das Apothekenwesen und nach der Apothekenbetriebsordnung habe die Apothekerkammer keine Befugnisse nach § 69 Abs. 1 AMG. Da gewichtige Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung der Landes-apothekerkammer sprächen, überwiege das Interesse des Apothekers an der Aussetzung des Sofortvollzugs das Interesse der Apothekerkammer am sofortigen Vollzug.
Ende der "Monopolisierung der Rezeptannahme"? Zudem sei eine Gefährdung der Sicherheit der Arzneimittelversorgung durch den beanstandeten Briefkasten nicht gegeben. Der Briefkasten werde von dem Apotheker im Rahmen des ihm erlaubten und in besonderer Weise reglementierten Versandhandels betrieben. Der Versandhandel sei hinsichtlich der Übermittlung der Arzneimittel von der Apotheke zum Kunden erheblich strengeren Bedingungen unterworfen als diese für Apotheken gelten, die eine Rezeptsammelstelle unterhalten. Zudem sei die derzeitige Rechtslage zu den Strukturen der Vertriebswege in der Beziehung vom Kunden zum Apotheker nicht frei von Widersprüchen. Auf der einen Seite gebe es den Versandhandel, den der Gesetzgeber zugelassen habe. Arzneimittel könnten auch über das Internet bestellt werden. Es stehe dem Kunden frei, ob er sich auf den Weg zur Apotheke mache oder ob er Bestellungen und Entgegennahme der Arzneimittel an irgend-einem anderen Ort stattfinden lasse. Es sei angesichts dieser Regelung fraglich, ob die "Monopolisierung der Annahme von Rezepten" in den Fällen des § 24 ApBetrO als Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit noch mit Gemeinwohlinteressen sachlich zu rechtfertigen sei. Nach Ansicht des Senats dürfte diese Regelung überholt sein. Der Senat hat deshalb die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Apothekers gegen die Ordnungsverfügung wieder hergestellt. Nach der Begründung wird aber auch ein Hauptsacheverfahren, das eingangs schon angesprochen worden ist, jedenfalls in den ersten beiden In-stanzen kaum Erfolg haben. Weder ist die Landesapothekerkammer Thüringen für den Erlass einer belastenden Ordnungsverfügung zuständig noch dürfte sich nach Auffassung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts die uneingeschränkte Anwendung des geltenden des § 24 ApBetrO nach Zulassung des Versandhandels halten lassen (vgl. hierzu auch Kieser, Apothekenrecht, 2006, S. 81 f.).
Die landesrechtliche Ermächtigungsnorm, wonach die Landesapothekenkammer ihre Mitglieder betreffende Verwaltungsakte, insbesondere auch zur Durchsetzung von deren Berufspflichten, erlassen kann, wird in ihrem Anwendungsbereich, soweit es die Durchsetzung unmit-telbar geltender gesetzlicher Verpflichtungen der Apotheker betrifft, durch die bundesrechtlich vorrangige und inhaltlich speziellere Norm des § 69 Abs. 1 AMG eingeschränkt.
Die derzeitige Rechtslage, nach der einerseits der Verordnungsgeber in den Fällen der Rezeptsammelstellen ein den Wettbewerb zwischen den Apotheken weitgehend ausschließendes System geschaffen, andererseits der Gesetzgeber neuerdings mit dem Versandhandel einen verstärkten Wettbewerb in neuen Formen des Arzneimittelhandels zugelassen hat, ist nicht frei von Widersprüchen. Jedenfalls ist es angesichts dieser gesetzlichen Neuordnung fraglich, inwieweit die mit der Monopolisierung der Annahme von Rezepten in den Fällen des § 24 Apothekenbetriebsordnung einhergehende Einschränkung der Berufsaus-übungsfreiheit anderer Apotheker noch mit Gemeinwohlinteressen sachlich zu rechtfertigen ist.
Die landesrechtliche Ermächtigungsnorm, wonach die Landesapothekenkammer ihre Mitglieder betreffende Verwaltungsakte, insbesondere auch zur Durchsetzung von deren Berufspflichten, erlassen kann, wird in ihrem Anwendungsbereich, soweit es die Durchsetzung unmit-telbar geltender gesetzlicher Verpflichtungen der Apotheker betrifft, durch die bundesrechtlich vorrangige und inhaltlich speziellere Norm des § 69 Abs. 1 AMG eingeschränkt.
Die derzeitige Rechtslage, nach der einerseits der Verordnungsgeber in den Fällen der Rezeptsammelstellen ein den Wettbewerb zwischen den Apotheken weitgehend ausschließendes System geschaffen, andererseits der Gesetzgeber neuerdings mit dem Versandhandel einen verstärkten Wettbewerb in neuen Formen des Arzneimittelhandels zugelassen hat, ist nicht frei von Widersprüchen. Jedenfalls ist es angesichts dieser gesetzlichen Neuordnung fraglich, inwieweit die mit der Monopolisierung der Annahme von Rezepten in den Fällen des § 24 Apothekenbetriebsordnung einhergehende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit anderer Apotheker noch mit Gemeinwohlinteressen sachlich zu rechtfertigen ist.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.