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Schwerpunkt Husten
Erkältungshusten
Nach der Marktrücknahme von Clobutinol stellt sich die Frage, wie die Datenlage bei den jetzt als Alternativen angebotenen apothekenpflichtigen Hustenpräparate ist. Welche sind wann zu empfehlen, wann ist besondere Vorsicht geboten? Wir haben Dr. Peter Kardos um eine Bewertung gebeten. Dr. Kardos ist Erstautor der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit akutem und chronischem Husten.
Die überraschende Marktrücknahme von Clobutinol (s. Deutsches Ärzteblatt vom 31. August 2007; Deutsche Apotheker Zeitung 2007; 36, S. 48), einer seit 40 Jahren rezeptfrei erhältlichen Substanz, wirft aktuelle Fragen zu den Antitussiva auf und macht eine Neubewertung des Nutzen/Risikoverhältnisses erforderlich. In seltenen Fällen wurden unter Clobutinol Herzrhythmusstörungen (Torsades de pointes), die mit Synkopen einhergehen können, beobachtet.
Zwar traten diese Nebenwirkungen extrem selten auf, der relativ geringe therapeutische Nutzen lässt aber das Nutzen/Risikoverhältnis so erscheinen, dass Boehringer Ingelheim (und die Generikahersteller) das Präparat vom Markt genommen haben. Die Zulassung ruht.
Es stellt sich also die Frage nach dem therapeutischen Nutzen von Clobutinol im Speziellen und von Antitussiva im Allgemeinen.
Zwar ist Husten das Symptom praktisch aller pneumologischen und einiger nicht-pneumologischer Erkrankungen (wie Herzrhythmusstörungen oder gastroösophagealer Reflux). Insbesondere bei schweren chronischen Erkrankungen wie Tuberkulose oder Bronchialkarzinom, aber auch COPD und Asthma, kann der Husten ein erhebliches therapeutisches Problem sein, mit Auswirkungen auf die Umgebung (Ansteckungsgefahr bei offener Tuberkulose erhöht), auf die Krankheit (der Asthmapatient "hustet sich in einen Asthmaanfall hinein") oder auf die Lebensqualität des Patienten und dessen Umgebung.
Anzustreben ist stets eine kausale Therapie des Hustens (die Chemotherapie der Tuberkulose, die Lungenresektion bei Bronchialkarzinom). In vielen Fällen ist aber eine solche kausale Therapie entweder nicht verfügbar (inoperables Bronchialkarzinom) oder der Eintritt der Wirkung ist zu langsam (Tuberkulosetherapie). Hier ist die Zeit bis zum Wirkungseintritt gegebenenfalls mit Antitussiva zu überbrücken. Mangels besserer Substanzen ist der Goldstandard für die antitussive Therapie Codein und seine Derivate (Dihydrocodein, Hydrocodon). Sie wirken bei Patienten (mit respiratorischer Globalinsuffizienz) schon in therapeutischen Dosen atemdepressiv und führen häufig zur Obstipation. Problematisch ist das Abhängigkeitspotenzial.
Dass Husten aber die häufigste oder zweithäufigste Beschwerde [1] überhaupt ist, weshalb Patienten einen Arzt aufsuchen, ist auf das Konto des akuten Hustens zurückzuführen, der banale Erkältungsinfekte begleitet. Gerade hier sind aber Codeinderivate wenig wirksam [2].
Bei akutem Erkältungshusten sind der Einsatz und das Nutzen/Risikoverhältnis von Antitussiva anders einzuschätzen als bei chronischem Husten zum Beispiel infolge eines Bronchialkarzinoms. Hierbei handelt es sich um ein Symptom, das in der Regel nach sieben bis zehn Tagen spontan abklingt. Lediglich bei Verursachung durch bestimmte Erreger wie Adenoviren, Mykoplasmen und Bordetella pertussis kann der Husten auch monatelang anhalten.
Welche Alternativen stehen für den akuten Erkältungshusten nach dem Ruhen der Zulassung für Clobutinol zur Verfügung?
Paradoxe Empfehlung: Sekretolytika
Traditionell werden rezeptfreie Sekretolytika für diese Indikation verwendet, obwohl sie keinesfalls immer (subjektiv) wirksam sind. Unter den chemisch definierten Substanzen sind beispielsweise N-Acetylcystein und Ambroxol oder pflanzliche Präparate wie Cineol, Efeu, Eukalyptus, Primeln oder Thymian zu erwähnen. Die Verordnung von Sekretolytika bei trockenem Husten, wie er bei Erkältungsinfekten zumindest in der Initialphase auftritt, mag sich paradox anhören. Sie war durch die unbegründete Angst vor einer Sekretretention unter Antitussiva, zu erklären.
