GKV-Arzneimittelmarkt

Vom Preisdiktat zum Wettbewerb

Festbeträge, Rabattverträge, Erstattungshöchstbeträge, Preisverhandlungen, Zielpreisvereinbarungen – der deutsche GKV-Markt unterliegt vielfältigen Preis- und Mengeregulierungsmechanismen, die sich zum Teil gegenseitig beeinflussen und deren Wechselwirkungen immer schwerer zu durchschauen sind. Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die derzeitigen Einzelregulierungen und zeigen auf, inwieweit in diesem System bereits heute wettbewerbliche Elemente, wie z. B. dezentrale Preisverhandlungen, Platz greifen konnten. Auf dieser Grundlage werden verschiedene Aspekte dargestellt, die Einfluss auf die Determinanten und Nebenbedingungen haben, die von den Arzneimittel-Herstellern wie von den Apotheken bei der Vermarktung von Verschreibungsprodukten im GKV-Markt künftig zu beachten sind.

Seit In-Kraft-Treten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes am 1. April 2007 sind die Preise für Generika in der Summe um mehr als 800 Mio. Euro gesunken1 , dies entspricht einem Preisrückgang von ca. 30 Prozent. Hinzu kommen Preisminderungen aufgrund von Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Arzneimittel-Herstellern. Diese von den Vertrags-

partnern nicht veröffentlichten Preisnachlässe werden nach Schätzungen von Branchenkennern mit einer Größenordnung von ca. 5 bis 7 Prozent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers beziffert. Allein diese Zahlen machen deutlich, dass sich das Marktumfeld für Apotheker und Arzneimittel-Hersteller in kurzer Zeit entscheidend verändert hat. Mit dem GKV-WSG wurden vielfältige Regelungen festgeschrieben, die den unterschiedlichen Akteuren innerhalb des GKV-Arzneimittelmarkts Anreize geben, derartige Rabattvereinbarungen abzuschließen bzw. bei der Verordnung und Abgabe zu beachten. Das Wettbewerbsinstrument Rabattvertrag setzt dabei auf einem in den letzten Jahrzehnten immer dichter gewordenen Regulierungssystem auf. Dieses steht heute dem politisch gewollten Paradigmenwechsel entgegen, der mit der Einführung von solchen Wettbewerbselementen eingeleitet wurde. Dies hat zur Folge, dass der Abschluss von Rabattverträgen für die Arzneimittel-Hersteller zurzeit eher einem Preisdiktat als einer wettbewerbskonformen Preisverhandlung gleichkommt. Den Apotheken wiederum wird mit den Rabattverträgen ein enormer Umsetzungsaufwand oktroyiert –

derzeit sind fast 10 Mio. Datensätze in das Rabattmeldeverfahren eingebunden2 – ohne dass diesem Aufwand ein Nutzen des Einzelhandels gegenübersteht. Im Gegenteil – neben den größtenteils negativen Reaktionen der Kunden und einem hiermit verbundenen erhöhten Erklärungsbedarf, hat der Apotheker mit Lieferproblemen einiger Hersteller oder auch der Notwendigkeit einer Lagervergrößerung zu kämpfen. Die jetzige Situation ist damit weder aus Apotheker- noch aus Industriesicht wünschenswert. Vor diesem Hintergrund ist ergebnisoffen zu diskutieren, ob eine Deregulierung zugunsten einer Marktlösung nicht sowohl im Interesse der Marktteilnehmer als auch im Sinne der ordnungspolitischen Klarheit vom Gesetzgeber perspektivisch zu fordern ist.

Der deutsche GKV-Arzneimittelmarkt wurde, beginnend mit der Einführung der Festbeträge im Jahr 1989, einer immer größeren Dichte an Regulierungen unterzogen, die auf die Begrenzung der Ausgaben abzielen. Die Tabelle zeigt zunächst die verschiedenen Marktsegmente auf, die, wie im Anschluss erläutert, unterschiedlichen Preis- und Mengenregulierungsmechanismen unterliegen.

Im Jahr 2006 entfielen rund 78 Prozent aller Verordnungen auf Arzneimittel aus dem generikafähigen Markt (s. Abbildung 1). Hierzu zählen patentfreie Erstanmelder sowie die dazugehörigen Zweitanmelder. Damit ist der größte Teil des GKV-Arzneimittelmarktes derjenige, der auch den stärksten Regulierungsmechanismen unterlegen ist. Diese Mechanismen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Einerseits sozialrechtliche Regelungen, die für alle Marktteilnehmer verbindlich vorgegeben sind, und andererseits sozialrechtliche Rahmenbedingungen, die den Marktpartnern vertragliche Freiheiten, insbesondere die Möglichkeit zu Preisverhandlungen einräumen.

