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Arzneimittel und Therapie
Neuer Dopaminagonist
Piribedil bessert Dyskinesien beim Morbus Parkinson
Piribedil (Clarium®) ist ein dopaminerger Agonist, der die Blut-Hirn-Schranke passieren kann und mit einer hohen und spezifischen Affinität für die Subtypen D2 und D3 an die Dopamin-rezeptoren des Gehirns bindet. Aufgrund dieser Eigenschaften eignet sich Piribedil zur Behandlung des frühen und fortgeschrittenen Stadiums der Parkinsonschen Krankheit, da es auf alle wesentlichen motorischen Symptome wirkt. Piribedil ist sowohl für die Monotherapie als auch die Kombinationstherapie mit L-Dopa zugelassen und soll am 15. November 2007 eingeführt werden.
Morbus Parkinson ist eine fortschreitende, degenerative Erkrankung, die auf einem Mangel des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn beruht. Ursache dafür ist eine Degeneration dopaminerger Neurone in der Substantia nigra des ZNS, die bei allem Menschen im Alter zu beobachten ist, bei Parkinson-Patienten jedoch stark beschleunigt verläuft. Ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin, Glutamat und Acetylcholin ist die Folge dieser Prozesse. Die Diagnose kann meist dann sicher gestellt werden, wenn mindestens drei der folgenden klinischen Symptome beobachtet werden:
- einseitiger Beginn und/oder persistierende Asymmetrie der motorischen Störungen;
- Ruhetremor;
- eindeutig positives Ansprechen auf Levodopa;
- klinischer Verlauf von zehn oder mehr Jahren ohne Zusatzsymptome.
Äußerlich sind ParkinsonPatienten neben dem Zittern in Ruhe (Ruhetremor) an verlangsamten Bewegungsabläufen (Bradykinesie), Muskelsteifheit (Rigor), unfreiwilligen Bewegungen (Dyskinesie) und einer leicht gebückten Haltung erkennbar. Dazu kommen im weiteren Verlauf der Erkrankung meist Schluckbeschwerden, Schlafstörungen, Depression und Demenz.
Die symptomatische medikamentöse Behandlung ist die wichtigste Therapieform bei Morbus Parkinson. Zur Auswahl steht eine breite Palette an Wirkstoffen mit unterschiedlichen Angriffspunkten (siehe Tabelle). Mit der Zulassung von Piribedil gibt es jetzt in Deutschland allein zehn verschiedene Dopaminagonisten. Eingeleitet werden sollte die medikamentöse Therapie spätestens dann, wenn die Symptome zu deutlichen Beeinträchtigungen im Beruf oder im täglichen Leben, zu sozialen Einschränkungen oder zu einer spürbaren Minderung der Lebensqualität führen. Bei der Frage, welcher Wirkstoff für welchen Patienten am geeignetsten ist, können sich die behandelnden Ärzte auf die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) stützen. Darin wird empfohlen, bei Patienten mit einem Alter unter 70 Jahren und keinen wesentlichen Komorbiditäten bevorzugt Dopaminagonisten einzusetzen, da nach aktueller Studienlage hierbei eine geringere Häufigkeit und Schwere motorischer Spätkomplikationen (insbesondere Dyskinesien und Wirkungsfluktuationen) im Vergleich zu einer Levodopatherapie zu erwarten ist. Bei älteren (> 70 Jahre) und/oder multimorbiden Patienten sollte hingegen initial bevorzugt mit Levodopa (in Kombination mit einem Decarboxylase-Inhibitor) therapiert werden. Bei weiter fortgeschrittener Erkrankung ist eine Kombinationstherapie mit anderen Wirkstoffen meist unumgänglich. Zusätzlich wird oft Krankengymnastik oder eine Sprachtherapie verordnet, um die Alltagskompetenz der Patienten möglichst lange zu erhalten.
Gute Wirksamkeit und Verträglichkeit in Studien
Der in Deutschland kurz vor der Markteinführung stehende non-ergoline Dopaminagonist Piribedil ist sowohl zur Mono- als auch zur Kombinationstherapie mit Levodopa zugelassen. In den beiden zulassungsrelevanten randomisierten prospektiven kontrollierten Studien Regain (Piribedil-Monotherapie gegen Placebo) und Control (Kombinationstherapie mit Levodopa gegen Bromocriptin), die jeweils über 400 Patienten eingeschlossen hatten, wurde eine mit anderen Dopaminagonisten vergleichbare starke Wirksamkeit gegen die motorischen Symptome bei Morbus Parkinson belegt. Diese Wirkung ist durch den agonistischen Angriff von Piribedil an D2 - und D3 -Rezeptoren erklärbar. Der Dopamin-Mangel an in den striatalen Nervenzellen wird dadurch ausgeglichen und eine effektive Neurotransmission wiederhergestellt.
