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DAZ Feuilleton
Pharmaziegeschichte: Alraune und andere Liebes- und Rauschdrogen
Die Alraune (Mandragora officinarum), die zu den Nachtschattengewächsen zählt und die Alkaloide Hyoscyamin und Scopolamin enthält, gedieh angeblich besonders gut unter einem Galgen und konnte ein tödliches Geschrei von sich geben; deshalb empfahl Dioskurides den Rhizotomen, sie von einem Hund aus dem Boden ziehen zu lassen (s. Abb.).
Hexensalben mit Tropanalkaloiden Die Tollkirsche (Atropa bella-donna) ist stark giftig, was sich auch im Gattungsnamen widerspiegelt: Atropa ist die Schicksalsgöttin, die den Lebensfaden abschneidet. Der Artname "schöne Frau" weist hingegen auf ihre pupillenerweiternde Wirkung hin. Die Tollkirsche war Bestandteil der so genannten Hexensalben. Ihre Alkaloide – Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin – lösen in hoher Dosis Gefühle des Fliegens und erotische Phantasien aus. Offizinell wurde die Droge erst im 19. Jahrhundert. Als Spasmolytikum, z. B. bei Magen-Darm-Beschwerden, war sie bis ins 20. Jahrhundert gebräuchlich. Belladonna-haltige Asthmapräparate wurden von Jugendlichen gern zur Erzeugung von Rauschzuständen missbraucht. Heute ist Atropin ein wichtiges Antidot bei Vergiftungen, z. B. mit Phosphorsäureestern.
Eine weitere Solanaceendroge in den Hexensalben war Bilsenkrautsamen (von Hyoscyamus niger). Er wurde im Mittelalter zur "Anreicherung" von alkoholarmem Bier verwendet, was um 1500 verboten wurde. In der Heilkunde wurde Bilsenkraut gegen Husten und Epilepsie empfohlen.
Verschiedene Datura-Arten waren ebenfalls im Gebrauch. Der Stechapfel (Datura stramonium) kam allerdings erst nach der Entdeckung Amerikas in die Alte Welt. Die erste Abbildung findet sich hier am Ende des 16. Jahrhunderts in einem Kräuterbuch. Scopolamin, das Hauptalkaloid der Datura, ist heute in einem TTS-Pflaster zur Vorbeugung der Reisekrankheit enthalten.
Opium – Morphin – Opiumgesetz Eine lange Tradition als Rauschdroge hat Opium, der an der Luft getrocknete Milchsaft aus den unreifen Fruchtkapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum). Die bekannte Darstellung einer Mohngöttin in Kreta wird auf das Jahr 1500 v. Chr. datiert. Seit der Antike war Opium der wesentliche Bestandteil des Theriaks. Besonders gepriesen wurde Opium von Paracelsus, der ihm die Bezeichnung "Laudanum", das Lobenswerte, gab. Wenige Jahre nachdem der Apotheker Sertürner im Opium das Morphin entdeckt und dieses als pflanzliche Base (Alkali) charakterisiert hatte, wurde für eine ganze Naturstoffklasse der Name Alkaloide geprägt.
Der massenhafte Einsatz von Morphin als schmerzstillendem Mittel bei Kriegsverletzungen und die dabei beobachtete Abhängigkeit der Patienten führten schon am Ende des 19. Jahrhunderts zu einer systematischen Suchtforschung. Nach dem 1. Weltkrieg wurde der Erwerb von suchterzeugenden Stoffen auf internationaler Ebene reguliert. Die Restriktionen mündeten 1925 in das Betäubungsmittelgesetz, das nicht von Ungefähr den Namen "Opiumgesetz" trug.
Fragwürdige Alternative: Cocain Eine langjährige Tradition als Rausch- und Heildroge haben die Blätter des südamerikanischen Cocastrauchs (Erythroxylum coca). Durch das Kauen mit Asche werden ihre Inhaltsstoffe verseift, was zwar zu einer Gewöhnung, nicht aber zur Sucht führt. Das Tropanalkaloid Cocain wurde 1860 isoliert und gut zwei Jahrzehnte später erstmals als Lokalanästhetikum angewendet. Zugleich wurde Cocain als Heilmittel bei psychiatrischen Erkrankungen gepriesen, so auch von Sigmund Freud. Viele Coca-Präparate waren freiverkäuflich und wurden entsprechend beworben. Erfolgreich waren z. B. die Coca-Weine des Chemikers Mariani. Auf den amerikanischen Apotheker Pemberton geht das ursprünglich cocahaltige (seit Beginn des 20. Jahrhunderts cocafreie) Erfrischungsgetränk Coca-Cola zurück. Die Cocain-Welle erreichte ihren Höhepunkt in den 1920er Jahren. Besonders in Literatenkreisen war Cocain eine Modedroge. Auch heute wird "Koks" in bestimmten Gesellschaftskreisen konsumiert. Als Lokalanästhetikum wurde Cocain mittlerweile von mehreren Derivaten verdrängt.
Drogen als Zwitterwesen Den janusköpfigen Charakter als Rausch- und als Arzneimittel haben die genannten Drogen bis heute behalten. Einerseits sind sie durch den hedonistischen Gebrauch und die zerstörerische Wirkung in Verruf geraten, andererseits sind ihnen eine Vielzahl hochwirksamer Arzneimittel zu verdanken.
Dr. Gabriele Beisswanger, Minden
Informationen zu Geschichte, rituellem Gebrauch, Inhaltsstoffen, Wirkungen, Rezepten und Bezugsquellen werden um eigene Forschungsergebnisse und persönliche Erfahrungen mit Liebesmitteln erweitert. Im Zentrum stehen die in Mitteleuropa allgemein verfügbaren Aphrodisiaka, doch auch viel Exotisches aus anderen Kulturen ist zu finden.
Rätsch, Christian/Müller-Ebeling, Claudia
Lexikon der Liebesmittel
Pflanzliche, mineralische, tierische und synthetische Aphrodisiaka 784 S., 1700 z.T. farb. Abb.; zahlr. Tab., Geb. 39,90 • Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003 ISBN 3-8047-1963-5 Dieses Buch können Sie einfach und schnell bestellen unter der Postadresse: Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart oder im Internet unter: www.dav-buchhandlung.de oder per Telefon unter: (07 11) 25 82 - 3 41 oder - 3 42
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