Allgemein verbindliche Regulierungsmechanismen. Nahezu der gesamte Generikamarkt ist abgedeckt durch Festbeträge. Diese werden von der GKV einheitlich und gemeinsam festgesetzt und stellen somit für alle Kassen und Versicherten eine verbindliche Erstattungshöchstgrenze dar. Für das Jahr 2007 erwarten die Krankenkassen einen Einsparbetrag von ca. 3,6 Mrd. Euro durch Festbeträge3 Die für die Hersteller bei ihrer Preisfestsetzung nicht verbindliche Erstattungshöchstgrenze hat sich jedoch in der Praxis unter den geltenden Wettbewerbsbedingungen als quasi verbindliche (Höchst-)preisregulierung erwiesen.

Verschärft wurde dieses Preissteuerungsinstrument der Festbeträge im letzten Jahr mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) durch die Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung für besonders günstige Arzneimittel. Voraussetzung hierfür ist die Festlegung eines Mindestpreisabstands von 30 Prozent zum jeweiligen Festbetrag durch die Krankenkassen, die diese Entscheidung in alleiniger Verantwortung treffen. Aktuell sind bereits ca. 50 Prozent aller verfügbaren Arzneimittel der drei Festbetragsstufen für die Versicherten zuzahlungsfrei4 Diese Regelung beschleunigt somit die ohnehin dem Festbetragsystem immanente Abwärtsbewegung der Preisspirale (s. Abbildung 3). Der Festbetrag verliert auf diese Weise zunehmend seine Funktion als Referenzgröße für die Festsetzung des Apothekenabgabepreises bzw. als Konkretisierung der Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven im Sinne des ursprünglich definierten gesetzgeberischen Ziels.

Auch die Bonus-Malus-Regelung bzw. die regionalen Alternativvereinbarungen, die das Verordnungsverhalten von Vertragsärzten steuern, tragen durch die Vorgabe bestimmter Leitsubstanzen, Vorordnungsquoten und DDD-Kosten zur Preis- und Mengenregulierung im Generikabereich bei. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesvertragspartner Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverbände die Bonus-Malus-

Regelung für das Jahr 2008 nicht fortgeschrieben haben. Grund hierfür sind nach Aussagen der Vertragspartner die Fülle an Regulierungsmechanismen – in erster Linie die Rabattverträge –, die die auf durchschnittlichen Tagestherapiekosten beruhende Regelung ad absurdum geführt haben.

Nicht zuletzt der zehnprozentige Herstellerzwangsabschlag auf Generika zeigt die Überregulierung dieses Marktbereichs deutlich auf: Sofern die zuvor genannten Steuerungsinstrumente die ihnen zugedachte Wirkung entfalten – und darauf deutet die Marktentwicklung hin – ist ein zusätzlicher Zwangsabschlag mit einer marktnahen Lösung nicht vereinbar. Vielmehr stellt der Zwangsabschlag einen dirigistischen Eingriff in ein marktwirtschaftliches Ergebnis dar, welches zuvor mit den beschriebenen Steuerungsmechanismen erreicht wurde. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Herstellerpreise durch den Abschlag in zahlreichen Fällen auf ein betriebswirtschaftlich ruinöses Niveau reguliert werden.

Einzelvertragliche Elemente zur Preissteuerung. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde wiederum an den "Stellschrauben" des Generikamarkts gedreht. Zahlreiche Regelungen, die Krankenkassen und Arzneimittel-Hersteller bewegen sollen, Rabattverträge für Arzneimittel zu schließen bzw. Ärzten Anreize geben, rabattierte Arzneimittel zu verordnen, sorgen nunmehr dafür, dass der Generikamarkt in Bewegung gerät. Das Interesse auf Kassenseite ist groß; so hatten wurden bereits am bis zum 15. Juni 2007 Rabattverträge für über 15.928 Handelsformen von 54 Herstellern durch 242 Krankenkassen abgeschlossen5 Wichtigster Motor der Rabattverträge ist die neue Aut-idem-Regelung. Hiernach müssen die Apotheker – vorausgesetzt die Anforderungen des Rahmenvertrags zwischen Krankenkassen und Apothekern sind erfüllt – ein Rabattarzneimittel der jeweiligen Krankenkasse abgeben. Auch für die Ärzte wirkt sich die Verordnung rabattierter Arzneimittel positiv aus. So sind Rabattpräparate unter bestimmten Voraussetzungen von der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der Bonus-Malus-Regelung ausgenommen.

