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Aus Kammern und Verbänden
Mecklenburg-Vorpommern
Zunehmender Wettbewerb – Hintergründe und Antworten
Beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 10. Oktober in Rostock-Warnemünde ging es nach einer Bestandsaufnahme zum Fremdbesitzverbot für Apotheken um die Positionierung in einem sich schnell verändernden Markt. Themen waren Marketing, Kooperationen und die Analyse des Rohgewinns.
Der Verbandsvorsitzende Axel Pudimat bedauerte, dass die wirtschaftliche Praxis des Apothekenbetriebs zunehmend von der Politik bestimmt werde. Viele nicht ausgereifte Lösungen seien nicht das Ergebnis einer Suche nach sinnvollen Lösungen, sondern eines zähen Ringens um Vorteile, Macht und Geld. Im Zusammenhang mit den Rabattverträgen ließ Pudimat Einzelheiten über einen "regelrechten Krimi" durchblicken, der sich vor einigen Wochen ereignet habe: Eine große Krankenkasse habe mitgeteilt, dass sie Substitutionen zwischen verschiedenen Darreichungsformen auch ohne entsprechende Erklärung des Gemeinsamen Bundesausschusses als zwingend betrachte, und für die Nichtbeachtung Retaxationen auf Null angedroht. Dies habe der Deutsche Apothekerverband durch die Androhung, die Rezepte dieser Krankenkasse nur noch gegen sofortige Bezahlung zu beliefern, verhindert.
Um völlige Rechtssicherheit zu erreichen, seien weitere Verhandlungen nötig. Hinsichtlich der Rabattverträge würden die Apotheker eine Quote für mögliche Abweichungen in Einzelfällen, eine Abgabegebühr als Ausgleich für ihren Aufwand, eine vernünftige Aufzahlungsregelung für Patienten und die transparente Verbuchung der Rabatte fordern. Weitere Probleme seien künftig durch Ausschreibungen für Hilfsmittel zu befürchten (siehe AZ 42, S. 2). Angesichts der Gesamtsituation riet Pudimat den Apothekern, Rücklagen zu bilden und sich Handlungsoptionen offen zu lassen.
Die apothekenrechtliche Lage zum Fremdbesitzverbot erläuterte der ABDA-Jurist Arndt Preuschhof. Das deutsche Fremdbesitzverbot ist Gegenstand eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), kann aber auch durch nationale Entscheidungen zum Versandhandel berührt werden, so durch das dm-Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Apothekenaußenschaltern. Die Politik habe offenbar aus dem Verfahren zum Versandhandel gelernt und werde vor einer Entscheidung des EuGH am Fremdbesitzverbot nichts ändern.
Der EuGH prüft, ob das deutsche Fremdbesitzverbot gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß EG-Vertrag verstößt und ob sich eine Behörde über eine nationale Bestimmung hinwegsetzen darf, auch wenn diese nicht evident dem Europarecht widerspricht. Inzwischen haben die Beteiligten ihre Stellungnahmen abgegeben. Zum Berichterstatter für das Verfahren wurde der tschechische Verfassungsrechtler Jiri Malenovsky bestimmt. Im weiteren Verlauf folgen eine mündliche Verhandlung und die Schlussanträge des französischen Generalanwalts Yves Bot, sodass eine Entscheidung nicht vor dem zweiten Halbjahr 2008 zu erwarten ist.
Preuschhof erinnerte an die Argumente der ABDA, insbesondere
- dass die Entscheidung über griechische Optiker nicht auf Apotheken übertragbar sei,
- dass die EU für Gesundheitssysteme nicht zuständig sei und
- dass die freien Berufe, die staatliche Aufgaben übernehmen, besonderen Regelungen unterworfen seien.
Letztlich sei die heilberufliche Verantwortung des Apothekers das entscheidende Argument gegen den Fremdbesitz.
Die Niederlassungsregeln für Apotheken in Italien, Österreich, Spanien und Frankreich sind Gegenstand von Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Die Bundesregierung habe sich nicht am Verfahren zum italienischen Fremdbesitzverbot beteiligt, weil dieses voraussichtlich erst nach dem deutschen Verfahren entschieden wird. Die anderen Verfahren befinden sich in noch früheren Stadien. So steht noch nicht fest, ob die EU-Kommission überhaupt eine Klage gegen die österreichische Bedarfsprüfung erheben wird. Gegen die spanischen Regelungen gibt es erst eine begründete Stellungnahme und gegen das französische Fremd- und Mehrbesitzverbot ein Mahnschreiben der EU-Kommission, also noch keine gerichtlichen Verfahren.
Preuschhof wandte sich gegen den von "Bauernfängern" propagierten Vorschlag, den Fremdbesitz freizugeben und eine Bedarfsprüfung für Apotheken einzuführen, um eine ungeregelte Situation zu verhindern. Diese Idee sei unhaltbar, weil eine Bedarfsprüfung einen stärkeren Eingriff des Staates darstelle als das Fremdbesitzverbot.
