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- DAZ 34/2007
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Onkologie
Mammakarzinom beim Mann – selten, aber gefährlich
Dabei tritt beim Mann ein Mammakarzinom weit häufiger auf, als gemeinhin angenommen wird. Und die Zahl der betroffenen Männer steigt stetig: Wurden in den 80er Jahren jährlich in Deutschland noch etwa 400 Fälle von Brustkrebs beim Mann registriert, so ist die Zahl mittlerweile auf 600 bis 800 Fälle pro Jahr angestiegen. "Wir müssen zusätzlich von einer gewissen Dunkelziffer ausgehen, da nicht jedes männliche Mammakarzinom tatsächlich als solches auch erkannt wird", sagt Priv.-Doz. Dr. Christian Rudlowski, Leitender Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik Bonn, der sich auf männlichen Brustkrebs spezialisiert hat. Männer sind bei der Diagnosestellung im Schnitt fast zehn Jahre älter als Frauen. Oft erfolgt die Diagnose erst in fortgeschrittenen Stadien, so dass dann die Prognose insgesamt schlecht ist.
Zum Thema "Mammakarzinom beim Mann" ist in der Öffentlichkeit wenig zu hören und zu lesen. "Das liegt ganz wesentlich am Problem der Zuständigkeit", so Rudlowski. Denn das "Organ Brust" ist vor allem Sache des Gynäkologen. Dort aber werden Männer oft nicht vorstellig. Und das auch dann nicht, wenn sie einen Knoten in der Brust verspüren sollten. Vielmehr suchen die betroffenen Männer in einem solchen Fall am ehesten den Dermatologen, den Urologen oder den Chirurgen auf, Facharztgruppen, die nicht immer ausreichende Erfahrungen bei der systemischen Behandlung des Mammakarzinoms besitzen können. Die Diagnose wird daher oft erst spät gestellt, eine fatale Situation, da die Heilungschancen beim Mann bei entsprechend früher Diagnose mindestens ebenso gut sind wie bei der Frau. Es gibt sogar Hinweise auf bessere Heilungschancen bei vergleichbaren Tumorstadien, wenngleich systematische Untersuchungen zu dieser Frage noch fehlen. Das Phänomen dürfte dadurch erklärbar sein, dass der Tumor beim Mann einer nicht so hohen Östrogenwirkung wie bei der Frau unterliegt und damit nicht so hohen Wachstumsreizen ausgesetzt ist.
A und O ist auch beim Mann die Früherkennung
Doch auch beim Mann gilt laut Rudlowski: "Wird die Diagnose verzögert erhoben, so verschlechtert sich zwangsläufig die Prognose", sagt der Gynäkologe, der sich an der Bonner Universitäts-Frauenklinik sehr in Sachen "männliches Mammakarzinom" engagiert. Dennoch werden die Chancen der Früherkennung häufig vertan, obwohl Knoten in der Brust des Mannes weit besser zu erfassen sind als bei der Frau: "Ein kleines Knötchen von weniger als einem Zentimeter lässt sich bei einer flachen, normal geformten Männerbrust sehr gut tasten", sagt der Bonner Frauenarzt. Bei der voluminöseren Brust der Frau ist dagegen ein etwa ein Zentimeter großer Knoten, der im mittleren Brustbereich liegt, selbst von erfahrenen Gynäkologen oft nicht zu ertasten. Doch das kleine Knötchen in der Brust des Mannes wird oft ignoriert, verkannt und dadurch häufig erst abgeklärt, wenn der Tumor durch die Haut hindurch gewachsen ist, Sekret absondert oder Schmerzen bereitet. Dann aber liegt in aller Regel bereits ein fortgeschrittenes Stadium vor. 50 bis 70% der männlichen Mammakarzinome werden laut Rudlowski leider in einem derart fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Bei den Frauen sieht die Situation weit besser aus, über 80% der Tumore werden dank der intensiven Bemühungen um die Brustkrebs-Früherkennung in einem frühen Tumorstadium entdeckt, zu einem Zeitpunkt also, zu dem ein kurativer Ansatz noch möglich ist. "Jeder Knoten in der männlichen Brust muss deshalb unverzüglich abgeklärt werden", fordert Rudlowski. "Denn Zysten oder Verkalkungen, wie sie bei Frauen vorkommen können, gibt es bei der männlichen Brust nur sehr selten".
Risikofaktoren beachten!
Als Symptome eines Mammakarzinoms beim Mann nennt der Brustkrebs-Experte neben dem Knoten in der Brust, Rötungen, Schuppungen und Verdickungen der Haut, eine Sekretbildung oder direkt Blutungen und insbesondere ein Einziehen der Brustwarze. Gefährdet sind besonders Männer, die genetisch vorbelastet sind, also Männer, deren Mutter, Großmutter oder Schwester an Brustkrebs erkrankten. Denn in Familien mit erblich bedingtem Brustkrebs, also mit Mutationen des Brustkrebsgens BRCA 1 oder 2, sind ebenso wie die Frauen auch die direkten männlichen Nachfahren gefährdet, ein Mammakarzinom zu entwickeln. Aber auch weitere genetische Faktoren scheinen beim männlichen Brustkrebs eine Rolle zu spielen. So konnte eine signifikant erhöhte Inzidenz von Mamma-, Ovarial- und Ohrspeicheldrüsenkarzinomen bei den Müttern, Schwestern und Töchtern von Männern mit einem Mammakarzinom im Vergleich zu deren Ehefrauen festgestellt werden. Hilfreich wäre hier eine genetische Beratung von Männern mit Brustkrebs und deren Angehörigen. Aber auch Männer mit Leberfunktionsstörungen bis hin zur Leberzirrhose haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko, weil die körpereigenen Östrogene nicht richtig abgebaut werden, akkumulieren und Wachstumsreize auf das Gewebe vermitteln. Ein erhöhtes Risiko besteht außerdem bei Hormonexposition des Mannes, sei es bei erhöhter Hormonbelastung der Nahrung, bei Bodybuildern, die Hormone zur Stärkung des Körpers einsetzen, oder bei Transsexuellen, die vor der operativen Geschlechtsumwandlung hormonell behandelt werden.