Darüber hinaus greifen eine Reihe weiterer Maßnahmen intensiv in den Generikamarkt ein. Hierzu zählt die Möglichkeit sogenannter Zielpreisvereinbarungen. Apothekerverbände können mit Krankenkassen Durchschnitts- oder Zielpreise über Generika vereinbaren. Der einzelne Apotheker hat dann gegenüber der Krankenkasse den vereinbarten Preis zu garantieren. Neben den Rabattverträgen stellen die Zielpreisvereinbarungen somit ein weiteres Instrument dar, mit dem den Krankenkassen eine Verhandlungsmacht über Arzneimittelpreise eingeräumt wird.

Die Gesamtheit der beschriebenen Mechanismen hat Einfluss auf das Preisgefüge von Generika. So beläuft sich der Anteil der Generika nach Menge auf ca. 78 Prozent des Gesamtmarkts; der Umsatzanteil liegt jedoch aufgrund des unterdurchschnittlichen Preisniveaus nur bei rund 48 Prozent der Gesamtausgaben der GKV für Arzneimittel (s. Abbildung 2).

Abbildung 3 verdeutlicht die Wirksamkeit der Preisregulierungsmechanismen im Festbetragsmarkt, insbesondere mit dem In-Kraft-Treten des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes ab Mai 2006.

Patentgeschützter Markt

Die verbleibenden 20 Prozent des GKV-Arzneimittelmarkts nach Menge entfallen auf die patentgeschützten Präparate, von denen nur ein kleiner Teil durch Festbeträge reguliert ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Bereich der patentgeschützten Arzneimittel im Großen und Ganzen unreguliert ist:

Zunächst fällt für alle nicht festbetragsgeregelten Arzneimittel ein sechsprozentiger Herstellerzwangsabschlag an. Dieser ist analog zum zehnprozentigen Herstellerzwangsabschlag für Generika zu bewerten. Mit dem GKV-WSG wurden für den Bereich der patentgeschützten, nicht festbetragsgeregelten Arzneimittel zusätzliche Regulierungsmechanismen geschaffen:

Eine Kosten-Nutzen-Bewertung kann nunmehr für jedes erstmals verordnungsfähige Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen sowie für andere Arzneimittel, die von Bedeutung sind, durchgeführt werden. Soweit ein Zusatznutzen nach den Kriterien des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nicht belegbar ist bzw. die Kosteneffektivität des Zusatznutzens nicht gegeben ist, kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die entsprechenden Präparate von der Erstattung durch die GKV ausschließen. Die Bewertung des Zusatznutzens innovativer Präparate stellt innerhalb des GKV-Systems eine eine konzeptionelle Neuerung dar, da sie diese Präparate erstmals in eine unmittelbare Wettbewerbsbeziehung zu den patentfreien Arzneimitteln setzt.

Spezialpräparate, dazu zählen nach Definition des Arzneiverordnungs-Reports 2006 typischerweise Arzneimittel, die in der Transplantationsmedizin, in der Onkologie, bei AIDS-Patienten und in der Reproduktionsmedizin angewendet werden, machen mengenmäßig sind – gemessen an ihrem relativ kleinen Anteil am Verordnungsvolumen – für einen hohen Anteil der gesamten GKV-Arzneimittelkosten verantwortlich (Abbildungen 1 und 2). Mit dem GKV-WSG wurden auch für diesen Arzneimittelbereich Steuerungsinstrumente festgeschrieben. Die Verordnung sog. besonderer Arzneimittel, insbesondere von Spezialpräparaten mit hohen Jahrestherapiekosten und erheblichem Risikopotenzial, erfolgt durch den behandelnden Arzt in Abstimmung mit einem Arzt für besondere Arzneimitteltherapie. Die Festlegung von Erstattungshöchstbeträgen und die Durchführung von Kosten-Nutzen-Bewertungen ist auch für den Bereich der Spezialpräparate möglich.

