Westf.-lippischer Apothekertag

Premiere in Münster

Der 1. Westfälisch-lippische Apothekertag, der am 17. und 18. März in Münster stattfand, war mit 600 Teilnehmern ausgebucht. Unter dem Motto "Gute Pillen – schlechte Pillen" wurde Fortbildung über Phytopharmaka, freiverkäufliche Arzneimittel, angebliche Wundermittel und Anti-Aging geboten. Das wissenschaftliche Programm untermauerte die politische Botschaft: Der Apothekertag stärkte den Apothekern den Rücken für die kritische Bewertung dubioser Produkte und machte die Politiker auf die Gefahren von Arzneimittelfälschungen und vermeintlichen Wundermitteln, insbesondere aus dem internetgestützten Versandhandel, aufmerksam. Als Besonderheit wurden auch interessierte Laien einbezogen, als am Sonntagnachmittag die Kernbotschaften in publikumsgerechter Form aufbereitet wurden.

Hans-Günter Friese, Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, betonte die Rolle der Apotheker als unabhängige Berater der Patienten. Diese Beratung sei angesichts der Werbung für dubiose Gesundheitsprodukte, insbesondere in kostenlosen Anzeigenblättern und kirchlichen Zeitschriften, dringend erforderlich. Vermeintliche Wundermittel habe es schon immer gegeben, der Wildwuchs nehme aber seit einigen Jahren deutlich zu, weil Internet und Versandhandel mehr Möglichkeiten böten, die Beratung in der Apotheke zu umgehen. Zugleich würden Arzneimittel durch Internet und Versandhandel bagatellisiert, das Arzneimittel werde zu einem normalen Verbrauchsgut. Die Janusköpfigkeit des Arzneimittels, das nutzen, aber auch schaden könne, werde nicht mehr gesehen. Apotheken- und Verschreibungspflicht würden nicht mehr als sinnvolle Hürden betrachtet, ihre Umgehung gelte als Kavaliersdelikt. Doch würden kritische Stimmen aus den USA warnen, dass ein solcher Umgang mit Arzneimitteln die Häufigkeit unerwünschter Wirkungen deutlich erhöht. So sei auch in Deutschland bald mit den hohen Folgenkosten dieser Entwicklung zu rechnen. Die Apotheker müssten dies anprangern und von problematischen Produkten abraten. Er hoffe, der westfälisch-lippische Apothekertag werde zum Auftakt weiterer öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen zu diesem Thema. Zugleich sei die Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu unterstützen.

Dr. Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, hob die Fähigkeit der Apotheker zum Dialog hervor, der auch bei den schwierigen Diskussionen über das GKV-WSG funktioniert habe. Im Ergebnis stärke dieses Gesetz die Apotheker als Heilberufler, die nicht nur Arzneimittel verkaufen, sondern die Patienten versorgen. Zugleich mahnte Schröder die Apotheker, die Bücher nach vorne aufzuschlagen, womit er auf die Forderungen nach einem Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel anspielte. Die Apotheker sollten nach Auffassung von Schröder so über den Versandhandel diskutieren, dass die angesprochenen Ziele – der Schutz vor Fälschungen und vor Irreführung–- erreicht würden. Schröder lobte die Apotheker als "Technik-Avantgarde im Gesundheitswesen", hob ihre intensive Aus- und Fortbildung hervor und forderte sie auf, ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den Patienten zu nutzen, um von dubiosen Wundermitteln abzuraten. Das Versorgungssystem werde sich in den nächsten zehn Jahren ändern. Es sei zu fragen, warum die Rolle der Apotheker in der ambulanten Versorgung nicht ähnlich wie im Krankenhaus aussehen könne. Insbesondere individualisierbare Arzneimittel würden wesentlich an Bedeutung gewinnen.

Magdalene Linz, Präsidentin der Bundesapothekerkammer, würdigte die Apothekerkammer Westfalen-Lippe als besonders aktive Kammer, die schon viele Anstöße gegeben habe, wie für die Überprüfung der Beratungsqualität und die Etablierung von Unterstützungsteams für die Beratung. Das wissenschaftliche Programm wurde von Gabriele Regina Overwiening, Vizepräsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, moderiert.

