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DPhG-Jahrestagung
Nachmittag der Offizinpharmazie
Die Anfänge der Synthesen mit Polymer-gebundenen Reagenzien datieren bereits aus den 40er-Jahren, als die Firma I.G. Farbenindustrie AG in Wolfen erfolgreich Veresterungen unter Verwendung synthetischer Ionenaustauscher-Harze durchführte.
Heute stellen Syntheseverfahren mit Reagenzien, die an Polymere wie Gele oder makroretikuläre Harze gebunden sind, eine faszinierende Alternative zu konventionellen organischen Festphasen-Synthesen dar.
Gemeinsamer Vorteil der angewandten Technologien ist, dass die historisch gewachsene Trennung von Synthese und anschließender Aufarbeitung konzeptionell überwunden ist, denn die verwendeten Trägermaterialien ermöglichen eine einfache Phasentrennung durch Filtration. Beim Vergleich der beiden Syntheseverfahren zeigt sich aber ein prinzipieller Unterschied: Während bei einer Synthese an Festphasen das Produkt an derselben verankert und modifiziert wird, kann es bei der Verwendung Polymer-gebundener Reagenzien in Lösung verbleiben. Der Erfolg der Synthese kann damit sehr viel einfacher analytisch verfolgt werden.
Problematisch bei dieser Synthesemethode sind allerdings winzige Polymertrümmer, erläuterte Link. Sie sind bei einer Reinheitsuntersuchung mittels HPLC "unsichtbar", da sie auf der Vorsäule zurückgehalten werden und nicht zum Detektor gelangen. Die Herausforderung besteht nun darin, die Entstehung dieser Bruchstücke zu vermeiden oder wenigstens deren Abtrennung sicherzustellen. Denn in biologischen Testsystemen können polyfunktionalisierte Harzbruchstücke mit Biomolekülen wechselwirken, was verhindert werden muss.
Potenzielle Wirkstoffe gegen Trypanosomen
Link betonte, dass effiziente Polymer-gebundene Reagenzien bei der Entwicklung nachhaltiger, kontinuierlicher Arzneistoffsynthese-Verfahren in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. In seiner Arbeitsgruppe werden diese Methoden genutzt, um möglichst rasch und in hoher Ausbeute Substanzreihen für biologische Testungen herzustellen. Ein Beispiel dafür sind Adenosin-Analoga, die gegen humanpathogene Trypanosomen (wie zum Beispiel den Erreger der Afrikanischen Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei) wirksam sein könnten. Die Adenosin-Analoga hemmen ein Enzym, das für die Energiegewinnung der Trypanosomen essenziell ist, und stellen daher potenzielle antiparasitäre Wirkstoffe dar. cb
Prävention von Darmkrebs und Sucht
Darmkrebs rechtzeitig erkennen
Darmkrebs (kolorektales Karzinom) ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen in Deutschland die zweithäufigste Tumorart. Jährlich werden etwa 71.000 Neuerkrankungen und 29.000 Sterbefälle registriert. Da die Inzidenz ab dem 50. Lebensjahr deutlich ansteigt, handelt es sich um eine typische "Erkrankung der Lebensmitte", erläuterte Dr. med. Frank Peter Lücking von der Felix Burda-Stiftung, München, in seinem Referat über "Darmkrebsvorsorge – gewusst wie!". Vor diesem Hintergrund umfasst die gesetzlich geförderte Darmkrebsvorsorge ab dem 50. Lebensjahr einmal jährlich eine gezielte Anamnese, eine digitale rektale Untersuchung sowie einen Stuhltest (Test auf okkultes Blut). Zusätzlich wird im 55. und 65. Lebensjahr jeweils eine Darmspiegelung (Koloskopie) von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Darüber hinaus erstattet die GKV eine Koloskopie auch in anderen Lebensaltern, wenn der Haus- oder Facharzt im Rahmen der Anamnese ein familiäres Risiko festgestellt hat.
