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- DAZ 5/2007
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Arzneimittel und Therapie
Adulte Stammzellen
Therapie zwischen Hoffen und Bangen
Seit über 40 Jahren werden die blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks in der Behandlung von Leukämie und von Lymphomen eingesetzt. Seit einigen Jahren werden auch nicht-blutbildende adulte Stammzellen für die Therapie in Betracht gezogen, teilweise – wie in Studien bei Lähmungen nach Wirbelsäulenverletzungen und bei Morbus Parkinson gezeigt werden konnte – mit Erfolg. Im Kölner XCell-Center, das Teil des neu errichteten Instituts für Regenerative Medizin ist, werden nun Erfolg versprechende Forschungsresultate in hoffnungsvolle Therapie umgesetzt.
Als Stammzellen werden Zellen bezeichnet, die die Fähigkeit zur unbeschränkten Selbsterneuerung (mit und ohne vorangegangenem Gewebeschaden) und zur Differenzierung besitzen. Während die embryonalen Stammzellen nur in der frühen Embryonalzeit vorkommen, sind die adulten Stammzellen auch nach der Geburt im Organismus vorhanden. Aus diesen Zellen werden während der gesamten Lebensdauer des Organismus neue spezialisierte Zellen gebildet. Im täglichen Leben erfüllen sie die Aufgabe der Organregeneration, z. B. Heilungsprozesse bei Hautwunden oder Knochenbrüchen. Im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen ist die Vermehrbarkeit und Lebensdauer der adulten Stammzellen allerdings begrenzt.
Während man lange der Auffassung war, dass adulte Stammzellen nur innerhalb einer einzigen Zellreihe ausreifen können, werden ihnen seit Ende der neunziger Jahre weitere Fähigkeiten zugeschrieben, nämlich die Differenzierung von Knochenmarkzellen zu Blut-, Muskel-, Leber- und Hautzellen. Diese Potenz zur Ausreifung in verschiedene Zelltypen von Mesoderm, Endoderm und Ektoderm lässt erwarten, dass Kranke künftig auf gesundes Ersatzgewebe aus Stammzellkulturen hoffen können, und adulte Stammzellen möglicherweise eine breite klinische Anwendbarkeit bei unterschiedlichen Krankheitsbildern finden werden.
Adulte Stammzellen wurden bislang in 20 Organen des Körpers – beispielsweise im Knochenmark, Blut und Gehirn – nachgewiesen. Auch das Nabelschnurblut von Neugeborenen enthält adulte Stammzellen.
Anwendung am Menschen gilt als sicher
Die Anwendung von adulten Stammzellen am Menschen ist durch Jahrzehnte lange Erfahrung erprobt und gilt als sicher. Ihr unbestreitbarer Vorteil liegt darin, dass die Stammzellen in jedem Individuum verfügbar sind und ohne Schwierigkeiten entnommen werden können. Da es sich um das gleiche genetische Material handelt, ist das Risiko einer unkontrollierten Reaktion am Zielort (auch aufgrund bisheriger Erfahrungen) auszuschließen.
Ein weiterer klinisch relevanter Vorteil körpereigener adulter Stammzellen besteht darin, dass die aus dem eigenen Knochenmark entnommenen Stammzellen im Gegensatz zu Stammzellen eines fremden Spenders keine Abstoßungsreaktion hervorrufen. Dies hat den immensen Vorteil, dass auf Arzneimittel zur Unterdrückung des körpereigenen Abwehrsystems (Immunsuppressiva) verzichtet werden kann, so dass der Patient in der Folge nicht durch eine reduzierte oder fehlende Infektionsabwehr zusätzlich gefährdet wird.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Da adulte Stammzellen (Nabelschnurblut, Knochenmark) sich in viele Zellarten wandeln können, sind auch die Möglichkeiten für ihren Einsatz vielfältig. Hunderttausendfach sind sie bei Knochenmarktransplantationen erprobt. Ein an Leukämie erkrankter Patient hat inzwischen eine Heilungschance von etwa 60%, ein Erfolg, der nur durch den Einsatz von adulten Blutstammzellen möglich geworden ist. Knochenmarktransplantationen wurden bereits weitgehend durch diese effektivere Methode ersetzt. Zum Wiederaufbau von Knorpel und zerstörten Gelenken für die Knochenheilung werden adulte Stammzellen bereits routinemäßig eingesetzt. Die Behandlung von Herzinfarkt und Beingeschwüren ist in klinischer Erprobung. Nebenwirkungen sind bisher keine bekannt.
Krankheiten wie Parkinson, Diabetes, Alzheimer, Epilepsie und gewisse Formen von Leukämie, die heute schwer oder gar nicht behandelt werden können, ist gemeinsam, dass sie durch bestimmte Zellen, die nicht korrekt funktionieren, verursacht sind. Die große Hoffnung, die in die Therapie mit adulten Stammzellen gesetzt wird, ist darin begründet, dass es möglich sein könnte, mit ihrer Hilfe Patienten mit diesen Krankheiten zu heilen. So könnte es möglich werden, einen Patienten mit Stammzellen zu behandeln und damit sowohl das unmittelbare Krankheitsproblem zu beheben als auch die normalen physiologischen Prozesse wiederherzustellen. Und dies, ohne dass weitere Medikamente oder ähnliche Behandlungen notwendig würden.
Ethisch unproblematisch
Die heftigen Diskussionen, die um die Stammzellenforschung und -therapie geführt werden, betreffen ausschließlich die embryonalen Stammzellen. Gegen die Forschung an menschlichen adulten Stammzellen werden weltweit keine ethischen Bedenken geäußert, da durch sie – anders als bei der Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen – kein lebender Organismus geschädigt wird. Die Forschung an menschlichen adulten Stammzellen ist in Deutschland als "ethisch unproblematisch" angesehen und wird sogar europaweit von den Staaten gefördert.
Das derzeitige Therapie-Angebot der Kölner Klinik für regenerative Therapie umfasst nur jene Krankheitsbilder, für die international bereits positive Erfahrungen mit der Stammzelltherapie vorliegen. Diese sind derzeit: Schlaganfall, multiple Sklerose, Parkinson, Rückenmarksverletzungen, Leberkrankheiten, Arthrose sowie Diabetes (Typ 2).
Prof. Dr. med. Klaus Heilmann
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