Angemessene Phytotherapie

Prof. Dr. Theo Dingermann, Frankfurt, forderte pflanzliche Arzneimittel als Therapieoptionen angemessen einzusetzen. Die Produkte sollten nicht in gut oder schlecht gegliedert, sondern es sollte für die jeweilige Situation das angemessene Produkt ausgewählt werden. Stattdessen würden Gegner und Befürworter der Phytotherapie meist fundamental und wenig differenziert argumentieren. Therapeutisch ernstzunehmende Phytopharmaka sind für Dingermann Zubereitungen aus pflanzlichen Drogen in einer bestimmten galenischen Zubereitung. Der Wirkstoff ist nicht die Droge, sondern der Extrakt. Als nicht ernstzunehmende Phytopharmaka bezeichnete er daher Tees, denn ihr Einsatz würde bedeuten, dass der Patient zu Hause unter unkontrollierten Bedingungen das Arzneimittel herstellt. Zudem seien etwa 90 Prozent der Phytopharmaka Lipidextrakte, weil wasserlösliche Stoffe meist nur wenig bioverfügbar sind. So könnten Tees als wässrige Auszüge keine vorteilhafte Arzneiform sein. Therapeutisch ernstzunehmende Phytopharmaka sind für Dingermann Fertigarzneimittel, die Extrakte enthalten. Zur Qualitätsbewertung ist das Drogen-Extrakt-Verhältnis (DEV) wesentlich, mit dem die Menge der verarbeiteten Droge für eine Dosis errechnet werden kann. Eine geringe Breite des DEV spreche für die gezielte Auswahl der verarbeiteten Drogenqualitäten.

Sehr problematisch seien die als "traditionell angewendet" zugelassenen und gekennzeichneten Arzneimittel im Sinne der fünften AMG-Novelle. Sie müssten nur eine Dosis enthalten, die mindestens zehn Prozent der gemäß Bewertung der Kommission E wirksamen Dosis entspricht. So seien sie "per Gesetz unwirksam", aber immerhin anhand der Kennzeichnung zu identifizieren. Ebenfalls problematisch seien generische Betrachtungsweisen für Phytopharmaka. Stattdessen sollte jeweils ein bestimmtes Arzneimittel untersucht werden, weil der Extrakt das wirksame Prinzip darstellt. Daher sei auch zwischen Phytopharmaka zu unterscheiden, die einerseits aufgrund einer positiven Bewertung der Droge in der jeweiligen Dosis durch die Kommission E zugelassen wurden oder bei denen andererseits klinische Studien zur Wirksamkeit des verwendeten Extraktes als Grundlage für die Zulassung vorliegen. So sollten Phytopharmaka als extrem heterogene Arzneimittel differenziert betrachtet und bewusst ausgewählt werden. Nach Einschätzung von Dingermann braucht jede Apotheke dafür ihre eigene "Arzneimittelkommission" wie eine Krankenhausapotheke. Zur Unterstützung dieser Arbeit sei kürzlich ein "Komitee Forschung Naturmedizin" gegründet worden, das Übersichten über die randomisierten Studien zu Extrakten erstellen und damit zur Transparenz beitragen will. Allerdings sollten nicht reflexartig Phytopharmaka ohne Studien aus dem Markt gedrängt werden, vielmehr sollte individuell das für den jeweiligen Patienten angemessene Arzneimittel empfohlen werden.

Gefahr durch Fälschungen

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Frankfurt, stellte "Wundermittel auf den Prüfstand". Obwohl für einige wichtige Lifestyle-Indikationen wirksame Arzneimittel existieren, werden weiterhin viele dubiose Produkte angeboten. Dabei werde oft mit guten wissenschaftlichen Argumenten gearbeitet und so Seriosität vorgetäuscht. In anderen Fällen würden Pseudo-Arzneimittel in der Werbung mit dem guten Ruf der Apotheke verknüpft. Produkte von Versandhändlern seien vielfach gefälscht. Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) habe im Jahr 2004 in einer Untersuchung für den "Focus" angebliches Viagra® aus dem internetgestützten Versand geprüft und dabei teilweise fast perfekte Imitate und viele gesundheitsschädliche Produkte gefunden. Bei einer späteren Untersuchung zu Propecia® seien ebenfalls viele Fälschungen gefunden worden. So sei das Internet ein Tummelplatz gefälschter Arzneimittel. Wenn die Politik nicht eingreife, befürchte er, dass dadurch auch in Europa bald Tote zu beklagen sein würden.

