Arzneimittel und Therapie

Alkoholmissbrauch

Antiepileptikum mildertAbhängigkeit

Das Antiepileptikum Topiramat kann den Alkoholkonsum starker Trinker verringern. So war nach einer 14-wöchigen Therapie mit dem Antikonvulsivum bei den Probanden der Verumgruppe die Anzahl der Tage mit starkem Alkoholkonsum im Vergleich zu den Teilnehmern der Vergleichsgruppe deutlich reduziert. Welche Konsequenzen diese Beobachtung in der Therapie des Alkoholismus hat, ist bislang noch nicht abschätzbar.

Die medikamentösen Maßnahmen zur Behandlung einer Alkoholabhängigkeit sind überschaubar. Seit der Einführung von Disulfiram (Antabus®) vor mehr als 30 Jahren kamen nur noch Acamprosat (Campral®) und Naltrexon (ReviaTM ; in Deutschland nicht für diese Indikation zugelassen) hinzu. Alle drei Medikamente spielen keine große Rolle. Disulfiram ist nur begrenzt wirksam und wird von den meisten Patienten nicht akzeptiert, und die zwei neueren Substanzen sind in den wenigsten Therapieprogrammen enthalten. Ein neuer Vorstoß ist die Behandlung der Abhängigkeit mit dem Antiepileptikum Topiramat (Topamax® ; für diese Indikation nicht zugelassen), das die vermehrte Freisetzung von Dopamin blockieren kann. Die gesteigerte Freisetzung von Dopamin aus corticomesolimbischen Neuronen spielt wiederum bei der Neurobiologie der Alkoholsucht eine zentrale Rolle. Topiramat erhöht unter anderem die GABA-Aktivität an bestimmten GABA-Rezeptoren und antagonisiert die Wirkung von Glutamat an einigen Subtypen des Glutamat-Rezeptors.

Nachdem in einer kleineren Untersuchung die Wirksamkeit von Topiramat bei Alkoholabhängigen gezeigt werden konnte, wurde in den USA eine größere Studie an 17 Zentren initiiert. An dieser doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Studie nahmen 371 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren mit diagnostizierter schwerer Alkoholabhängigkeit teil, wobei die Männer mehr als 35 Drinks pro Woche, die Frauen mehr als 28 zu sich nahmen. Die Hälfte der Probanden erhielt eine 14-wöchige Placebotherapie, die andere Hälfte täglich 300 mg Topiramat, das einschleichend dosiert wurde. Zusätzlich erhielten die Studienteilnehmer kurze Informationen über ihre Therapie (Brief Behavioral Compliance Enhancement Treatment), aber weder psycho- noch sozialtherapeutische Unterstützungen. Der primäre Studienendpunkt war die Anzahl der Tage mit starkem Alkoholkonsum, sekundäre Studienendpunkte waren die Anzahl abstinenter Tage und die Anzahl täglicher Drinks sowie alkoholspezifische Laborparameter.

Weniger Tage mit starkem Alkoholkonsum

Die Probanden der Verumgruppe wiesen an weniger Tagen einen starken (fünf oder mehr Drinks bei Männern, vier oder mehr bei Frauen) Alkoholkonsum auf als die Teilnehmer der Vergleichsgruppe. So konnte in der Verumgruppe der Anteil der Tage mit starkem Alkoholkonsum von 81,9% bei Studienbeginn auf 43,8% gesenkt werden; in der Placebogruppe sank der Anteil der Tage mit starkem Alkoholkonsum von 82% auf 51,8%. Das macht einen Unterschied von 8,44% (p = 0,002) aus, wobei bei dieser Berechnung alle Studienabbrecher und Probanden, die ihre Termine nicht eingehalten hatten, mit einbezogen wurden. Andere Rechenmodelle ermitteln einen Unterschied von 16,19% (p < 0,001).

Die Zahl abstinenter Tage stieg in der Verumgruppe von knapp 10% auf 37,5%, in der Vergleichsgruppe von knapp 10% auf 29% an (p = 0,002). Auch weitere Studienendpunkte wie die Anzahl täglicher Drinks und der GGT-Wert schnitten in der Verumgruppe besser ab als in der Vergleichsgruppe.

Unter der Einnahme von Topiramat wurden mehr unerwünschte Wirkungen registriert als nach der Placeboeinnahme. So traten in der Verumgruppe gehäuft Parästhesien (50,8% vs. 10,6%), Geschmacksstörungen (23% vs. 4,8%), Anorexie (19,7% vs. 6,9%) und Konzentrationsschwierigkeiten (14,8% vs. 3,2%) auf.

Pragmatische Aspekte

Ein Kommentator beurteilt die Studienergebnisse positiv und weist auf pragmatische Aspekte einer medikamentösen Therapie hin. So konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass Erfolge auch ohne langjährige psychologische Betreuung und Gruppentherapien möglich sind. Nicht zuletzt könnten auch Ärzte, die keine spezielle Ausbildung in der Suchttherapie aufweisen, so in die Betreuung Alkoholkranker eingebunden werden.

Literatur

Johnson B., et al.: Topiramate for treating alcohol dependence. A randomized controlled trial. JAMA 298, 1641-1651 (2007).

Willenbring M.: Medications to treat alcohol dependence. JAMA 298, 1691-1692 (2007).

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Alkoholismus betrifft häufig Jüngere
In den USA sterben jährlich etwa 85.000 Menschen an den Folgen ihrer Alkoholabhängigkeit. Neuere epidemiologische Studien zeigen – zumindest für die USA – dass vor allem jüngere Menschen alkoholabhängig sind. Die Alkoholabhängigkeit beginnt im durchschnittlichen Alter von 21 Jahren und verläuft meist episodenhaft, seltener chronisch. Drei Viertel der Betroffenen machen nur eine Alkoholepisode durch, die bis zu fünf Jahren andauern kann. Der Rest erfährt durchschnittlich fünf Episoden, die aber immer kürzer werden. Die meisten Patienten finden ohne spezielle Therapien und Unterstützung aus ihrer Sucht heraus. Professionelle Hilfe wird meist nur von chronisch Alkoholkranken gesucht. Für diese Patientengruppe sollten individuelle therapeutische Strategien ausgearbeitet werden [Quelle: Willenbring M.: Medications to treat alcohol dependence, 2007].
Bei der Neurobiologie der Alkoholsucht spielt die gesteigerte Freisetzung von Dopamin aus corticomesolimbischen Neuronen eine zentrale Rolle.
Foto: AOK Mediendienst

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