- DAZ.online
- DAZ / AZ
- AZ 3/2007
- Alltagssünden: ...
Alltagssünden: Kavaliersdelikte oder was?
• In der Steuererklärung werden für die Arbeitswege zu viele Kilometer eingetragen. – Ganz abgesehen davon, dass die Finanzämter längst über "Routenplaner" verfügen und die angegebene Strecke damit "abfahren" können: Es handelt sich um Steuerhinterziehung, die – streng genommen – eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe zur Folge haben kann. Hier aber bleibt es bei der Geldstrafe in Höhe von 20 bis 30 "Tagessätzen" zwischen einem und 5000 Euro.
• Im Ausland wurde gefälschte Ware gekauft und mit nach Deutschland gebracht. – Es ist Sache der Hersteller, ihre Waren zu schützen. Der Käufer macht sie weder nach, noch verstößt er gegen ein – diesen Tatbestand unter Strafe stellendes – Gesetz, wenn er eine gefälschte Rolex oder Lacoste-Hemden kauft. Das Problem beginnt erst bei der Einfuhr. Der Zoll könnte den Wert der Originalware einem Einfuhrzoll in Höhe des Originalwertes zugrunde legen. Der Zöllner rechnet dann also nicht mit den 200 Euro, die für das Plagiat bezahlt wurden, sondern mit den xtausend Euro, die für das Original fällig geworden wären. Es besteht zudem die Gefahr, dass das gute Stück einkassiert wird – "unbezahlt" ...
• Vom Arbeitsplatz wird ein Kugelschreiber mitgenommen. – Eigentlich handelt es sich um Diebstahl. Aber: Wertvolle Kugelschreiber wird der Arbeitgeber kaum an seine Mitarbeiter verteilen. Die üblichen mit oder ohne Firmenaufdruck sind eh als Streuartikel gedacht und meist "Muster ohne Wert". Sonstiger Diebstahl im Betrieb kann zu einer fristlosen Entlassung führen. Hierzu zwei Urteile:
a) Liegt der Verdacht nahe, dass der Arbeitnehmer eines Großunternehmens (hier mit über 30.000 Mitarbeitern) gestohlen hat (hier ging es um ein schnurloses Telefon im Wert von 25 Euro), so kann er fristlos entlassen werden, da große Firmen "in besonderem Maße auf die betriebliche Disziplin ihrer Arbeitnehmer angewiesen" sind. (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 9 Sa 633/04)
b) Nimmt eine Angestellte eines Warenhauses eine Tasche mit Minifläschchen Alkoholika und zwei angebrochenen Rollen Küchenpapier mit nach Hause, so kann ihr fristlos gekündigt werden. Das gilt auch dann, wenn die Waren bereits abgeschrieben wurden, weil das Verfallsdatum überschritten beziehungsweise die Verpackung beschädigt war. Sie gehörten noch dem Geschäftsinhaber. (Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 36/03)
• In Bus oder Bahn wird "schwarz" gefahren. – Es handelt sich um ein "Erschleichen von Leistungen". Bei der ersten Anzeige wird ein "erhöhtes Beförderungsentgelt" kassiert – und damit hat es sich. Bei Anzeige weiterer Fälle können 20 bis 30 Tagessätze fällig werden, bei Betrug (etwa: gefälschte Wertmarken) auch mehr. Besonders Hartnäckige sitzen dann auch mal ein. Hierzu ein Urteil: Wird eine Frau in kurzen Abständen dreimal dabei erwischt, dass sie ohne Fahrschein in einer Straßenbahn unterwegs ist, so kann sie trotz des geringen Wertes des Schadens (hier hätte jedes Ticket 1,65 Euro gekostet) grundsätzlich nicht davon ausgehen, von einer Freiheitsstrafe verschont zu bleiben. Das Oberlandesgericht Stuttgart klärte die Schwarzfahrerin auf, dass nicht "stets nur eine Geldstrafe zulässig" sei. (Az.: 1 Ss 575/05)
• Beim Obstwiegen im Supermarkt wird ein Apfel in dem Beutel "hochgehalten". – Das ist Betrug – wenn auch schwer nachweisbar, außer der Hausdetektiv hat gerade "hingesehen". Wer auffliegt, kann mit 20 bis 30 Tagessätzen zur Kasse gebeten werden. Entsprechendes gilt, wenn Preisschilder umgeklebt wurden.
