Kinder als Arzneimittel-Boten

Familien schicken ihre Kinder zum Einkaufen, zur Post und auf andere Botengänge. Auch in die Apotheken kommen Kinder mit solchen Aufträgen oder Rezepten. Grundsätzlich dürfen die Apotheken Arzneimittel an Kinder abgeben. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, wie die nötigen Informationen zwischen Arzneimittelempfänger und Apotheke ausgetauscht werden, d. h. wie die Apotheke ggf. Wechselwirkungen abklärt oder Einnahmehinweise mit auf den Weg gibt.
Was Sie zur Sicherheit von Boten und Patienten beitragen können

Die ABDA empfiehlt, Kinder nicht als Boten in die Apotheke zu schicken (DAZ Nr. 35, S. 26). Das stellt die Apotheken vor die knifflige Situation, die Familien entweder präventiv zu informieren, die Botenkinder unverrichteter Dinge heimzuschicken oder ihnen mit auf den Weg zu geben, "das nächste Mal sollte lieber ein Erwachsener kommen". Bevor Sie das jedoch tun, erwägen Sie einige Alternativen.

Wenn die Familie dem Kind einen Botengang anvertraut, dann geht sie davon aus, dass der kleine Bote auch in der Lage ist, das Gewünschte sicher nach Hause zu bringen. Würde eine Apotheke ein Kind einfach zurückweisen, dann gäbe sie damit eine zwiespältige Botschaft ab: "1. Arzneimittel sind etwas, wozu man Erwachsene braucht. 2. Wir nehmen dich als Kunden noch nicht für voll."

Von einem Kind als Boten kann man allerdings erwarten, dass es sehr aufmerksam zuhört, wenn es – in seiner Funktion als Bote! – ernst genommen wird. Ein Kind, das alt genug ist, um alleine in eine Apotheke zu gehen und einen Zettel vorzulegen oder zu sagen, was es mitbringen soll, wird Folgendes verstehen:

Das richtige Arzneimittel oder die richtige Einnahme findet man am besten heraus, wenn die Apotheke weiß, für wen das Arzneimittel bestimmt ist.

Dazu hat die Apotheke einige Fragen an den Patienten und braucht ggf. die Telefonnummer der Familie für ein Beratungsgespräch.

Ebenso wie das Kind als Bote ein Präparat abholen kann, wird es auch schriftliche Zusatzinformationen mitnehmen können.

Im Gegensatz zu so manchen Erwachsenen werden Kinder, die man als Boten ernst nimmt, ihre Botenaufgabe eher ernst nehmen, wenn sie als Profi-Boten behandelt werden. Entsprechend ihrem Alter und ihrem Auftreten wird die Apotheke entscheiden, welche Informationen mündlich und welche schriftlich mitgegeben werden können.

Migrantenkinder als Botschafter

Berücksichtigen Sie dabei auch, dass insbesondere Kinder von Migrant/innen häufig als Boten eingesetzt werden, wenn nämlich die Eltern nicht genügend Deutsch verstehen, um ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Viele dieser Kinder haben bereits eine erstaunliche Kompetenz und Reife darin entwickelt, "Erwachsenen-Angelegenheiten" zu unterstützen.

Wenn Sie aufgrund des Namens auf dem Rezept oder vom sprachlichen Akzent her Entsprechendes vermuten, fragen Sie das Kind: "Wie gut sprechen deine Eltern Deutsch? Ich frage das, weil ich dir gerne etwas erklären möchte, falls sie es nicht lesen können." Berücksichtigen Sie auch, dass Migrant/innen möglicherweise zwar genug Deutsch verstehen, aber nicht so gut lesen können, um einen Beipackzettel oder Ihre Handnotizen zu lesen. Hier wäre es tatsächlich sinnvoll, dem Kind eingehend die Einnahmehinweise zu erklären und ihm zu zeigen, wo die betreffenden Angaben im Beipackzettel stehen.

Machen Sie sich klar: Nichts zu erklären oder dem Kind nichts mitzugeben ist eine als sinnlos empfundene Ausgrenzung, und die Familie findet garantiert einen Ihrer Wettbewerber, der das Rezept oder den "Einkaufszettel" eben wortlos beliefert. Ihr freundlicher Beratungsversuch macht die Situation wenigstens nicht schlimmer! Außerdem könnten Sie, wie in anderen Fällen ja auch, ggf. den Hausarzt mit einbeziehen.

