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- DAZ 34/2007
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Arzneimittel und Therapie
Nutzen und Risiko abwägen
Antidepressiva bei bipolaren Störungen
Patienten mit bipolaren Störungen leiden unter manischen und depressiven Phasen. Wenn in der depressiven Phase unterstützend ein Antidepressivum gegeben wird – dafür sind Antidepressiva nicht zugelassen – besteht die Befürchtung, den Phasenwechsel in die Manie zu beschleunigen. Durch überhängende depressive Einschläge könnte dann ein Suizid begünstigt werden. In einer randomisierten Studie wurde nun dieses Risiko untersucht: Es konnte kein erhöhtes Risiko für einen Wechsel in eine manische Phase beobachtet werden.
Personen mit bipolaren Störungen durchleben verschiedene Phasen, die jeweils Wochen oder Monate anhalten können. Während der depressiven Phase ist die Stimmung am Boden, die Betroffenen haben Konzentrationsschwierigkeiten, leiden unter Appetitlosigkeit und Schlafstörungen und entfalten kaum Aktivität. Während der manischen Phasen sind die gleichen Menschen dann bester Stimmung, überaktiv, eher aggressiv und schlafen wenig, häufig kommt ein sexuell exzessives Verhalten hinzu.
Das primäre Behandlungsziel einer Therapie ist es, die Stimmung zu stabilisieren. Dazu werden Lithium (z. B. Quilonum®), Valproinsäure (z. B. Ergenyl®), Carbamazepin (z. B. Tegretal®) oder auch Lamotrigin (z. B. Lamictal®) eingesetzt. Wenn trotz Therapie eine manische oder depressive Phase eintritt, stellt sich die Frage nach einer zusätzlichen Therapie der Phase, zum Beispiel mit Antidepressiva. Wirksamkeit und Sicherheit von Antidepressiva sind aber bei bipolaren Störungen nicht ausreichend untersucht, beispielsweise könnte durch die antidepressive Therapie eine manische Phase ausgelöst werden. Um dies zu untersuchen, wurde nun eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie durchgeführt, an der 366 Patienten teilnahmen. Alle Patienten wurden optimal auf eine Therapie mit stimmungsstabilisierenden Substanzen eingestellt. Dann wurden sie auf eine zusätzliche Therapie mit einem Antidepressivum oder Placebo randomisiert. Als Antidepressiva wurden Paroxetin oder Bupropion eingesetzt, diese werden in den USA am häufigsten – off label – bei der bipolaren Störung verordnet.
Das primäre Studienziel war eine mindestens über acht Wochen stabile Stimmung. Dies wurde bei 23,5% der Patienten mit zusätzlicher antidepressiver Therapie und bei 27,3% der Patienten mit zusätzlicher Placebo-Therapie erreicht. Damit war der Anteil stabiler Patienten in der Placebo-Gruppe etwas höher, wenn auch nicht signifikant.
… aber auch kein Risiko
Sicherheitsbedenken beruhen vor allem auf dem Szenario, dass eine antidepressive Therapie den Wechsel in eine manische Phase begünstigt – trotz Gabe von stimmungsstabilisierenden Substanzen. Weiter befürchtet man, dass es in der manischen Phase mit hoher Aktivität durch "überhängende" Einschläge aus der depressiven Phase häufiger zum Suizid kommen könnte.
In der Studie wurde kein erhöhtes Risiko für einen Wechsel in eine manische Phase beobachtet. Es ist auch in keiner Gruppe ein Suizid vorgekommen, in jeder Gruppe wurden drei Patienten wegen suizidaler Gedanken im Krankenhaus behandelt.
Bei der Interpretation der Studie muss man im Auge behalten, dass die Patienten in der Studie alle mit stimmungsstabilisierenden Substanzen behandelt wurden. Deshalb lässt die Studie keine allgemeine Aussage zum Risiko von Antidepressiva bei Patienten mit bipolarer Störung zu.
QuelleSachs GS, et al.: Effectiveness of adjunctive antidepressant treatment for bipolar depression. N Engl J Med 356, 1711–1722 (2007).
Belmaker R. H.: Treatment of bipolar depression. New Engl J Med 356, 1771–1773 (2007).
Apothekerin Bettina Martini
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