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- DAZ 43/2007
- Enuresis-Therapie
Arzneimittel und Therapie
Enuresis-Therapie
Ausschleichen verbessert das Therapieergebnis
Zur Behandlung des nächtlichen Einnässens liegen neue Studienergebnisse vor, die zeigen, dass individualisierte Konzepte bei Anwendung von Desmopressin die Therapie signifikant verbessern können. Bei dem synthetischen Analogon zum natürlichen humanen L-Arginin-Vasopressin ist die vasopressorische Wirkung weitgehend nicht mehr vorhanden, während die antidiuretische Wirkung um ein Vielfaches gesteigert ist. Desmopressin erhöht in den distalen Nierentubuli und den Sammelrohren der Niere die Permeabilität für Wasser und damit die Wasserrückresorption aus dem Primärharn.
Nächtliches Bettnässen (Enuresis) zählt zu den häufigsten körperlichen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Fast 10% der Siebenjährigen und ca. 5% der Zehnjährigen sind davon regelmäßig betroffen. Die Erkrankung kann das Selbstwertgefühl der Kinder stark beeinträchtigen und vermindert darüber hinaus die Lebensqualität der ganzen Familie. Während man früher glaubte, dass die Enuresis spätestens nach der Pubertät ausgeheilt ist, zeigen neueste Studienergebnisse, dass sie bei Nichtbehandlung bei bis zu 3% der Patienten persistiert. Anders als bei Kindern ist jedoch im Erwachsenenalter eine erfolgreiche Enuresistherapie praktisch nicht mehr möglich.
Bei der Behandlung der Enuresis im Kindesalter wird meist mit einer Verhaltenstherapie ("Urotherapie") begonnen. Sie umfasst hauptsächlich:
- Motivation und Aufklärung;
- Kontrolle des Trink- und Miktionsverhaltens mithilfe von Protokollen;
- Biofeedbacktraining;
- Alarmtherapie.
Führen diese Maßnahmen nicht zum Erfolg, kommen in erster Linie Wirkstoffe wie das synthetische Vasopressinanalogon Desmopressin und Anticholinergika (z. B. Propiverin, Oxybutynin) zum Einsatz. Bei fehlendem oder unbefriedigendem Erfolg werden diese Therapieoptionen teilweise auch kombiniert angewendet.
Basis für die derzeitigen Therapiekonzepte ist der heutige Wissensstand, nach dem eine primäre Enuresis wahrscheinlich keine psychischen Ursachen hat, sondern auf einer Reifungsverzögerung der neurogenen Blasenkontrolle und/oder einem Mangel an antidiuretischem Hormon (Vasopressin) beruht. Darüber hinaus werden eine eingeschränkte Blasenkapazität und eine familiäre Disposition als Ursachen der Enuresis diskutiert. Statistiken zufolge beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Kind Enuresis auftritt 45%, wenn ein Elternteil früher Bettnässer war und 75%, wenn beide Eltern betroffen waren.
Ausschleichen statt Absetzen
Die Erfolgsquote einer Enuresisbehandlung ist nicht immer zufriedenstellend, die Rückfallrate häufig hoch. So haben beispielsweise mehrere europäische Studien zur Desmopressin-Therapie aus den Jahren 2000 und 2001 Erfolgsquoten zwischen 40 und 80% und Rückfallquoten zwischen 30 und 50% gezeigt.
Eine kürzlich veröffentlichte deutsche multizentrische Studien hat ergeben, dass sich der Therapieerfolg signifikant verbessern lässt, wenn Desmopressin nach einem standardisierten Therapieschema ausgeschlichen wird. Der Hauptteil der 491 Patienten der Studie war im typischen Enuresisalter von unter zehn Jahren (58% bis sieben Jahre, 29% acht bis zehn Jahre). 314 von ihnen wurden mit Ausschleichen, 173 ohne Ausschleichen behandelt. Beim Ausschleichschema wurde das Kind zunächst in einer zweiwöchigen Aufbauphase auf Desmopressin (0,2 mg oral bzw. 0,2 µg intranasal) eingestellt. Nässte das Kind in dieser Zeit ein, wurde in der sich anschließenden acht- bis zehnwöchigen Erhaltungsphase mit 0,4 mg Desmopressin oral bzw. 0,4 µg intranasal behandelt, ansonsten behielt man die 0,2-mg- bzw. 0,2-µg-Dosis bei. Daran schloss sich die Ausschleichphase mit einer stufenweisen Wirkstoffreduktion in zweiwöchigen Abständen an. Zunächst wurde Desmopressin zwei Wochen lang jeden zweiten Tag, dann zwei Wochen lang jeden dritten Tag und schließlich zwei Wochen lang einmal wöchentlich verabreicht. Nässte ein Kind in der Ausschleichphase ein, ging man auf das letzte Dosierungsschema, mit dem Trockenheit erreicht worden war, zurück.
Starke Reduktion der Nonresponder-Rate
Die Ansprechraten der Studie waren definiert als Response (> 90% Reduktion der nassen Nächte), Teilresponse (50 – 90% Reduktion) und Nonresponse (< 50% Reduktion). Bei den 173 Kindern mit abruptem Therapieende wurden 51% Response, 27% Teilresponse und 22% Nonresponse beobachtet. Die ausschleichende Gruppe zeigte 72% Response, 24% Teilresponse und nur 4% Nonresponse (p < 0,001). Außerdem ergab sich, dass der Anteil der geheilten Kinder (weniger als zwei nasse Nächte pro Monat, siehe Kasten Definition) einen Monat nach Therapieende in der ohne Ausschleichen behandelten Gruppe bei 57%, in der Ausschleichgruppe dagegen bei 80% lag.
Als Grund für die besseren Ergebnisse beim Ausschleichen wird vermutet, dass durch die schrittweise Reduktion des Desmopressin-Spiegels die Reifung der körpereigenen Produktion des antidiuretischen Hormons stimuliert wird.
QuelleProf. Dr. Klaus-Peter Jünemann, Kiel, Dr. Arne-Daniela Marshall-Kehrel, Frankfurt, Prof. Dr. Paul Eggert, Kiel: "Neue Forschungsergebnisse in der Enuresis-Therapie", Berlin, 26. September 2007, veranstaltet von der Ferring Arzneimittel GmbH, Kiel.
Risikoinformation des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 24. Mai 2007, www.bfarm.de
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
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