"Wir sehen außerdem regionale Häufungen", sagt Rudlowski. So gibt es nach seinen Worten zum Beispiel in West-Afrika Regionen mit ungewöhnlich hohen Brustkrebsraten beim Mann. "Die Gründe hierfür sind nicht genau bekannt, dürften aber genetischer Natur sein", sagt der Mediziner. Ein Grund für die Inzidenz-Zunahme ist nach seinen Worten zudem die allgemein steigende Lebenserwartung, da beim Mann wie auch bei der Frau mit zunehmendem Alter generell Krebserkrankungen häufiger werden und das gilt für die Brust genauso wie für andere Organe. "Überproportional häufig sind neben den vergleichsweise jungen Männern mit genetischer Belastung deshalb sehr alte Männer vom männlichen Brustkrebs betroffen", erläutert Rudlowski.
Am besten rasch ins Brustzentrum
Tritt ein Knoten in der Brust auf, so muss dieser laut Rudlowski unbedingt vom Fachmann untersucht werden, der betroffene Mann wendet sich am besten an ein zertifiziertes Brustzentrum. Dort wird ein interdisziplinäres Team aus Gynäkologen, Onkologen und weiteren Fachdisziplinen die Veränderung begutachten und eine entsprechende Diagnostik veranlassen mit Mammographie, Ultraschalluntersuchung und Gewebeprobe und Histologie. Steht die Diagnose, so wird eine adäquate Therapie eingeleitet. Obwohl es zurzeit noch keine prospektiven randomisierten Untersuchungen zur Optimierung des therapeutischen Vorgehens beim männlichen Mammakarzinom gibt, unterscheidet sich die Therapie kaum von der Krebsbehandlung des weiblichen Mammakarzinoms. So wird primär der Knoten entfernt zusammen mit den angrenzenden Lymphknoten, wobei sich im Bedarfsfall ebenso wie bei der Frau eine Chemo- und/oder Radiotherapie anschließt. Bei letzterer allerdings ist Vorsicht geboten, es sind die speziellen anatomischen Verhältnisse infolge des geringen Brustgewebes und der Nähe zur Lunge zu beachten.
Operationen oft noch zu radikal
Generell hinkt die Therapie des männlichen Mammakarzinoms noch deutlich hinter derjenigen der Frau her und der Bonner Gynäkologe kritisiert vor allem, dass nach wie vor sehr radikal operiert und fast immer der Brustkörper des Mannes inklusive Brustwarze entfernt wird: "Das aber ist meist nicht nötig, es ist genauso sicher, wenn der Knoten mit entsprechendem Sicherheitsabstand entfernt wird". Und ebenso wie bei der Frau ist längst nicht immer eine völlige Ausräumung der axillären Lymphknoten erforderlich, sondern die alleinige Entfernung des Wächterlymphknotens (Sentinel-Lymphknoten) ist auch beim Mann möglich. "Die Lymphabflusswege sind bei Mann und Frau anatomisch vergleichbar", gibt der Mediziner zu bedenken. "Es gibt daher keinen Grund, dieses schonende Verfahren beim Mann nicht anzuwenden". Einen deutlich höheren Stellenwert als beim Mammakarzinom der Frau hat beim Mann die Hormontherapie, da mehr als 90% der männlichen Mammakarzinome hormonempfindlich sind. Damit sind die Behandlungschancen mittels der Hormontherapie etwas besser als bei der Frau. Deutlich seltener liegen bei Männern demgegenüber HER2-positive Mammakarzinome vor, nur bei etwa 10% der Tumore ist der Wachstumsfaktor-Rezeptor HER2 überexprimiert, erklärt Rudlowski. Bei diesen Patienten ist allerdings eine Antikörper-Therapie sinnvoll. Auch beim psychoonkologischen Hintergrund sieht Rudlowski Unterschiede: So haben die meisten Männer keine Probleme mit dem Körperbild und keine Ängste vor einer "Verstümmlung". Genauso wie Frauen aber haben sie mit allgemeinen Ängsten im Hinblick auf die potenziell lebensbedrohliche Erkrankung und auch mit Ängsten hinsichtlich der Therapie zu kämpfen. Während Frauen in dieser Situation in der heutigen Gesellschaft eine breite Unterstützung erfahren können, ist dies bei Männern aber nicht der Fall. Selbsthilfegruppen für Männer mit Brustkrebs gibt es (noch) nicht und in den Selbsthilfegruppen für Frauen wären die Betroffenen, wenn sie denn dorthin gehen würden, zwangsläufig eine Art "Exot", erklärt Rudlowski.
Register für den Brustkrebs beim Mann geplant
Zusammen mit den entsprechenden Fachgremien versucht der Mediziner derzeit ein zentrales Register für das männliche Mammakarzinom in Deutschland zu etablieren. Über dieses Register sollen die Krankheitsfälle erfasst werden. Es kann direkt auch Hilfestellung geboten und ein versiertes Zentrum im Einzugsbereich vermittelt werden. Über das Zentrum soll auch versucht werden, männliche Brustkrebspatienten im Rahmen von Studien behandeln zu können. Das ist derzeit kaum möglich. Denn praktisch immer ist bei den Therapiestudien zum Brustkrebs das männliche Mammakarzinom bislang ein absolutes Ausschlusskriterium.
Christine Vetter, freie Medizinjournalistin
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