Einige Kassenärztliche Vereinigungen, Vorreiter ist hier die KV Nordrhein, veröffentlichen Listen, auf denen nach bestimmten Kriterien Me-Too-Präparate (Analogpräparate) qualifiziert und aufgeführt werden. Die Ärzte sollen diese Arzneimittel – teilweise unter Androhung eines Regresses – nur noch in Einzelfällen verordnen.

Erstattungshöchstbetrag: Option zu Preisverhandlungen

Die oben stehenden, für den Markt der patentgeschützten Arzneimittel beschriebenen Regulierungsinstrumente sind für die Arzneimittel-Hersteller allgemeinverbindlich und somit zentraler Natur. Mit dem GKV-WSG wurde erstmals auch für dieses Marktsegment ein dezentrales Element eingeführt, das den Weg für individuelle Preisverhandlungen ebnet: Den Spitzenverbänden der GKV wurde die Möglichkeit zur Festsetzung eines Erstattungshöchstbetrags für Arzneimittel, die nicht in eine Festbetragsgruppe einbezogen werden können, gegeben. Grundlage hierfür ist eine Kosten-Nutzen-Bewertung durch das IQWiG. Abweichend von dieser zentralen Vorgabe eröffnet die Neuregelung auch die Option einer einvernehmlichen Festlegung des Erstattungshöchstbetrags zwischen Kasse und pharmazeutischem Hersteller, ohne dass dieser eine Kosten-Nutzen-Bewertung vorangegangen ist. Mit Einführung dieser dezentralen Regelung eröffnet der Gesetzgeber den Krankenkassen erstmals die Möglichkeit, mit Arzneimittel-Herstellern direkt über konkrete Arzneimittelpreise zu verhandeln. Prinzipiell ist diese Art der Preisverhandlung somit für den gesamten Patentmarkt abzüglich des Festbetragssegments anwendbar.

Herausforderungen für Apotheker und Arzneimittel-Hersteller

Generikaverordnungen haben einen Anteil von knapp 80 Prozent am deutschen Arzneimittelmarkt. Angesichts der Vielzahl der Steuerungsinstrumente, ob Festbeträge, Rabattverträge oder Bonus-Malus-Regelung, wird klar, dass dies zugleich der am stärksten regulierte Bereich des gesamten Arzneimittelmarktes ist. Insbesondere die Vielzahl der Rabattverträge, die innerhalb einer kurzen Zeit geschlossen wurden, zeigt deutlich auf, dass Vorstufen von Preisverhandlungen im größten Marktsegment schon heute das Geschehen bestimmen. Aber auch im Markt der innovativen, patentgeschützten Arzneimittel, der bislang relativ unreguliert und frei hinsichtlich der Preisgestaltung war, wurden mit dem GKV-WSG Voraussetzungen zu Preisverhandlungen geschaffen. Erstattungshöchstbeträge, die auch durch gezielte Preisverhandlungen festgelegt werden können, Kosten-Nutzen-Bewertung und das Zweitmeinungsverfahren bei der Verordnung von Spezialpräparaten werden voraussichtlich auch im Markt der patentfreien Arzneimittel schnell den politisch gewünschten Regulierungszweck erfüllen.

Zurzeit gilt noch, dass Ärzte –zumindest im Einzelfall – de jure nicht gezwungen sind, bestimmte Arzneimittel zu verordnen bzw. nicht zu verordnen. Aufgrund des steigenden Budgetdrucks ist die Bereitschaft bei Ärzten de facto jedoch gestiegen, rabattierte Produkte der Krankenkassen zu verordnen oder anderen Anreizsystemen und Steuerungsvorgaben seitens der Krankenkassen und KVen zu folgen. Verschiedene Analysen des Verordnungsgeschehens in einzelnen Indikationsbereichen sowie Vergleiche zwischen GKV- und PKV-Verordnungsstrukturen legen nahe, dass die Kassenärzte sich dem Trend zu einer zunehmend restriktiveren Verordnungsweise nicht entziehen können und dass es infolgedessen auch zur Unterversorgung und Therapielücken in bestimmten Bereichen kommt.