• Im Laden wird eine Packung geöffnet – aber nicht gekauft. – Kein Strafdelikt. Es kommt auf den Händler an, ob er zivilrechtlich Schadenersatz fordert.
• Aus der Kneipe wird ein Aschenbecher/ein Bierglas mitgenommen, aus dem Hotel ein Handtuch • – Natürlich Diebstahl, der – nach einer Anzeige – mit 10 bis 30 Tagessätzen belegt werden kann.
• Vom Nachbarn wird die Zeitung geklaut. – Ebenso natürlich Diebstahl. Kommt es zur Anzeige, können bis zu 30 Tagessätze fällig werden (je nach "Intensität", mit der der Dieb dem Nachbarn "Schnippchen geschlagen" hat). Meistens regeln sich solche Fälle aber bereits vor einem Schiedsmann/-gericht.
• Schülerausweis fälschen/"älter machen". – Strafrechtlich eine Urkundenfälschung. Je nach Benutzung droht eine Bestrafung nach Jugendstrafrecht, bei Ersttätern folgen aber in der Regel eine Ermahnung oder ein paar Sozialstunden. Hierzu ein Urteil: Ändert ein 14-jähriger Schüler auf der Zeitkarte des Verkehrsbetriebes das Geburtsdatum, so kann er mit Jugendarrest belegt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob er die Änderung des Datums vorgenommen hat, um mit dem Ausweis ohne Begleitung Erziehungsberechtigter in Diskotheken eingelassen zu werden (was erst ab "16" erlaubt ist). (Bayerisches Oberstes Landesgericht, 5St RR 71702)
• Im Freibad über den Zaun klettern. – Das ist Hausfriedensbruch und "Erschleichen von Leistungen". Bei Ersttätern wird eine Geldstrafe von 10 bis 20 Tagessätzen fällig – wenn nicht sogar Einstellung gegen Auflage (etwa eine Zahlung an das Rote Kreuz o. ä.).
• Gefundenes Geld wird (endgültig) in die eigene Tasche gesteckt. – Es handelt sich um Fundunterschlagung. Je nach Wert wird bei Ersttätern eine Geldstrafe bis zu 50 Tagessätzen fällig. Hierzu zwei Urteile:
a) Wer in einem Kaufhaus Geld findet und es dort abgibt, der hat keinen Anspruch auf Finderlohn, falls sich der Verlierer nicht meldet. Das Geld geht in das Eigentum des Kaufhauses über (Bundesgerichtshof, VIII ZR 379/86)
b) Liefert eine Arbeitnehmerin (hier eine Reinigungskraft am Flughafen) eine Fundsache (hier eine Stange Zigaretten) nicht unmittelbar bei ihrem Arbeitgeber ab, so kann sie wegen Diebstahls ihren Arbeitsplatz verlieren. (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, 4 Ca 5473/00)
• An die GEZ werden Gebühren nicht gezahlt. – Das ist ein Verstoß gegen den Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Eine Nachzahlung der Gebühren und eine Geldbuße bis zu 1000 Euro können fällig werden. Auch für einen Fernsehapparat, der nicht an eine Antenne oder ans Kabelnetz angeschlossen ist, müssen die monatlichen Gebühren von 17,03 Euro bezahlt werden. Die Eigentümer können sich nicht darauf beschränken, nur für solche Sendungen zu bezahlen, die sie "gezielt einschalten". (Verwaltungsgericht Gießen, 9 E 311/95)
• Kaminholz aus dem Wald holen. – Das ist Diebstahl, wenn dafür keine Erlaubnis eingeholt wurde. Es kann ein "Holzsammelschein" erworben werden (gegen Entgelt bei der zuständigen Forstbehörde, die auch darüber informiert, inwieweit gegebenenfalls Naturschutzregelungen beachtet werden müssen).
• Kleidung aus einer Altkleidersammlung mitnehmen. – Da es sich um eine "zweckbestimmte Entsorgung" handelt, machen sich die ungebetenen Sammler als Diebe strafbar – Geldstrafen bis zu 20 Tagessätzen können fällig werden. Anders verhält es sich, wenn jemand vom Sperrmüll etwas mitnimmt. Da hier eine "Besitzaufgabe" vorliegt, wird nicht "gestohlen".
