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Schwerpunkt Erkältung
Doris UhlAkute Mittelohrentzündung – reicht Z
Plötzlich einsetzende, heftige Ohrenschmerzen, die aber auch schnell wieder abklingen, sind das Charakteristikum der akuten Mittelohrentzündung. Sie ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter und tritt vor allem im Rahmen einer Erkältung auf. In etwa 60% der Fälle sind Bakterien für die Entzündung verantwortlich, in 40% der Fälle Viren. Im Verlauf der Entzündung des Mittelohrs schwellen die Schleimhaut des Mittelohrs und oft auch der Verbindungsgang zwischen Mittelohr und Rachen stark an, Flüssigkeit und Schleim können nicht mehr abfließen. Sie sammeln sich im Mittelohr und drücken zunehmend auf das Trommelfell. Wird der Druck zu groß, reißt das Trommelfell. Es heilt allerdings in der Regel ohne Folgen wieder zu. Mit bleibenden Schäden muss nicht gerechnet werden, solange die Entzündung auf das Mittelohr beschränkt bleibt.
Problematisch wird es, wenn sich die Entzündung weiter ausbreitet. Dabei ist auf wichtige Symptome und Auffälligkeiten zu achten (s. Kasten), bei deren Auftreten schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden sollte.
Da in vielen Fällen Viren für die Mittelohrentzündung verantwortlich sind, ist eine Antibiotikabehandlung schon aus diesem Grund nicht generell sinnvoll. Aber auch die Antibiotikabehandlung bakterieller Mittelohrentzündungen ist umstritten. Immer wieder wird empfohlen, zwei bis drei Tage abzuwarten und erst dann bei nicht nachlassender Symptomatik antibiotisch zu behandeln.
Bedarfsrezept senkt Antibiotikaverbrauch In einer vor Kurzem veröffentlichten Studie [JAMA. 296, 1235 (2006)] ist der Frage nachgegangen worden, ob durch Abwarten Antibiotika eingespart werden können und die Ausstellung eines Bedarfsrezeptes von Vorteil sein könnte. Eltern von Kindern mit akuter Mittelohrentzündung erhielten entweder ein Rezept mit der Anweisung, die Kinder sofort antibiotisch zu behandeln oder mit der Maßgabe, das Rezept erst einzulösen, wenn sich die Symptome innerhalb der folgenden 48 Stunden nicht bessern oder gar verschlimmern sollten.
62% der Eltern der sogenannten "wait-and-see"-Gruppe und 13% der Vergleichsgruppe verzichteten auf die Rezepteinlösung. Dabei ließen sich hinsichtlich des Auftretens von Ohrenschmerzen, Fieber und außerplanmäßigen Arztbesuchen keine Unterschiede zwischen Bedarfstherapie und sofortiger Therapie ausmachen. Die Ausstellung eines Bedarfsrezeptes scheint danach ein guter Ansatz zur Einsparung von Antibiotika zu sein.
Antibiotika differenziert einsetzen Zu einer etwas differenzierteren Aussage kommt eine Metaanalyse, die vor Kurzem in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlicht wurde [368,1429 (2006)]. Für den Nutzen einer Antibiotikatherapie ist dabei das Alter der Kinder, das Vorliegen einer Infektion eines oder beider Ohren und die Absonderung von eitrigem Ohrenschleim (Ohrenfluss, Otorrhö) ausschlaggebend. Von Kindern unter zwei Jahren mit einer Entzündung beider Ohren müssten statistisch betrachtet 4 Kinder antibiotisch behandelt werden, um einen schweren Verlauf zu verhindern (Number needed to treat =NNT=4). Ist nur ein Ohr betroffen, liegt die NNT schon bei 20. Bei älteren Kindern mit einer Entzündung beider Ohren lag die NNT bei 9.
Unabhängig vom Alter ließ sich ein schwerer Krankheitsverlauf vermeiden, wenn 8 Kinder mit Otorrhö antibiotisch behandelt wurden.