SchwierigerWirksamkeitsnachweis
Der objektive Nachweis der Wirksamkeit einer solchen Therapie ist sehr schwierig, zumal der Erkältungshusten mit und ohne Antitussiva oder Sekretolytika spontan abklingt. Es ist auch sehr schwierig, den erforderlichen Wirksamkeitsnachweis in modernen doppelblinden randomisierten Studien zu erbringen, da es keine anerkannte, validierte objektive Messmethode für den Husten gibt. Nicht einmal definiert ist der Husten als Endparameter einer Studie: Sollte man einzelne Hustenstöße, Hustenattacken oder beispielsweise alle Hustenstöße, die im Rahmen einer einzigen Exspiration auftreten, zählen? Wie ist die Intensität des Hustens mit in die Beurteilung einzubeziehen? Trotzdem gibt es neuerdings Arbeiten bei einigen hundert Patienten mit akutem Erkältungshusten, die anhand von Hustenscores auf eine Wirksamkeit beispielsweise von pflanzlichen Sekretolytika (etwa zwei Tage schnelleres Abklingen des Hustens und anderer Symptome) [3] hinweisen.
Linderung durch abschwellende Antihistaminika
Die Diagnose "akute Bronchitis" führt eigentlich oft in die Irre. Die Ursache für den akuten Erkältungshusten dürfte am häufigsten gar nicht in den unteren, sondern vielmehr in den oberen Atemwegen (Rhinitis, Sinusitis, Laryngitis, Pharyngitis) liegen. Insbesondere bei verlegter Nasenatmung helfen abschwellende Nasentropfen (für die Anwendung für maximal 14 Tage, meist reichen vier bis fünf Tage aus), eventuell auch die orale Kombination von Pseudoephedrin mit abschwellenden, anticholinerg wirksamen älteren Antihistaminika. In den USA ist Letztere oft die Selbsttherapie der ersten Wahl.
Kardiale Nebenwirkungen unter Pseudoephedrin
Allerdings warnte die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) gerade in der letzten Zeit – erstaunlicherweise das allererste Mal nach jahrzehntelanger OTC-Anwendung – neben dem Suchtpotenzial vor den gut bekannten kardialen Nebenwirkungen (Tachykardie, Vorhofflimmern und anderen Arrhythmien) des Pseudoephedrins.
Inhalative Corticosteroide bei Hyperreagibilität
Oft ist für einen anhaltenden Husten nach akuten Erkältungsinfekten eine durch den Infekt ausgelöste bronchiale Hyperreagibilität verantwortlich. Diese Hyperreagibilität manifestiert sich nicht als Infektasthma, da keine Luftnot auftritt. Es handelt sich um den so genannten postinfektiösen Husten. Inhalative Corticosteroide helfen innerhalb weniger Tage den Husten zu "heilen", der im Übrigen zwei bis drei Monate oder länger anhalten kann. Auch inhalative (bei Kleinkindern orale) Beta-2-Adrenergika sind wirksam.
Antibiotika ohneentscheidende Vorteile
Antibiotika sind keine Alternative, obwohl sie oft verordnet werden. Der Erkältungshusten ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch Viren (meist Rhinovirus) verursacht. Es ist umstritten, ob eine primär bakterielle akute Bronchitis überhaupt existiert (abgesehen von "atypischen" Bakterien wie Chlamydophila und Mycoplasma). Antibiotika bringen in Metaanalysen für diese Indikation beim Abklingen des Hustens zwar einen geringen Zeitvorteil, der sich in Stunden misst, dafür aber vermehrt Nebenwirkungen im Vergleich zu Placebo [4]. Wir möchten jedoch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es beim akuten Erkältungshusten zwischen Placebo und Nichtbehandlung einen signifikanten Unterschied gibt – zugunsten des Placebos [5].
Antitussiva: Oft fehlenDaten zur Sicherheit
Antitussiva können bei Erkältungshusten ebenfalls verordnet werden. Die verschreibungspflichtigen Codeinderivate sind bei den Ärzten nicht beliebt, da sie bei der banalen Indikation "akute Bronchitis" das überspannte Arzneimittelbudget belasten. Sie sind bei dieser Indikation zudem weniger wirksam als bei chronischen Husten [2].
