Medizin

Was ist eigentlich … ein Restless-legs-Syndrom?

Bei der als "Restless-Legs-Syndrom" (RLS, unruhige Beine) bezeichneten Erkrankung handelt es um eine unangenehme Missempfindung der Beine mit ziehenden oder reißenden Schmerzen sowie einem unbändigen Bewegungsdrang. Die Symptome treten in Ruhe- und Entspannungsphasen auf. Die Erkrankung wurde erstmals 1945 als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt, bereits 1685 beschrieb Thomas Willis erste Symptome.

Wenn die Beine keine Ruhe geben

Fast zehn Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter einem Restless-legs-Syndrom, so viele wie Migränepatienten. Mit zunehmendem Alter (über 50 Jahre) steigt die Gefahr, daran zu erkranken. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Ein typisches Symptom ist ein nicht zu bändigender Bewegungsdrang der Beine, welcher meistens durch Missempfindungen wie Ziehen, Spannen, Kribbeln, Schmerzen oder andere als unangenehm empfundene Gefühle ausgelöst wird. Diese treten in Ruhe auf und betreffen vor allem die Unterschenkel. Sie werden als unangenehm bis quälend beschrieben. Gelegentlich kommt es zusätzlich zu den Beinen auch an den Armen und an anderen Körperregionen zu den gleichen Symptomen. Charakteristisch für die Erkrankung ist eine sofortige Besserung der Missempfindungen durch das Bewegen der betroffenen Gliedmaßen. Dies geschieht beispielsweise durch Umhergehen, Kniebeugen, Radfahren oder periodisches Anspannen. Nach einer kurzfristigen Besserung kehren die Symptome jedoch in der nächsten Ruhepause wieder zurück. Die Beschwerden treten fast ausschließlich in Ruhesituationen auf. Bevorzugt quälen die Missempfindungen die Betroffenen am Abend oder in der Nacht und führen daher zu Ein- und Durchschlafstörungen. Erschöpfung und Müdigkeit am Tag sind die Folge. Spätfolgen können bei länger bestehender Erkrankung und nicht oder nicht ausreichender Behandlung ein Leistungsabfall, soziale Isolation und – als schwerwiegendste Konsequenz – Depressionen sein.

Störungen im Dopaminstoffwechsel?

Die genaue Ursache ist leider noch nicht bekannt. In neueren Untersuchungen wurde der Verdacht geäußert, dass Störungen des Dopamin-Stoffwechsels im Gehirn möglicherweise als Ursache anzusehen sind. Dopamin ist ein Neurotransmitter und die Vorstufe von Adrenalin und Noradrenalin. Zusätzlich sorgt Dopamin für das "High"-Gefühl beim Konsum von Drogen. Darüber hinaus könnten Veränderungen der Erregbarkeit von Nervenbahnen sowie Störungen im Kleinhirn und im Hirnstamm bei der Entstehung von RLS eine Rolle spielen. In mehr als Dreiviertel aller Fälle (40 bis 80 Prozent) kommt die Erkrankung gehäuft in einer Familie vor. Der vermutliche Vererbungsweg ist autosomal-dominant, wobei Veränderungen auf den Chromosomen 12q, 9p und 14q vorliegen. Darüber hinaus tritt das Syndrom als sekundäres RLS bei vielen weiteren Erkrankungen auf (s. Kasten).

Ansprechen auf L-Dopa bestätigt Diagnose

Die Beschreibung der typischen Symptome lässt oft schon auf ein RLS schließen. Ergänzend und um andere Krankheiten auszuschließen, müssen Bluttests durchgeführt werden. Hierzu werden ein Blutbild angefertigt und unter anderem folgende Werte bestimmt:

Ferritin und Serumeisen,

Nierenretentionswerte,

TSH, ggf. Schilddrüsenhormone,

Vitamin B12 und Folsäure bei klinischem Verdacht auf Vitaminmangel.

Als wichtigster Parameter zur Bestimmung eines sekundären RLS hat sich Ferritin herauskristallisiert. Weiterhin sind Urinuntersuchungen, Messungen der Nervenleitgeschwindigkeiten (Elektroneurographie) sowie Schlafuntersuchungen zum Ausschluss anderer Krankheiten wichtig.

Erkrankungen wie beispielsweise eine Polyneuropathie, Wurzelreizsyndrome, Claudicatio intermittens spinalis, Engpasssyndrome peripherer Nerven, Varikosis, Teleangiektasien, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder das Parkinson-Syndrom sollten ausgeschlossen werden. Das Ansprechen auf eine dopaminerge Therapie bestätigt letztendlich die Diagnose. Fast alle RLS-Patienten sprechen zumindest anfangs auf L-Dopa oder auf niedrige Dosen von Dopaminagonisten an. Dieser Effekt hält leider nicht immer an.