Als Fazit folgerte Dr. Heinz Weiß, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, die Apotheker sollten hinsichtlich des Fremdbesitzverbots in Ruhe abwarten und gelassen sein.
Richtig positionieren
Strategische Entscheidungen der Apotheker sind dagegen angesichts der veränderten Wettbewerbsbedingungen nach diversen Gesundheitsreformen gefragt, erläuterte Dr. Markus Preißner, Institut für Handelsforschung, Köln. Der Selbstmedikationsmarkt gewinne an Bedeutung, der Wettbewerb der Hersteller um Regalflächen in Apotheken nehme zu, und auch der preisaktive Massenmarkt wolle an der wachstumsstarken Gesundheitsbranche teilhaben. Außerhalb der Apotheken bestehe im Einzelhandel ein Trend zu hierarchischen Belieferungsformen über eine Konzern- oder Verbundzentrale. Viele verschiedene Betriebsformen stünden auf unterschiedlichen Ebenen in intensivem Wettbewerb, zudem würden sich die Branchen vermischen.
Apotheker sollten spontan drei Argumente nennen können, weshalb die Kunden gerade ihre Apotheke aufsuchen sollten. Sie sollten mehr Selbstwertgefühl zeigen und die Wettbewerbsvorteile und besonderen Leistungen ihrer Apotheken kommunizieren. Dazu sollten sie sich hinsichtlich Leistung, Bequemlichkeit für die Kunden und Preis klar positionieren. Preisvorteile können nur aufrecht erhalten werden, wenn die Apotheke auch Kostenführer ist oder wenn die niedrigpreisigen Produkte gemeinsam mit hochpreisigen Produkten verkauft werden können. Mengensteigerungen seien für Apotheken nur durch Verdrängungswettbewerb oder ein vergrößertes Einzugsgebiet zu erreichen, meist sei aber das Einzugsgebiet kaum zu verändern.
Bewusst kooperieren
Preißner betonte die Bedeutung des Apotheken-A und der eigenen Marke für das Bild der Apotheke. Dagegen könne er kaum erkennen, für welche Inhalte die Dachmarken verschiedener Apothekenkooperationen stehen. Vor dem Beitritt zu einer Kooperation sollten Apotheker daher sehr sorgfältig prüfen, welche Vorteile und Leistungen die Kooperation bietet und ob ihre inhaltliche Aussage zur eigenen Positionierung passt. Ein solcher Beitritt sei eine sehr langfristige und strategisch bedeutsame Entscheidung, weil eine spätere Korrektur den Kunden nur schwer zu vermitteln sei.
Rohertrag analysieren
Ansatzpunkte für betriebswirtschaftliche Verbesserungen in Apotheken können aus der Analyse des Rohertrages gewonnen werden, erklärte Uwe Stiftel, Pharmatechnik Rostock. Da die Daten der einzelnen Apotheken sich teilweise deutlich voneinander unterscheiden, können die Kennzahlen anderer Apotheken als Orientierung für Verbesserungsmöglichkeiten dienen. Für die Analyse seien unterjährige Daten erforderlich, um ungünstigen Entwicklungen rechtzeitig begegnen zu können. Da die Apotheken Mecklenburg-Vorpommerns 83 Prozent ihrer Umsätze im GKV-Markt erzielen (Bundesdurchschnitt 69 %), verdient dieses Segment in diesem Bundesland besonders große Beachtung. Aufgrund des Preisbildungssystems seien niedrige Packungswerte vorteilhaft.
Optimierungen bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln führen schnell zu Einkaufsmodellen der Großhändler, die auch hinsichtlich der Informationsbeschaffung Wettbewerbsvorteile bringen. Nach Einschätzung von Stiftel kann eine Apotheke bei den geltenden Rahmenbedingungen ohne die Einkaufsvorteile des Großhandels nicht betrieben werden, letztlich verdiene der Apotheker damit sein Geld. Die Analyse der umsatzstärksten Hersteller in der Apotheke zeige, wo sich der Direkteinkauf lohnen könne.
In Mecklenburg-Vorpommern beträgt der Netto-Verkaufspreis einer Sichtwahlpackung durchschnittlich 5,70 Euro und der Rohertrag 2,60 Euro, in der Freiwahl beträgt der durchschnittliche Netto-Verkaufspreis pro Packung 4,16 Euro und der Rohertrag nur 1,06 Euro. Zusatzverkaufsquoten um etwa 20 Prozent seien als sehr gut zu betrachten. Damit wird erfasst, bei welchem Anteil der GKV- oder PKV-Rezepte ein zusätzlicher Barverkauf stattfindet, auch wenn dieser vom Patienten ausgelöst wird. Bei Zusatzverkaufsquoten um 10 Prozent werde offenbar nicht aktiv verkauft. Ein durchschnittlicher Zusatzverkaufsbon habe einen Nettowert von 8,80 Euro. <tmb
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