• Hundekot wird nicht entfernt. – Das ist ein Verstoß gegen das "Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz". Die Bundesländer haben die Bußgeldhöhen dafür festgelegt. Bei Hundehäufchen zum Beispiel 10 bis 25 Euro. Hierzu ein Urteil: Wer seinen Hund auf einer Spiel- und Liegewiese "Gassi" führt und nicht bereit ist, die Häufchen zu entfernen – dafür zahle er schließlich Hundesteuer – kann mit einer Geldstrafe (hier in Höhe von 150 Euro) belegt werden. (Oberlandesgericht Düsseldorf, 5 Ss 300/90 – 128/90 I)
• Die Parkscheibe wird (nach Ablauf der vorgegebenen Zeit) weitergedreht. – Beim Überschreiten der Höchstparkdauer: 5 Euro bis 30 Minuten, 10 Euro bis eine Stunde, 15 Euro bis zwei Stunden, 20 Euro bis drei Stunden und 25 Euro über drei Stunden. Hierzu ein Urteil: Die Straßenverkehrsordnung schreibt nicht vor, wo ein Autofahrer eine Parkscheibe hinzulegen hat. Er muss deshalb nicht einen Platz hinter der Windschutzscheibe wählen, sondern kann sie auch an einem Seitenfenster oder auf der Hutablage platzieren – selbst wenn die Politesse deshalb die Fahrbahn betreten muss, um die Uhrzeit ablesen zu können. (Oberlandesgericht Naumburg, 1 Ss [Bz] 132/97)
• Es wird "öffentlich gepinkelt". – Diese "Erregung öffentlichen Ärgernisses" kann ein Bußgeld von 20 bis 100 Euro zur Folge haben. Eventuell steht dann noch ein Schadenersatzanspruch des (Haus-)Eigentümers, dessen Gebäude "angepinkelt" wurde, ins Haus. Hierzu ein Urteil: Hat ein Vermieter den begründeten Verdacht, dass ein Mieter "wild in den Keller uriniert", und wird die Vermutung durch eine von ihm verdeckt angebrachte Kamera bestätigt, so kann er den Mietvertrag fristlos aufkündigen. Die "erhebliche Rechtsverletzung" rechtfertigte den verdeckten Einsatz des Aufnahmegerätes. (Amtsgericht Zerbst, 6 C 614/02)
• Im Nichtraucherbereich wird geraucht. – Der Gebäudeeigentümer hat das Hausrecht und kann den Raucher notfalls vor die Tür setzen. In Deutschland aber bisher noch keine "bußgeldbewehrte" gesetzliche Regelung. – Hierzu ein Urteil: Bestätigt ein Reisebüro die Buchung für eine Busreise ausdrücklich mit dem Zusatz "Nichtraucher, vorne im Bus", so kann der Kunde 25 Prozent des Reisepreises zurückverlangen, wenn es dann auf der Ferienfahrt überhaupt keine rauchfreie Zone im Bus gegeben hat. (Amtsgericht Borken, 3 C 904/90)
• Mit dem Fahrrad wird der Bürgersteig benutzt. – Es werden fällig: 10 Euro, bei Behinderung 15 Euro, bei Gefährdung anderer 20 Euro. Hierzu ein Urteil: Prallt ein Radfahrer auf einem markierten Radweg mit einem Fußgänger zusammen, so haftet der Fußgänger für den Schaden, wenn er "vom Weg abgekommen" ist und so den Crash verursacht hat. (Oberlandesgericht Hamm, 13 U 76/98) Übrigens: Kinder bis einschließlich sieben müssen, Kinder bis neun Jahren dürfen den Bürgersteig als "Radweg" benutzen.
• Das eigene Laub wird dem Nachbarn in den Garten gefegt. – Zivilrechtlich besteht ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, bei einem Verstoß gegen eine gerichtliche Entscheidung setzt es ein Ordnungsgeld – abhängig von der Einschätzung des Richters. – Hierzu ein Urteil: Ragen Zweige von Bäumen eines Hausbesit-zers auf das Grundstück des Nachbarn und werden durch Laub-, Blüten-, Zapfen- oder Nadelbefall Grund, Dach oder Gartenteich so stark verschmutzt, dass das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis gestört wird, so muss – wenn die Bäume nach Landesrecht nicht mehr zurückgeschnitten werden müssen – gegebenenfalls eine Entschädigung (beispielsweise für erhöhten Reinigungsaufwand) gezahlt werden. (Bundesgerichtshof, V ZR 102/03).
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.