Innovationen aus der Pipeline

Für einige Indikationen erwartet Schubert-Zsilavecz interessante neue Produkte. So habe sich der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Dapoxetin in der Entwicklung als Antidepressivum nicht bewährt, könnte aber gegen vorzeitige Ejakulation eingesetzt werden. Als Antidepressivum habe sich auch Flibanserin nicht durchsetzen können. Die Substanz ist ein 5-HT2A-Antagonist und 5-HT1A-Agonist und könnte zur Behandlung von Libidostörungen bei Frauen dienen.

Obwohl gegen Adipositas verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung stehen, die in Verbindung mit weiteren Maßnahmen wirksam sind, werden weiterhin zahlreiche "Wundermittel" zum Abnehmen beworben. Nach Einschätzung von Schubert-Zsilavecz bilden Sättigungskomprimate ein vernünftiges Prinzip zur Appetitreduzierung, wenn auch zumeist belastbare Daten fehlen.

Mit der Indikation Anti-Aging werde für DHEA und Melatonin geworben, doch seien niedrige DHEA-Blutspiegel im höheren Lebensalter eher als Folge und nicht als Ursache der Alterung zu betrachten, eine Substitution wäre daher nicht zielführend. Antioxidative Effekte von Melatonin seien nur in vitro mit therapeutisch nicht erreichbaren Dosierungen zu zeigen und damit irrelevant. Der sinnvolle Einsatz von Melatonin als Schlafmittel scheitere an der großen interindividuellen Streuung der Blutspiegel nach oraler Gabe und an der unklaren Dosis-Wirkungs-Beziehung. Die Forschung mit Melatonin habe aber den Anstoß für die Entwicklung von Melatonin-Rezeptor-Agonisten gegeben. So ist Ramelteon in den USA bereits als Einschlafmittel zugelassen. Es biete eine kurze Halbwertszeit, eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung und zeige bisher kein Abhängigkeitspotenzial.

Freiverkäufliche Arzneimittel

Prof. Dr. Martin Schulz, Berlin, bewertete den Einsatz freiverkäuflicher, also nicht apothekenpflichtiger Arzneimittel. Über die Freistellung von der Apothekenpflicht wird allein aufgrund einer Risikoabwägung entschieden, die Frage nach der Wirksamkeit werde dabei nicht gestellt. So seien Johanniskrautzubereitungen mit einer Tagesdosis bis zu 1 g Droge und bis zu 1 mg Hyperforin nicht apothekenpflichtig, aber auch nicht wirksam und damit auch hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen irrelevant. Um mit nicht apothekenpflichtigen Phytopharmaka wirksame Dosierungen zu erreichen, seien vielfach enorm viele Tabletten oder Dragees erforderlich, was unpraktikabel und zudem meist teurer als der Einsatz angemessen dosierter Arzneimittel sei. Ebenso wie Dingermann problematisierte Schulz die Zulassung für "traditionell angewendete" Arzneimittel, die allein aufgrund der Überlieferung oder langjähriger Erfahrung erfolgt und bei der keine Wirksamkeitsbelege in Form von Studien gefordert werden.

Zehn Kriterien für Quacksalberei

Darüber hinaus gibt es viele weitere Möglichkeiten Gesundheitsprodukte in den Handel zu bringen, insbesondere als Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel und sonstige Lebensmittel. Um dubiose und unwirksame Produkte erkennen zu können, präsentierte Schulz eine Liste mit "zehn Kriterien für Quacksalberei":

angeblich keine Nebenwirkungen oder Risiken

Erfolgsgarantie

Indikationslyrik um angeblich vielfältige Wirksamkeit gegen verschiedenste Symptome

exotische Herkunft

angeblich bessere Wirkung als die Schulmedizin

Präsentation von Erfahrungsberichten als vermeintlicher Beleg für die Wirksamkeit

Personenkult um einen Behandler oder Entdecker

angeblich seit Jahrzehnten bewährte Anwendung

angebliche Wirksamkeit ohne Zulassung als Arzneimittel

Betonung auf den "Ausgleich von Mängeln in der Ernährung"

Wenn ein Produkt lange angewendet wird und sich als wirksam erweist, könne vorausgesetzt werden, dass die Industrie dies aufgreift und daraus ein zulassungsfähiges Arzneimittel entwickelt. Dies spreche gegen die Wirksamkeit der so angepriesenen Produkte. Vor diesem Hintergrund empfahl Schulz den Apothekern, ihre Rolle für die Arzneimittelsicherheit in der Beratung deutlich zu machen. Die kritische Bewertung werde von Kunden anerkannt und sichere langfristig die Ertragskraft der Apotheke, was mit Dumpingpreisen nicht möglich sei.