RLS ist behandelbar!

Kommt es durch andere Erkrankungen sekundär zu dem RLS, zum Beispiel bei einem Eisenmangel, oder treten die Symptome wie bei einer Schwangerschaft nur vorübergehend auf, kann die Erkrankung durch Ursachenbeseitigung erfolgreich therapiert werden. Verstärken eingenommene Medikamente die Symptome, sind diese nach Möglichkeit abzusetzen oder auszutauschen.

Behandelt wird mit L-Dopa in Kombination mit Carbidopa oder Benserazid. Auch die Gabe von Dopamin-Agonisten wie Ropinirol, Pergolid oder Pramipexol ist möglich. Schlagen die Dopamin-Agonisten nur unzureichend an, können Opioide wie Oxycodon, Carbamazepin oder Gabapentin verabreicht werden. Der größte Fehler ist der, zu früh aufzugeben und nicht alles Erdenkliche zu tun. Denn das RLS ist behandelbar.

Neben Übelkeit, Benommenheit und Blutdruckstörungen können Dopamin-Agonisten bei Parkinsonkranken nicht selten eine Spielsucht auslösen; dies wird seit mehreren Jahren immer wieder beschrieben. Dass eindeutig die Medikation und nicht die Krankheit schuld ist, belegt die Tatsache, dass Spielsucht inzwischen auch bei RLS-Patienten unter einer solchen Behandlung beschrieben wurde. Nach Absetzen der Dopamin-Agonisten wurde der Spielsucht wieder Einhalt geboten.

Problem Augmentation

Die Krankheit lässt sich wie schon erwähnt meist erfolgreich behandeln. Eine Komplikation der Therapie mit L-Dopa oder Dopaminagonisten ist jedoch die sogenannte Augmentation. Hierunter versteht man eine allgemeine Verschlimmerung der RLS-Symptome im Laufe der Behandlung, die Symptome treten dann meist auch schon früher am Tag auf. Mitunter dehnen sich die Symptome auch auf andere Körperbereiche aus. Die Augmentation ist unter L-Dopa-Präparaten und Dopaminagonisten etwa gleich häufig und betrifft in manchen Studien fast die Hälfte der Patienten. In diesen Fällen muss die Therapie umgestellt werden.

Quelle

Stiasny-Kolster K et al.: Effective cabergoline treatment in idiopathic restless legs syndrome (RLS). Neurology 2004; 63, 2272-2279.

Allen RP et al.: Restless legs syndrome: diagnostic criteria, special considerations and epidemiology. A report from the restless legs syndrome diagnosis and epidemiology workshop at the National Institutes of Health Sleep Medicine 2003; 4, 101-119.

Clarenbach P, Benes H: Das Restless Legs-Syndrom. Klinik – Diagnostik – Therapie. Uni-Med-Verlag Bremen 2006.

Trenkwalder C: Restless Legs Syndrom. Klinik, Differentialdiagnose, Neurophysiologie, Therapie. Springer-Verlag, Berlin 1998.

Tippmann-Peikert M, et al.: Pathologic gambling in patients with restless legs syndrome treated with dopaminergic agonists. Neurology 2007;68:301-303.

Dr. Ingo Blank, Gärtringen

t Selbsthilfegruppen/Beratungsstellen:

Deutsche RLS-Vereinigung, RLS e.V.
Schäufeleinstr. 35, 80687 München, Telefon: +49 (0)89 55 02 88 80

Sekundäres RLS

Erkrankungen, in deren Folge ein Restless-legs-Syndrom auftreten kann:

Eisenmangel (insbesondere bei erniedrigten Ferritin-Werten)

hormonelle Störungen und Stoffwechsel-Veränderungen (Schwangerschaft im letzten Drittel, chronisches Nierenversagen mit beginnender Sepsis)

Schädigungen peripherer Nerven, beispielsweise in Folge von Diabetes mellitus (Polyneuropathie)

rheumatische Erkrankungen (zum Beispiel rheumatoide Arthritis)

Morbus Parkinson

Schilddrüsenerkrankungen

Krebserkrankungen

Amyloidosen

Schädigungen des lumbosakralen Plexus

w Internettipps

www.neuro24.de/restlleg.htm

Umfangreiche Abhandlung über das RLS

www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/030-081.htm

Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

Medizin
Gestörter Schlaf Patienten, die unter einem Restless-legs-Syndrom leiden, werden bevorzugt nachts von den Symptomen heimgesucht.
Foto: Roche Pharma AG

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