- Dextromethorphan. Die mit Abstand am besten dokumentierte rezeptfreie Substanz ist Dextromethorphan. Sie ist in den USA sehr populär. Das Abhängigkeitspotenzial soll geringer sein als bei Codein, kardiale Nebenwirkungen sind nicht bekannt und bei dem Opioid nicht zu erwarten. Spezielle Studien zur Sicherheit sind allerdings nicht bekannt.
- Noscapin ist ebenfalls ein Opioid. Die Dokumentation seiner antitussiven Wirksamkeit stammt aus den 1950-er bis 1970-er Jahren.
- Pentoxyverin ist am wenigsten gut dokumentiert, es liegen 40 Jahre alte Arbeiten vor.
- Dropropizin/Levodropropizin. Für Dropropizin und Levodropropizin liegen Arbeiten aus Ende der 1990-er Jahre vor. Meistens handelt es sich um Tierversuche, Laborversuche zur Suppression des induzierten Hustens bei Gesunden und um wenige klinische Studien mit kleiner Probandenzahl. Relevante Informationen zur Sicherheit sind aus diesen kleinen Studien kaum abzuleiten.
- .Benproperin. Für die Pharmakokinetik von Benproperin liegen Arbeiten aus den letzten Jahren vor, die klinische Wirkung ist wenig dokumentiert. Mir sind keine klinischen Studien bekannt, die Rückschlüsse auf die Sicherheit ergeben würden.
- Spitzwegerich wird in der Roten Liste unter "pflanzliche Antitussiva" geführt, klinische Studien zum Wirksamkeitsnachweis und Nebenwirkungen sind mir nicht bekannt.
Auch seltene Nebenwirkungen sind inakzeptabel
Rezeptfreie Antitussiva werden am häufigsten für den akuten Erkältungshusten genommen, der wissenschaftliche Nachweis ihrer Wirksamkeit ist schwierig und teilweise nicht erbracht [6]. Nach Rücknahme von Clobutinol können in erster Linie Dextromethorphan und chemisch definierte sowie einige pflanzliche Sekretolytika empfohlen werden, die sowohl für ihre Wirksamkeit, als auch für die Nebenwirkungen am besten dokumentiert sind. Zwei Prinzipien müssen dabei beachtet werden: Selbst Placebo wirkt bei dem Erkältungshusten signifikant besser als keine Therapie [5]. Andererseits heilt der Erkältungshusten in der Regel nach acht bis zehn Tagen auch spontan aus; daher können selbst extrem seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen von potenziellen Therapeutika in dieser Indikation nicht in Kauf genommen werden. Länger als acht Wochen anhaltender Husten bedarf der Abklärung durch den Arzt (auch Röntgenaufnahme der Thoraxorgane, Lungenfunktion), da dahinter schwer wiegende Erkrankungen, wie ein Bronchialkarzinom stecken könnten. <
Quelle[1] Office Visits to Internists: The National Ambulatory Medical Care Survey 1975. 36, 4-29. 1978. Washingtion D.C., US DHEW Publication PHS 79-1787. Vital and Health Statistics Series 13.
[2] Eccles R, Morris S, Jawad M: Lack of effect of codeine in the treatment of cough associated with acute upper respiratory tract infection. J Clin Pharm Ther 1992; 17: 175-180.
[3] Kemmerich B, Eberhardt R, Stammer H: Efficacy and tolerability of a fluid extract combination of thyme herb and ivy leaves and matched placebo in adults suffering from acute bronchitis with productive cough. A prospective, double-blind, placebo-controlled clinical trial. Arzneimittelforschung. 2006; 56: 652-660.
[4] Smucny J, Fahey T, Becker L et al.: Antibiotics for acute bronchitis. Cochrane. Database. Syst. Rev. 2000; CD000245.
[5] Eccles R: The powerful placebo in cough studies? Pulm Pharmacol Ther 2002; 15: 303-308.
[6] Schroeder K, Fahey T Systematic review of randomised controlled trials of over the counter cough medicines for acute cough in adults. BMJ; 2002; 324:329.
Dr. med. Peter Kardos
Gemeinschaftspraxis & Zentrum
Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin
Klinik Maingau + Scheffelstraße 33
60318 Frankfurt am Main
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