Familiäre Belastung ernst nehmen
Lücking wies darauf hin, den Verdacht auf eine genetische Belastung mit Darmkrebs sehr ernst zu nehmen, denn in etwa 20 bis 25 Prozent der Fälle ist eine familiäre Häufung der Erkrankung zu beobachten. Seiner Ansicht nach kann die Apotheke mit einfachen Mitteln dazu beitragen, die Kunden stärker für diese Problematik zu sensibilisieren. Beispielsweise durch Auslegen eines Fragebogens zum familiären Darmkrebs-Risiko (siehe Kasten "Internet"), in dem dieses in vier einfachen Fragen abgeschätzt wird. Damit können auch die Personen erfasst werden, die das Risiko tragen, bereits im jungen Erwachsenenalter an einer erblichen Darmkrebsform wie HNPCC (Hereditary Non-Polyposis Colorectal Cancer, Lynch-Syndrom) oder FAP (Familiäre Adenomatöse Polyposis) zu erkranken. Bei diesen Personen muss die Vorsorge viel früher einsetzen – die gesetzlich geförderte Vorsorge ab dem 50. Lebensjahr würde für sie zu spät kommen. Als Faustregel für den Beginn der Vorsorge bei einem Menschen, dessen Verwandte von Darmkrebs betroffen waren oder sind, nannte Lücking: Erkrankungsalter des Verwandten minus 10.
Weitere Präventionsmöglichkeiten in der Apotheke
Über die Hinweise auf das familiäre Risiko hinaus kann die Apotheke weitere Maßnahmen ergreifen, betonte Lücking. So sollten Kunden, die in der Selbstmedikation häufig Hämorrhoidensalbe kaufen, besonders sorgfältig beraten werden. Blutungen aus dem After müssen nicht durch Hämorrhoiden, sondern können auch durch ein fortgeschrittenes Adenom verursacht sein. Häufig taucht auch die Frage auf, welche Möglichkeiten es gibt, mit Lebensstil und Ernährung einem Darmkrebs vorzubeugen. Aktuelle Studien zu dieser Thematik zeigen beispielsweise, dass eine hohe Ballaststoffzufuhr entgegen vielen Erwartungen nicht zu einer Reduktion des Darmkrebsrisikos führt. Dagegen werden folgende Lebensstil-Faktoren als günstig für die Primärprävention von Darmkrebs betrachtet:
- regelmäßige körperliche Aktivität,
- Normalgewicht,
- reichlicher (d.h. 3- bis 5-mal täglicher) Verzehr von Obst und Gemüse.
Ungünstig wirken sich dagegen vor allem folgende Lebensgewohnheiten aus:
- Zigarettenrauchen,
- erhöhter Alkoholkonsum,
- Übergewicht,
- häufiger (d.h. mehr als 2- bis 3-mal wöchentlicher) Verzehr von Fleisch, insbesondere von stark Gebratenem oder Gegrilltem.
Nicotinabhängigkeit bei Jugendlichen
"Bis zum 20. Lebensjahr beginnen 80 Prozent der Raucher ihre Suchtkarriere", erläuterte Dr. med. Pál L. Bölcskei, Leiter des Instituts für Raucherberatung und Tabakentwöhnung in München. In seinem Referat setzte er den Schwerpunkt auf Möglichkeiten der Raucherentwöhnung bei Jugendlichen. Die Prävalenz der Nicotinabhängigkeit unter Jugendlichen ist erschreckend hoch, betonte Bölcskei. Laut einer Studie aus dem Jahre 2005 rauchten etwa 35 Prozent der 15-Jährigen und 51 Prozent der 19-Jährigen. Es ist wichtig zu wissen, dass eine Tabakabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen sehr schnell entstehen kann. Einer Studie zufolge erhöht "nur einmal Probieren" das Risiko für eine Nicotinabhängigkeit um das 2,1-fache, und Befragungen zeigen, dass Entzugserscheinungen bereits in den ersten vier Wochen nach der ersten Zigarette auftreten können.