Sinnvolles Anti-Aging

Zu den häufigsten Zielsetzungen vermeintlicher Wundermittel gehört das Anti-Aging. Was die Ernährung und Supplemente tatsächlich zu einem gesünderen Altern beitragen können, erläuterte Prof. Dr. Hans Konrad Biesalski, Stuttgart-Hohenheim. So sprechen verschiedene Studien dafür, dass gesteigerter Substratfluss durch die Mitochondrien das Altern beschleunigt. Daher sollten nicht Grundumsatz und Antioxidantienspiegel jeweils für sich allein betrachtet werden, sondern problematisch sei ein nicht an den Grundumsatz angepasster Antioxidantienspiegel. Insbesondere durch Diabetes oder bei Entzündungen könne der Bedarf daher erhöht sein. Doch sollten nicht einzelne Radikalfänger zugeführt werden, denn der Organismus benutze ein vernetztes System vieler Antioxidantien, um freie Radikale aus Zellen auszuschleusen.

Die Plasmakonzentrationen von Mikronährstoffen seien nicht geeignet, um Mangelzustände zu erkennen, stattdessen müssten die schwerer feststellbaren Konzentrationen im Gewebe betrachtet werden. In den Industrieländern bestünden keine ausgeprägten Mangelzustände, doch sollte auch nicht erst in solchen Situationen supplementiert werden. Die Erfahrung bei Schwangeren zeige, dass auch geringfügige Abweichungen von einer optimalen Versorgung zu Schwankungen beim Geburtsgewicht der Kinder führen können. Für Mikronährstoffdefizite existiere kein klinisches Bild, Abgeschlagenheit und Infektanfälligkeit könnten allenfalls Hinweise geben. So sollte vorzugsweise auf Risikogruppen geachtet werden, bei denen die Zufuhr von Mikronährstoffen typischerweise eingeschränkt ist. Dazu gehören Personen mit einseitiger Ernährung, täglicher Energiezufuhr unter 1500 kcal, Diabetiker, Übergewichtige, Sportler, Senioren und Anwender von Xenical® , bei denen zu wenig fettlösliche Vitamine aufgenommen werden könnten. Für Diabetiker seien besonders die Vitamine C und E empfehlenswert, Senioren würden typischerweise die Vitamine B12 , D und Folsäure sowie Zink und Eisen fehlen. Der Mangel an Vitamin B1 , B6 und Folsäure werde mit Gedächtnisdefiziten oder Demenz in Verbindung gebracht, der Mangel an Vitamin B12 gelte als Risikofaktor für die Alzheimer-Erkrankung. Ein hoher Homocysteinspiegel sei als Indikator für Vitamin B-Mangel zu betrachten.

Pragmatische Supplementierung

Da die individuellen Defizite zumeist nicht bekannt sind, sollten Multivitaminpräparate eingesetzt werden, die möglichst viele Mikronährstoffe enthalten und deren Dosierung sich an den geltenden Zufuhrempfehlungen orientiert. Bei Dosierungen oberhalb der dreifachen Empfehlungsmenge werde die Grenze von der Supplementierung zur Pharmakotherapie überschritten, sodass Nebenwirkungen möglich seien. Multivitaminpräparate würden auf der Grundlage einer gesunden Ernährung ihre beste Wirkung entfalten und seien nicht zur Kompensation einer Fehlernährung bestimmt. Bei isolierter Zufuhr einzelner Substanzen könnten andere wichtige Stoffe übersehen werden, sodass falsche Sicherheit vermittelt werde.

Zur aktuellen kritischen Debatte über die Wirkung der Vitaminsupplementierung auf die Lebensdauer merkte Biesalski an, dass das Leben insgesamt tödlich sei und die Gabe von Vitaminen nicht auf die Lebensverlängerung, sondern auf die Verbesserung der Lebensqualität ziele. Die viel beachtete negative Wirkung von Betacarotin bei Rauchern sei durch einen speziellen Effekt zu erklären, der in Verbindung mit dem Rauchen die Ansprechbarkeit auf Vitamin A in der Lunge herunterregelt und so trotz hoher Zufuhr zu Vitamin-A-Mangel führt. Die Reaktion darauf sei überzogen und berge die Gefahr, dass beispielsweise Schwangere eine sinnvolle Supplementierung unterlassen.