Im Gegensatz zu anderen Dopaminagonisten wirkt für Piribedil zusätzlich auch antagonistisch an den Adrenorezeptoren α2 A und α2 C. Dies könnte die Erklärung dafür sein, weshalb Schlafattacken sowie die ausgeprägte Tagesmüdigkeit, die als unerwünschte Wirkungen bei anderen Substanzen eine Rolle spielen, unter Piribedil selten zu finden sind. Man vermutet stattdessen sogar einen positiven Effekt von Piribedil auf Kognition und Vigilanz. Auch Ödeme scheinen seltener als bei anderen Dopaminagonisten aufzutreten.
Kein Herzklappen-Risiko erwartet
Zudem besitzt Piribedil wahrscheinlich keine Affinität zu 5-HT2B -Rezeptoren. Dies ist von Vorteil, da unter der Behandlung mit den ergolinen Dopaminagonisten Cabergolin und Pergolid, die diese Rezeptoraffinität aufweisen, Herzklappen-Fibrosen beobachtet worden sind. Daher sind diese beiden Wirkstoffe zurzeit nur als Mittel der zweiten Wahl zugelassen. Werden sie dennoch eingesetzt, ist ein engmaschiges kardiologisches Monitoring erforderlich, um das Auftreten dieser schwerwiegenden Nebenwirkung rechtzeitig erkennen zu können.
Unter einer Piribedil-Behandlung wurden in den bisherigen Studien wurden folgende häufige Nebenwirkungen beobachtet:
- leichte Magen-DarmBeschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, die wieder verschwinden können, insbesondere nach individueller Dosisanpassung
- psychische Störungen wie Zerstreutheit, Halluzinationen, Erregung oder Schwindelgefühl, die wieder verschwinden, sobald die Behandlung beendet wird.
Da Piribedil mit der Indikation Parkinson in vielen anderen Ländern bereits seit längerem zugelassen ist (weltweit in über 40 Ländern, in Frankreich z. B. seit 1990), wird mit dem Auftreten von neuen schwerwiegenden Nebenwirkungen nach der Markteinführung in Deutschland nicht gerechnet.
Dosierung und Pharmakokinetik
Bei dem Piribedil-Präparat Clarium® handelt es sich um nicht teilbare 50-mg-Retardtabletten, die eine gleichmäßige Plasmakonzentration des Wirkstoffes erwarten lassen. In der Monotherapie wird eine Mindestdosierung von 150 mg Piribedil pro Tag (verteilt auf drei Einzeldosen) empfohlen, die je nach Ansprechen bis auf 250 mg pro Tag gesteigert werden kann. In der Kombinationstherapie werden zusätzlich zu Levodopa 150 mg Piribedil täglich verabreicht.
Piribedil wird rasch und nahezu vollständig resorbiert und weist eine nahezu lineare Pharmakokinetik auf. Nach Einnahme einer Retardtablette wird die maximale Plasmakonzentration nach drei bis sechs Stunden erreicht. Die Substanz zeigt einen relativ hohen First-pass-Effekt (orale Bioverfügbarkeit unter 10%) und hat eine mäßige Plasmaproteinbindung (70 bis 80%). Piribedil wird in der Leber metabolisiert und nahezu vollständig über die Nieren in Form von Metaboliten ausgeschieden. Die mittlere Halbwertszeit wird mit etwa zehn Stunden angegeben. Es liegen aber auch Daten aus Steady-state-Untersuchungen mit einer Halbwertszeit von durchschnittlich 20 Stunden vor.
QuelleDr. med. Martin Zentgraf, Hamburg; Prof. Dr. med. Heinz Reichmann, Dresden; Prof. Dr. med. Wolfgang Jost, Wiesbaden: "Piribedil (Clarium®) – ein neuer Non-Ergot-Dopaminagonist mit einzigartigem Wirkprofil", Paris, 22. Oktober 2007, veranstaltet von der Desitin Arzneimittel GmbH, Hamburg.
Fachinformation Clarium® 50 mg, Stand Oktober 2007.
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
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