Gesprächsführung mit Jugendlichen
Im Rahmen einer Raucherentwöhnung stößt man bei Jugendlichen häufig auf altersspezifische Hindernisse, erläuterte Bölcskei. Diese sind vor allem:
- eine unklare Ausstiegsmotivation (Jugendliche wollen beides: aufhören und weiterrauchen),
- mangelnde soziale Unterstützung (die wichtigsten Bezugspersonen rauchen selbst oder verfügen nicht über das notwendige Hilfspotenzial),
- Jugendliche präferieren suboptimale Ausstiegsmethoden ("my way").
Daher muss bei Jugendlichen besonders viel Geduld und Einfühlungsvermögen aufgebracht werden, um sie vom "Glimmstängel" weg zu bekommen, erläuterte der Referent. Folgende Besonderheiten gelten für die Gesprächsführung mit dieser Altersgruppe:
- Dem Gespräch Raum geben (keine Diskussion zwischen "Tür und Angel"!),
- Vertrauen schaffen (denn es besteht große Angst vor "elterlicher Entdeckung"),
- Bedeutung der Clique beachten,
- Gespräch zieloffen führen (weiter rauchen, reduzieren, aufhören),
- einen spielerischen Umgang mit der Entwöhnung fördern ("Was würde passieren, wenn du einen Tag lang nicht rauchst?").
Präventionsprogramm für Grundschüler
Bölcskei stellte das am Institut für Raucherberatung und Tabakentwöhnung in München entwickelte Präventionsprogramm "Klasse 2000" vor, das Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse begleitet. Es zielt darauf ab, die sozialen Kompetenzen der Kinder, ihr Selbstwertgefühl und ihre positive Einstellung zur Gesundheit zu stärken, und setzt dabei auf die Zusammenarbeit von Eltern, Lehrkräften und externen Gesundheitsförderern. In diesem Schuljahr beteiligen sich bereits zwölf Prozent aller Grundschulkinder in Deutschland an "Klasse 2000". Damit ist es das derzeit größte Primärpräventionsprogramm gegen Nicotinabhängigkeit an Grundschulen in Deutschland.
Kurzintervention macht immer Sinn
Bölcskei betonte, dass es sich immer lohnt, einen Raucher – ganz gleich welchen Alters – auf eine mögliche Motivation zum Aufhören hin anzusprechen. Denn nach einer Metaanalyse ist es inzwischen wissenschaftlich belegt, dass eine Aufforderung zum Rauchstopp zu 30 Prozent mehr Entwöhnungsversuchen führen kann als keine Aufforderung. Für die tägliche Praxis in der Apotheke bietet sich eine "Kurzintervention" mit nur wenigen Minuten Zeitaufwand an, so Bölcskei. Dabei ist es wichtig, zunächst einmal das Motivationsstadium des rauchenden Kunden herauszufinden, zum Beispiel mit Fragen wie "Haben Sie schon einmal daran gedacht, mit dem Rauchen aufzuhören?" oder "Möchten Sie innerhalb der nächsten vier Wochen mit dem Rauchen aufhören?". Danach sollte klar und unmissverständlich zum Rauchstopp geraten werden. Äußert der Kunde den Wunsch, innerhalb der nächsten vier Wochen aufhören zu wollen, so sollte er zu den Möglichkeiten der Selbstmedikation ausführlich beraten oder gegebenenfalls an einen Therapeuten oder ein Kompetenzzentrum verwiesen werden.
Einblicke in die moderne Suchtforschung
PD Dr. Norbert Thürauf von der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen gab in seinem Referat mit dem Titel "Suchtbiologie und Verhalten: Medikamenten- und Alkoholabhängigkeit" einen Einblick in neuere Erkenntnisse der Suchtforschung.
