Aus Kammern und Verbänden

Christen in der Pharmazie

Prof. Dr. Peter Imming

Gifte – Segen und Fluch

Viele Facetten des Giftbegriffes wurden auf der 15. Jahrestagung von "Christen in der Pharmazie", einer Fachgruppe der Akademiker-SMD, thematisiert: Gift als Gefahr, als Heilmittel, als Waffe, als Anlass für Gesetze und Verordnungen, als notwendiges Utensil von Kriminalgeschichten. Die Tagung fand vom 16. bis 18. März 2007 unter familienfreundlichen Rahmenbedingungen in Brotterode/Thüringen statt.

Landläufig hängt der pharmazeutischen Zunft der teils ungeliebte Begriff des Giftmischers an. Davon ausgehend unternahm Annette Groteloh, Leiterin der Apotheke der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft in Herne (Westfalen), eine Zeitreise in die Apothekengeschichte und arbeitete die ambivalenten Züge des Giftmischers heraus. Die bekannte Definition des Paracelsus, dass die Dosis das Gift macht, ist knapp ein halbes Jahrtausend später immer noch gültig. Gegenüber der Herstellung von Giften war jedoch die Suche nach den toxischen Prinzipien von größerer Bedeutung: Groteloh legte dar, dass Apotheker des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts viele Wirkstoffe erstmals isoliert haben; insofern war die Apotheke eine Keimzelle der pharmazeutischen Industrie.

Gifte – teils gefährlich, teils nützlich

Die Vielschichtigkeit des Giftbegriffes erörterte Prof. Dr. Peter Imming, Halle, in seinem Referat "Alle Gifte dieser Schöpfung: gefährlich, nützlich, alltäglich". Manche Substanzen werden erst durch Biotransformation und Giftung toxisch, andere Gifte können als Antidot dienen und bei Vergiftungen lebensrettend sein. Was den Umgang mit Giften betrifft, konstatierte Imming bei der Bevölkerung eine eher ängstliche Einstellung gegenüber Arzneimitteln, während die Gefahren bei gängigen Haushaltschemikalien und Benzin unterschätzt werden. Da die Apotheke eine Anlauf- und Auskunftstelle bei Vergiftungsfällen ist, sollten Apotheker die wirklich gefährlichen Giftstoffe und Giftpflanzen kennen.

Auf molekularer Ebene ist der Wirkmechanismus von Giften und Arzneimitteln im Grunde gleich. Die Wirkung bzw. Toxizität kommt dadurch zustande, dass bestehende zelluläre Funktionen moduliert werden. Sie ist immer davon abhängig, welche Körperkompartimente vom Pharmakon bzw. Gift erreicht werden und wie stark der Einfluss der Zielstrukturen auf die Gesamtphysiologie ist. Der Mensch verwendet für ihn ungefährliche, aber für Parasiten und Mikroben toxische Substanzen als Arzneistoffe, z. B. Akarizide, Fungizide oder Bakterizide. Neben diesen "nützlichen Giften" nutzt der Mensch auch viele für ihn potenziell gefährliche Stoffe als Arzneimittel. Als Beispiel nannte Imming Ziconotid, ein synthetisches Analogon des sehr giftigen Conotoxins der marinen Kegelschnecke Conus magus ; während die Schnecke dieses Peptid gleichsam als "Pfeilgift" verwendet, ist Ziconotid in richtiger Dosierung ein potentes Schmerzmittel.

Die nicht-lineare Dosisabhängigkeit der Giftwirkung verdeutlichte Imming daran, dass bei essenziellen Mikronährstoffen wie Selen sowohl der Mangel als auch hohe Dosen toxisch sein können. Für Umweltgifte wiederum spielt der Faktor Zeit (Anreicherung; langsamer Abbau) eine große Rolle für die Toxizität.

Glaube als Gegengift

Gifte werden auch als Kampfstoffe oder Massenvernichtungsmittel eingesetzt. Die teleologische Frage, warum es diese unheilbringenden Gifte überhaupt gibt, ist aus theologischer Sicht ein Spezialfall der Frage nach dem Tod in der Schöpfung und nach dem Woher des Bösen. Die alte Weisheit aus dem Regimen sanitatis Salernitanum "Gegen den Tod ist kein Kraut gewachsen" ist für den gläubigen Christen nur bedingt gültig, denn die Osterbotschaft der Auferstehung berichtet von einem wirksamen "Gegengift". Dieses Geschenk eines Lebens, das den Tod überwindet, darf im Glauben ergriffen und erfahren werden.

Gifte und Gefahrstoffe

Den Umgang mit Gefahrstoffen nach der neuen und nunmehr uneingeschränkt gültigen Gefahrstoffverordnung erläuterten Apothekerin Annette Groteloh und Apotheker Thomas Freudewald, Klingenthal. Dabei machten sie den Systemwechsel beim Umgang mit Gefahrstoffen deutlich: weg von der reinen Substanzbetrachtung – hin zum Gefährdungspotenzial in Abhängigkeit der jeweiligen Tätigkeit. Freudewald erläuterte insbesondere die Gefährdungsbeurteilung und das Schutzstufenkonzept und berichtete von seinen Erfahrungen mit der Umsetzung in sächsischen Apotheken. Dabei plädierte er für eine sachgerechte und praktikable Implementierung der Gefahrstoffverordnung in den Apothekenalltag.

Die 15. Jahrestagung wurde von der Bundesapothekerkammer mit neun Fortbildungspunkten zertifiziert. Weitere Informationen über Christen in der Pharmazie im Internet: www.pharmazie.smd.org. Die nächste Jahrestagung am 11. bis 13. April 2008 in Marburg hat das Thema: "Wert(e)volle Apotheke".

Jens Kreisel, Plauen

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