Dynamik des Kassenwettbewerbs verstärkt sich

Die durch den Gesetzgeber neu definierten Rahmenbedingungen für den Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen untereinander sowie mit den privaten Krankenkassen werden künftig die Wettbewerbsdynamik auch mit Rückwirkungen auf die Arzneimittelversorgung weiter verstärken. Insbesondere nach Einführung des Gesundheitsfonds und der damit verbundenen Möglichkeit von Zusatzbeiträgen der Versicherten wird sich der Wettbewerb der Kassen stark auf das Leistungsspektrum im Rahmen eines Basistarifs konzentrieren. Dadurch wird der Druck zur Ausschöpfung weiterer Wirtschaftlichkeitsreserven bzw. zum Abschluss noch preisaktiverer Rabattverträge weiter zunehmen. Faktisch führt dies auch zu einer immer stärkeren Dezentralisierung des konkreten Leistungsspektrums z.B. im Arzneimittelbereich.

Auch ohne weitere gesetzliche Eingriffe sind die derzeit geschaffenen Rahmenbedingungen somit hinreichend, um die Bedeutung von "einheitlich und gemeinsam getroffenen Entscheidungen" zu Fragen des Leistungsumfangs und den Preisen von GKV-Leistungen immer stärker in den Hintergrund zu drängen. Die sozialrechtlichen Regelungen bieten bereits aktuell das Potenzial für eine weit überwiegend an Marktkräften und Verhandlungsmacht orientierte Entwicklung der Versorgungsstrukturen im GKV-Arzneimittelmarkt. Demgegenüber bleiben den pharmazeutischen Unternehmern lediglich die im Vergaberecht festgelegten Schutzrechte.

Paradigmenwechsel ist vollzogen

Im Hinblick auf die eingangs gestellte Frage, in wie weit "mehr Markt" wünschenswert ist, bleibt festzustellen, dass bereits heute große Segmente des GKV-Arzneimittelmarkts durch Preisverhandlungen beispielweise in Form von Rabattvereinbarungen geprägt sind. Der Paradigmenwechsel, weg von einem zentral regulierten Arzneimittelmarkt mit GKV-einheitlichem Leistungs- und Erstattungsumfang hin zu einem dezentralen, auf individuellen Preisverhandlungen beruhenden System, ist somit bereits vollzogen. Die ordnungspolitische Marschrichtung hat der Gesetzgeber somit durch die beschriebene Einführung dezentraler wettbewerblicher Strukturelemente im Arzneimittelmarkt klar vorgegeben.

Erweisen sich die genannten Elemente für die GKV mittelfristig als "erfolgreich", ist davon auszugehen, dass auf dieser Grundlage von der Politik weitere Reformschritte entwickelt werden.

Die neuen Rahmenbedingungen stellen die Marktteilnehmer vor große Herausforderungen, insbesondere mit Blick auf die Verhandlungssituation gegenüber dem Nachfragemonopol der Krankenkassen. In diesem Zusammenhang dürfte es – zumindest aus Industrie- und Apothekersicht – unstrittig sein, dass die Anwendung des Unternehmensbegriffs auf die Krankenkassen, respektive deren Unterstellung unter das Kartellrecht, ein längst überfälliger Schritt ist.

Andere denkbare Deregulierungsschritte, die sich auf die oben beschriebenen Steuerungsinstrumente beziehen, sind weniger einfach zu bewerten. Zu berücksichtigen ist dabei aber das Bekenntnis des Gesetzgebers zu einer Marktlösung, das den Vorzug bietet, einen eindeutigen und transparenten Rahmen vorzugeben. Ob die zurzeit zahlreich vorhandenen Dirigismen auf Hersteller-, Arzt-, Apotheker- und Großhandelsebene vor diesem Hintergrund weiterhin eine Berechtigung haben, ist aus der jeweiligen Interessenlage heraus zu hinterfragen und dürfte künftig verstärkt Gegenstand der standes- und pharmapolitischen Debatte sein.

Anschrift der Verfasser:

Cosima Kötting, Referentin im Bereich Arzneimittel in der Gesetzlichen Krankenversicherung

Dr. Uwe May, Abteilungsleiter Gesundheitsökonomie und Grundsatzfragen Selbstmedikation

Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. – BAH, Ubierstraße 71 – 73, 53173 Bonn
1 IMS Health 2007

2 ABDA-Pressemeldung vom 31. August 2007
4 BKK-Bundesverband. Arzneimittel Vertragspolitik 2007
3 BKK-Bundesverband. Pressemitteilung vom 1. Juli 2007
5 Gesundheitspolitischer Informationsdienst. 12. Jahrgang, Nr. 22 vom 10. Juli 2007

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