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Arzneimittel und Therapie
Nukleosidanalogon zugelassen
Telbivudin hält Hepatitis-B-Viren in Schach!
Mit Telbivudin (Sebivo®) steht ab 1. Juni ein neuer Wirkstoff aus der Gruppe der Nukleosidanaloga zur Therapie der chronischen Hepatitis B in Deutschland zur Verfügung. Die GLOBE-Studie, aus der die Zulassungsdaten stammen, lieferte aber auch den Anstoß, die therapeutische Strategie bei chronischer Hepatitis B neu zu überdenken. Denn sie belegte, dass die Virussuppression nach 24 Wochen eine hohe prädiktive Aussagekraft besitzt. Gefordert wird deshalb eine individuelle Therapieoptimierungsstrategie, die auch als "On-treatment-Management" bezeichnet wird.
Die Hepatitis-B-Virus(HBV)-Infektion ist mit weltweit mehr als 300 Millionen Virusträgern eine der häufigsten Infektionskrankheiten. In Deutschland geht man von ca. 600.000 Patienten mit einer chronischen Hepatitis B aus. Trotz der seit 1995 bestehenden allgemeinen Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren werden dem Robert Koch-Institut jährlich weiterhin mehr als 3000 Fälle einer akuten HBV-Infektion gemeldet. Vor allem bei Immigranten aus dem Mittelmeerraum, aber insbesondere auch aus Osteuropa und Staaten der ehemaligen Sowjetunion ist die HBeAg-Prävalenz zum Teil deutlich erhöht.
Nukleosid- bzw. Nukleotidanaloga werden bei behandlungspflichtiger chronischer Hepatitis B als Langzeittherapie zur Suppression der Virusreplikation eingesetzt. Entscheidend für die Zulassung von Telbivudin waren die überzeugenden Zwei-Jahres-Daten der GLOBE(Global Leadership & Organization Behaviour Effectiveness)-Studie. Sie belegen, dass Telbivudin signifikant stärker antiviral wirksam ist als das Standard-Nukleosidanalogon Lamivudin und sich gleichzeitig deutlich seltener Resistenzen entwickeln. In GLOBE, einer kontrollierten, randomisierten Vergleichsstudie, wurden insgesamt 1367 Erwachsene mit chronischer Hepatitis B (HBeAg-positiv: 921; HBeAg-negativ: 446) über zwei Jahre einmal täglich entweder mit 600 mg Telbivudin oder mit 100 mg Lamivudin behandelt.
Telbivudin zeigte eine überlegene antivirale Aktivität mit einem therapeutischen Ansprechen (Senkung der Viruslast unter 105 Kopien/ml bei gleichzeitiger Normalisierung der Alanin-Aminotransferase (ATL) -Werte oder HBeAg-Verlust) von 64% gegenüber 48% bei HBeAg-positiven Patienten. Eine Absenkung der HBV-DNA (siehe Kasten) unter die PCR-Nachweisgrenze wurde bei 56% der HBeAg-positiven Patienten unter Telbivudin, dagegen nur bei 39% unter Lamivudin erreicht. Noch günstiger waren die Ergebnisse für HBeAg-negative Patienten, die generell nicht so hohe Replikationsraten zeigen, mit Ansprechraten von 78% gegenüber 66% und einem Anteil PCR-negativer Patienten von 82% gegenüber 57%. Eine HBeAg-Serokonversion erreichten unter Telbivudin 30% der HBeAg-positiven Patienten (Lamivudin: 25%). Dies entspricht den Serokonversionsraten, die mit einer alpha-Interferon-Therapie erreicht werden. "Die höhere antivirale Aktivität schlägt sich auch in einer höheren Serokonversionsrate nieder", betonte Priv.-Doz. Dr. Thomas Berg, Berlin. Besonders profitierten Patienten mit mindestens zweifach erhöhten ALT-Werten mit einer Serokonversionsrate von 41%. Das Sicherheitsprofil der beiden Nukleosidanaloga war vergleichbar. Von besonderem Interesse war der Blick auf die Resistenzraten, da die Entwicklung von Resistenzen das Problem in der Therapie mit Nukleos(t)idanaloga ist. Auch hier war Telbivudin dem Standard überlegen mit deutlich niedrigerem Risiko: So lagen die kumulativen Resistenzraten bei HBeAg-positiven Patienten bei 18% gegenüber 30%, bei HBeAg-negativen Patienten bei 7% gegenüber 17%.