Sollten Sie Migrantenkinder als Stammkunden erkennen, dann lohnt sich eine ausdrückliche, freundliche Einladung: "Bring doch deine Mutter mal mit! Ich kann ihr gerne etwas zeigen, und wenn wir Hilfe brauchen, können wir – du und ich – es ihr zusammen erklären." Vielleicht haben Sie auch eine Angestellte mit der betreffenden Sprache? Machen Sie sie mit dem Kind bekannt und werben Sie weiterhin darum, dass die Familie sich – auch ohne Deutschkenntnisse – in Ihre Apotheke traut. Das ist nicht nur ein freundlicher Beitrag zur Integration von Zuwanderern, sondern hat auch ganz handfeste wirtschaftliche Grundlagen: Migrant/innen haben durch ihre oft sehr belastende Lebenssituation einen nachweislich schlechteren Gesundheitszustand als Inländer, und eine gute Kooperation zwischen Arzt und Apotheke kann Ihnen treue Stammkunden verschaffen.

Auf Nummer sicher gehen

Wer ganz sicher gehen und Kunden nicht verprellen will, die Kinder als Boten in die Apotheke schicken, kann Folgendes tun:

Grundsätzlich in der Familie anrufen und – freundlich! – eine oder zwei sachliche Fragen an den Empfänger des Arzneimittels bzw. an einen Erwachsenen stellen.

Aufkleber in Signalfarbe auf die Umverpackung: "Bitte rufen Sie uns an unter Tel. …"

Zusatzinformationen auf eine Karte der Apotheke notieren und dem Kind deutlich machen, dass es diese Karte unbedingt zusammen mit dem Arzneimittel weitergeben soll.

Keine Proben mitgeben (siehe Anekdote), sondern nur das gewünschte Arzneimittel.

In ganz heiklen Fällen dem Kind nicht das Arzneimittel, sondern eine Karte mitgeben: "Wir möchten Ihnen das Arzneimittel gerne heute noch persönlich zustellen und werden versuchen, Sie telefonisch zu erreichen. Sie können uns anrufen unter Tel…, damit wir wissen, wann wir zu Ihnen kommen dürfen." Bei der Übergabe kann die Apothekenmitarbeiterin dann die nötige Erklärung persönlich abgeben.

Wesentlich ist, dass die Familie lernt: Die Apotheke erhält ihr Beratungsangebot auch dann aufrecht, wenn ein Kind als Bote geschickt wird. Das Kind lernt: Arzneimittel sind keine beliebige Drogerieware, sondern müssen genau auf die Person abgestimmt werden, die sie zu sich nehmen will.

Mehr als ein Botengang

Natürlich kann man Botengänge von Kindern rein unter organisatorischen Gesichtspunkten sehen und dementsprechend unpraktisch finden: Ein Kind ist sachlich meist nicht der geeignete Ansprechpartner, Beratung am Telefon ist nicht immer willkommen, Boten können einen Informationsverlust bedeuten, ein Missbrauch ist nicht auszuschließen. Mal ganz ehrlich: Das Problem entsteht doch nicht erst, wenn ein Kind in die Apotheke kommt – ebenso gibt es Erwachsene, denen man lieber kein Arzneimittel mitgeben würde!

Wenn ein Kind bereits als Arzneimittel-Bote erlebt, dass es vom gesamten Apothekenpersonal ernst genommen wird, dann wird es sich umso vertrauensvoller selbst an die Apotheke wenden, sobald es entsprechenden Bedarf hat. Eine bessere Werbung bei aufmerksamen Kunden können Sie kaum bekommen!.

Vera Naumann, Kommunikation & Organisation
Als Kind im Grundschulalter verbrachte ich meine Ferien oft bei Tanten und Großeltern. Einmal schickte mich meine Tante in die Apotheke, um etwas auf Rezept abzuholen, das für meine Großmutter bestimmt war. Sie war dort Stammkundin, und man kann annehmen, dass ihr Name auf dem Rezept bekannt war. Möglicherweise hat man mich in der kleinen Landapotheke auch gefragt, "so, bist du gerade bei der Omi zu Besuch?" In der Tüte, die mir die Apotheke mitgab, befand sich dann aber nicht nur das Medikament vom Rezept, sondern auch ein kleines braunes Fläschchen, auf dem zwei Herzen zu sehen waren. Irgendetwas hatte mir die Apotheke dazu auch gesagt: Dass es eine Probe sei von etwas, "das das Herz stärkt".
Eine Stunde später lag ich am hellerlichten Tag vollkommen schwindelig im Bett, und die ganze Familie war fürchterlich besorgt um mich. Erst nach zahlreichen Anläufen war aus mir herauszubekommen, was der Grund für meinen Zustand war: Ich hatte das Fläschchen selbst zu mir genommen, und zwar gleich alles. Dinge mit Herzchen drauf sind doch sonst auch meistens für Kinder, hatte ich wohl gedacht. So kam ich zu meinem ersten Rausch! Das Gelächter der Familie war unbeschreiblich. Ob wohl jemand nachgeprüft hatte, wie gefährlich die nicht-alkoholischen Bestandteile der Tropfen waren?
... und dann schnell noch in die Apotheke für Oma – Kinder kaufen gerne ein und werden manchmal auch mit einem Rezept in die Apotheke geschickt. Eine besondere Herausforderung für das Apothekenteam.
Foto: Bilderbox.com

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