Angriffsort aller Suchtmittel ist das Belohnungssystem, das sich beim Menschen im Nucleus accumbens im Vorderhirn befindet. Er ist evolutionsgeschichtlich schon sehr alt und diente bei unseren Vorfahren hauptsächlich der Motivation zur Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit. "Unglücklicherweise ist dieses positive Verstärkungssystem gleichzeitig ein Ziel für Suchtstoffe", konstatierte Thürauf. Dabei sind die Angriffsorte der einzelnen Substanzen sehr unterschiedlich:
- Nicotin greift an präsynaptischen Acetylcholinrezeptoren an.
- Alkohol, Benzodiazepine und Barbiturat am GABA-A-Rezeptor.
- Cocain und Amphetamine erhöhen die Dopamin-Konzentration durch Hemmung der Wiederaufnahme.
- Opioide wirken durch Hemmung GABA-erger Interneuronen.
It is wanting not liking!
Alle bekannten Suchtstoffe lösen also durch ihren Effekt auf das Belohnungssystem das Verlangen aus, die jeweilige Substanz zu konsumieren. Für die Herausbildung der Sucht scheint jedoch eine euphorisierende Wirkung nicht unbedingt notwendig zu sein. Entscheidend ist das Verlangen – ein Gefühl ähnlich wie Hunger und Durst ("Craving"), was Suchtforscher mit dem Satz "It is wanting not liking!" beschreiben. Neben dem Suchtstoff müssen jedoch noch weitere Mechanismen zur Aufrechterhaltung einer Sucht beitragen, so Thürauf. Die moderne Suchtforschung unterscheidet drei Grundmechanismen bei der Suchtentstehung:
- die Sensibilisierung,
- die Konditionierung,
- das Lernen durch Gewohnheit ("Habit Learning").
Die Art und Weise einer Konditionierung, die nach der Sensibilisierung durch die entsprechende Substanz zur Aufrechterhaltung der Sucht beiträgt, wird heute durch die Möglichkeit der Anwendung bildgebender Verfahren viel besser verstanden, erläuterte Thürauf. Bekannt ist zum Beispiel, dass Gerüche eine wichtige Rolle bei der Konditionierung spielen. Dies erklärt auch, warum ein ehemaliger Alkoholiker rückfallgefährdet ist, wenn er den Biergeruch einer Kneipe wahrnimmt, oder weshalb einem Exraucher dringend geraten werden muss, sich nicht in verrauchten Räumen aufzuhalten. Neben diesen externen Reizen gibt es jedoch auch interne Faktoren, die bei der Konditionierung eine Rolle spielen. So beispielsweise die Erfahrung, dass sich unangenehme Wahrnehmungen wie Angst oder Stressgefühl durch den Griff zur entsprechenden Substanz beseitigen lassen.
Der dritte Suchtmechanismus, das sogenannte Habit Learning, ist wegen seiner motorischen Komponente besonders schwer korrigierbar. Thürauf verglich es mit Fahrradfahren, das man auch nicht wieder verlernt, selbst wenn man es 20 Jahre lang nicht ausübt. <cb
- Einwohner: 103.000
- Hugenottenstadt: Ansiedlung aus Frankreich geflüchteter Hugenotten im 17. Jahrhundert in der dafür angelegten barocken Neustadt
- Siemensstadt: Stammsitz der Siemens AG (rund 22.000 Arbeitsplätze vor Ort)
- Hightech-Zentrum Nordbayerns
- Teil einer der elf deutschen Metropolregionen
- Positionierung als Medizin- und Gesundheitsstadt
- Universitätsstadt: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: zweitgrößte Universität Bayerns. Rund 26.600 Studierende, 11 Fakultäten, 89 Institute, 22 Kliniken
- Meilensteine der Wissenschaft in Erlangen: erste Ethernarkose im deutschsprachigen Raum, Produktion der ersten Röntgengeräte, Koronarstents, Astronautennahrung, MP3-Audiocodierung, erstes Retortenbaby Deutschlands (1982 in Erlangen geboren)
- Bierstadt: Erlanger Bergkirchweih: ältestes Bierfest der Welt. Zweimal Gold: European Beer Star 2006 und Consumers’ Favourite Award für das Weißbier der Erlanger Traditionsbrauerei Kitzmann
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