Frühe Virussuppression – besserer Outcome
Die GLOBE-Studie lieferte darüber hinaus auch Daten, die die Strategie in der Therapie der chronischen Hepatitis B insgesamt beeinflussen werden. Subgruppenanalysen zeigten nämlich die Bedeutung der frühen viralen Suppression für den anhaltenden Erfolg der Langzeittherapie und das Risiko einer Resistenzentwicklung. Konkret: Patienten, bei denen bereits nach 24 Wochen der HBV-DNA-Spiegel unter der PCR-Nachweisgrenze lag, hatten einen günstigeren Therapieverlauf, das Risiko der Resistenzentwicklung lag deutlich niedriger. So waren 88% der HBeAg-negativen und 82% der HBeAg-positiven Patienten mit PCR-Negativität nach 24 Wochen auch noch nach zwei Jahren PCR-negativ. Die Resistenzrate lag lediglich bei 2 beziehungsweise 4%.
Perspektive: das "On-treatment-Management"
Gefordert wird nun eine individuelle Therapieoptimierungsstrategie, auch als "On-treatment-Management" bezeichnet, die sich an den HBV-DNA-Spiegeln zu definierten Zeitpunkten der Therapie orientiert. Prof. Dr. Stefan Zeuzem, Frankfurt, stellte dafür folgendes Roadmap-Konzept vor: Zwölf Wochen nach Therapiebeginn sollte das primäre Therapieansprechen überprüft werden, "was bei über 80% der Patienten nicht gemacht wird." Bei einem Abfall der HBV-DNA unter 1 Logstufe ist die Therapie fortzusetzen. Andernfalls sollte zwingend die Compliance des Patienten überprüft werden, die häufig die Ursache eines primären Therapieversagens ist. Noch seltener werden die HBV-DNA-Werte nach 24 Wochen analysiert, die jedoch wegweisend für das weitere Prozedere sind. Bei vollständigem Ansprechen mit weniger als 300 Kopien/ml (PCR-negativ) ist die antivirale Behandlung fortzusetzen. Liegt die HBV-DNA-Konzentration über 104 Kopien/ml, also bei mangelndem Ansprechen, empfiehlt sich die zusätzliche Gabe eines weiteren Nukleosidanalogons mit einem komplementären Wirkprofil. Idealer Kombinationspartner von Telbivudin wäre dann Adefovir. Schwieriger ist die Situation bei Patienten, die partiell ansprechen mit zwar nachweisbarer HBV-DNA, aber Werten unter 104 Kopien/ml. Wird der Patient mit einem Nukleosidanalogon mit niedriger genetischer Barriere für Resistenzen behandelt, plädierte Zeuzem ähnlich wie bei mangelhaftem Ansprechen für die Add-on-Therapie mit einem zweiten Nukleosidanalogon, das nicht kreuzresistent ist. Damit gelingt es am ehesten, die HBV-DNA "in den sicheren Hafen zu bekommen". Erhält der Patient dagegen eine antivirale Substanz mit hoher genetischer Barriere und/oder einem langsamen antiviralen Effekt, wie etwa Adefovir, sollte die Behandlung fortgesetzt und der Patient alle drei Monate beobachtet werden. Bei stetem Anfall kann weiterbehandelt werden, kommt es dagegen zu einer Stagnation der Viruslast oder einem Anstieg der HBV-DNA-Spiegel, ist es Zeit für eine Add-on-Therapie. Zeuzem betonte, dass Patienten, die "anbehandelt" sind, auch einem adäquaten Monitoring unterzogen werden müssen. "Der Rezeptblock darf nicht das Ende der Arzt-Patienten-Beziehung sein."
QuellePriv.-Doz. Dr. Thomas Berg, Berlin; Prof. Dr. Stefan Zeuzem, Frankfurt: Einführungspressekonferenz "Sebivo®: Virus im Fokus – Neue Perspektiven in der Therapie der chronischen Hepatitis B", Berlin, 14. Mai 2007, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg. Apothekerin Dr. Beate Fessler
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