Apothekertag für alle

Im Anschluss an das Fortbildungsprogramm wurde der Apothekertag zwei Stunden lang für interessierte Bürger geöffnet. Umrahmt von einem Kabarett- und Musikprogramm präsentierte der bekannte Radiomoderator Manfred Erdenberger in drei Talkrunden mit jeweils zwei Partnern einige Ergebnisse der Veranstaltung. Angela Clausen, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf, und Prof. Dr. Martin Schulz sensibilisierten die Besucher für die unsinnigen Versprechungen aus der Werbung für "Wundermittel". Dr. Hiltrud von der Gathen und Gabriele Regina Overwiening, Vorstandsmitglied und Vizepräsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, vermittelten die Botschaft "pflanzlich ist nicht immer harmlos". Um die wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln und andere politische Aspekte ging es in der Gesprächsrunde mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten und Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages Jens Spahn und dem Kammerpräsidenten Hans-Günter Friese. Spahn machte deutlich, dass steigende Kosten im Gesundheitswesen nicht zu verhindern sind, bei Reformen gehe es um deren Finanzierung. Mit Blick auf die wohnortnahe Arzneimittelversorgung erklärte er, dass vor einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Fremd- und Mehrbesitzverbot zwei Alternativen bestünden: Man könne auf das Urteil warten und dann möglicherweise eine "Wild-West"-Versorgung erleben oder vorher die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sichern und Planungssicherheit insbesondere für junge Apotheker und ihre Investitionen schaffen. Friese verdeutlichte, dass die wohnortnahen Apotheken nicht als Lückenbüßer die Akutversorgung sicherstellen können, wenn Krankenkassen die Patienten auffordern, ihre Dauermedikation bei Versandapotheken zu beziehen.

Als letzte Referentin des Apothekertages stellte Ursula Hasan-Boehme, Treuhand Hannover GmbH, die Folgen des GKV-WSG für die Apotheken dar. Über dieses Thema wurde bereits in DAZ 11 ausführlich berichtet. Begleitend zum Apothekertag fand eine pharmazeutische Ausstellung mit 32 Ständen statt, die nicht als Produktmesse, sondern primär als Informationsbörse konzipiert war. Die veranstaltende Kammer hatte die beteiligten Einrichter aufgefordert, praktische Umsetzungen für diskrete Beratungen im Apothekenalltag vorzuschlagen. Neben dem fachlichen Programm sorgten die Kabarettformation "Buschtrommel" und die "Walking Blues Prophets" für gute Stimmung bei Teilnehmern und Ausstellern.

Das Wichtigste aus den Fortbildungsvorträgen in Kürze:
Für die Bewertung der Qualität von Phytopharmaka sind der verwendete Extrakt und das Drogen-Extrakt-Verhältnis wesentlich.
Die Zulassung von "traditionell angewendeten" Arzneimitteln beruht auf Überlieferungen oder Erfahrungen, nicht auf Wirkungsnachweisen mit Studien.
Phytopharmaka können auf der Grundlage einer Bewertung der Kommission E oder aufgrund von randomisierten Studien zugelassen werden.
Auch für Indikationen, für die wirksame Arzneimittel verfügbar sind, werden vielfach dubiose "Wundermittel" angepriesen.
Die Untersuchung vermeintlicher "Wundermittel" kann in Einzelfällen zur Entwicklung wirksamer Arzneimittel führen.
Der Melatonin-Rezeptor-Agonist Ramelteon ist in den USA zugelassen und bietet gutes Potenzial als Schlafmittel.
Wenn ein Produkt lange erfolgreich eingesetzt wird, kann erwartet werden, dass die Industrie daraus ein zulassungsfähiges Arzneimittel entwickelt. Anderenfalls spricht dies gegen die Wirksamkeit.
Für Personen mit einseitiger Ernährung, täglicher Energiezufuhr unter 1500 kcal, Diabetiker, Übergewichtige, Sportler und Senioren ist die Anwendung von Multivitaminpräparaten empfehlenswert.
Die Supplementierung einzelner Mikronährstoffe ist problematisch und kann falsche Sicherheit vermitteln.

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