Möglicherweise lassen sich die Ergebnisse darauf zurückführen, dass bei einer Otorrhö oder beidseitiger schwerer Mittelohrentzündung häufig Bakterien die Verursacher sind.
Bessere Belüftung durch Nasentropfen? Allgemeinen Konsens findet die Empfehlung, bei akuter Mittelohrentzündung Schmerzmittel einzusetzen. Weit verbreitet ist auch der Einsatz von abschwellenden Nasentropfen und Antihistaminika. Sie sollen zu einer besseren Belüftung des Innenohrs führen und den Abfluss von Sekretansammlungen erleichtern. Die American Academy of Pediatrics ist schon vor zwei Jahren zu dem Schluss gekommen, dass diese Form der Behandlung keinen erkennbaren Nutzen aufweist. Soeben wurden die Ergebnisse einer neuen Datenauswertung von randomisierten kontrollierten Studien für die Cochrane Collaboration veröffentlicht [doi: 10.1002/14651858.CD003423.pub2]. Auch hier war kein statistisch signifikanter klinischer Nutzen erkennbar, wenn im Rahmen einer Mittelohrentzündung mit persistierendem Paukenhöhlenerguss abschwellende Nasentropfen und Antihistaminika alleine oder in Kombination eingesetzt wurden. Stattdessen verursachten die Medikamente Nebenwirkungen wie gastrointestinale Störungen, Benommenheit, Schläfrigkeit und Schwindel bei nahezu 10% der Patienten. Die Autoren der Übersicht raten daher von einer Behandlung mit Antihistaminika und abschwellenden Nasentropfen auch bei Vorliegen eines Paukenhöhlenergusses ab.
Bei einer akuten Mittelohrentzündung müssen nicht gleich Antibiotika gegeben werden. Oft reicht es, bei entsprechender Verlaufskontrolle zwei bis drei Tage abzuwarten. Dabei muss über mögliche Komplikationen und deren Symptome aufgeklärt werden. In folgenden Fällen ist umgehend ein Arzt zu konsultieren:
Allgemeine Krankheitszeichen
- Keine deutliche Besserung des Gesundheitszustandes nach zwei bis drei Tagen
- Anhaltendes Erbrechen
- Andauerndes sehr hohes Fieber
- Krampfanfall
- Bewusstseinsstörungen
- Auffälligkeiten am Ohr und in Ohrnähe
- Erneute Zunahme der Schmerzen und des Ohrflusses
- Schwellung hinter der Ohrmuschel
- Schmerzen hinter der Ohrmuschel vor allem bei vorsichtigem Beklopfen des Knochens
- Lähmung der Gesichtsmuskeln, die sich durch verzogene "Mimik" bemerkbar macht
Schmerzmittel plus Nasentropfen plus homöopathische Mittel?
Zur Therapie der akuten Mittelohrentzündung bei Kleinkindern wird in der Schulmedizin neben Antibiotika häufig die Gabe von abschwellenden Nasentropfen und Paracetamol empfohlen. In der Praxis sieht es dann oft so aus, dass auch noch homöopathische Mittel verordnet werden. Wir wollten wissen, wie homöopathisch tätige Kinderärzte dieses Vorgehen bewerten.
Dr. Patrick Kreisberger, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin aus Kissing beurteilt vor allem die Gabe abschwellender Nasentropfen als kontraproduktiv, wenn homöopathisch ein Heilungsprozess in Gang gesetzt werden soll. Auf Schmerzmittel greift er nur zurück, wenn mit den homöopathischen Arzneimitteln keine Linderung zu erzielen ist. Denn häufig angezeigte Mittel wie Aconitum, Apis, Belladonna, Chamomilla oder Pulsatilla würden, wenn sie wirken, die Schmerzen sehr gut lindern und eine schulmedizinische Schmerztherapie überflüssig machen. Auch Antibiotika werden unter einer homöopathischen Behandlung nur sehr selten notwendig sein.
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