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Ernährung aktuell
Selen – vor allem als Radikalfänger von Bedeutung
Das Spurenelement Selen entdeckte im Jahr 1818 der Schwede Berzelius, der es auch benannte. Mehr als ein Jahrhundert später, 1935, wurden zwei Krankheiten bei Rindern, die auf sehr selenreichen Böden weideten, als akute und chronische Selenintoxikationen identifiziert. 1957 konnten Schwartz und Foltz zeigen, dass sich bei Ratten mit Hilfe von Selenzulagen eine Lebernekrose verhindern lässt. 1975 entdecken Awasthi et al., dass Selen Bestandteil der Glutathion-Peroxidase des Menschen ist.
Selen ist ein allotroper Erzbildner. Es ist chemisch eng mit Schwefel verwandt [1]. Das essenzielle Spurenelement kommt in der Erdkruste sowohl in oxidierter als auch in mineralisierter Form in unterschiedlichen Konzentrationen vor – abhängig von der Auswaschung durch glaziale Erosion. Selenide der Übergangs- und Schwermetalle, wie Cadmium- und Quecksilberselenid, gehören zu den unlöslichsten Verbindungen. Sie werden in Organen wie der Niere als inerte Produkte abgelagert. Dagegen ist Selenwasserstoff (H2Se), das nach faulem Rettich riecht, ebenso wie methylierte Selenverbindungen, die renal oder mit der Atemluft ausgeschieden werden, leicht flüchtig.
Die technische Selengewinnung erfolgt aus Beimengungen in sulfidischen Kupfer-, Zink- und Bleimineralien. Zu den Hauptquellen zählen Kupferporphyr, Pyrit, Bornit und Chalkopyrit. Die Produktion von Selen für elektrotechnische Anwendungen, Detektoren. Pigmente, zur Glasentfärbung anstelle von Mangan und andere metallurgische Zwecke gilt als sehr aufwendig, da aus 300 Tonnen Kupfererz lediglich ein Kilogramm Selen gewonnen werden kann [2].
Vorkommen: Abhängig vom Gehalt im Boden
Die Selengehalte in der Biosphäre unterliegen großen regionalen Schwankungen. Diese Unterschiede lassen sich auch im Boden feststellen und spiegeln sich in Kulturpflanzen, im Tierkörper und in weiterer Folge auch im Menschen wieder [1]. In vielen Teilen von Mittel- und Nordeuropa sind die Böden äußerst selenarm, so dass pflanzliche Lebensmittel nur geringe Selenmengen enthalten. Lebensmittel tierischen Ursprungs weisen kaum große Schwankungen auf, da in der EU die Zufütterung von selenreichen Mineralstoffmischungen weit verbreitet ist [3]. Außerdem hängt der Selengehalt der Nahrung auch von ihrem Eiweißgehalt ab, da das Spurenelement vor allem in der Proteinfraktion enthalten ist. Daher zählen vor allem Fisch, Fleisch und Innereien sowie Leguminosen und Nüsse zu den selenreichen Lebensmitteln (Tab. 1). Letztere sind besonders für Vegetarier eine entscheidende Quelle. Getreide weist mittlere Selengehalte auf, abhängig vom jeweiligen Standort. Trinkwasser trägt kaum zur Bedarfsdeckung bei. Während pflanzliche Lebensmittel und Selenhefen das Spurenelement hauptsächlich proteingebunden als Selenomethionin enthalten, sind in tierischen Lebensmitteln Selenoenzyme, Selenoprotein und die Aminosäure Selenocystein zu finden [1].
Tab. 1: Selengehalte ausgewählter Nahrungsmittel | |
Nahrungsmittel | µg/100g |
Innereien | 21 – 203 |
Steinpilze | 184 |
Fisch | 7 – 130 |
Fleisch (Rind, Kalb, Schwein) | 4 – 35 |
Eigelb | 19 |
Sojabohnen, getrocknet | 19 |
Bier | bis 19 |
Bohnen, weiß, getrocknet | 14 |
Käse | bis 11 |
Gerste, Korn | 7 |
Reis, Korn, poliert | 7 |
Eiweiß | 5 |
Weizenvollkornbrot | 2 |
Kartoffeln | 2 |
Milch, -Produkte | 1 – 2 |
Gurke | 1 |
Quelle: [1] |
Über die Bioverfügbarkeit entscheidet die Bindung
Vor allem die Bindungsform von Selen ist für die Bioverfügbarkeit von Selen entscheidend. So sind bei aminosäuregebundenen Formen keine Interaktionen mit anderen Nahrungsbestandteilen zu erwarten. Dagegen verhindern Sulfat, Thiosulfat, Molybdat u.a. verwandte Oxyanionen die Absorption von Selenat (SeO42-). Cystein, Glutathion, aber auch physiologische Mengen Vitamin C, können die intestinale Aufnahme von Selenit (SeO3 2-) verbessern. Der gegenteilige Effekt lässt sich bei übermäßiger Aufnahme von Ascorbinsäure beobachten. Daher sollten selenithaltige Therapeutika nicht gemeinsam mit hochdosierten Ascorbinsäurepräparaten eingenommen werden. Auch bei der Lebensmittelverarbeitung, etwa durch Hitze, kann es zu Verlusten des leichtflüchtigen Selens kommen [1; 5]. Ebenso begünstigt eine einseitige Ernährung mögliche Verluste [5].
Mit Cystein zur Funktion, mit Methionin gespeichert
Je nach Bindungsart variiert der molekulare Mechanismus der intestinalen Selenabsorption. Selenit wird wahrscheinlich mit Hilfe eines Na+-abhängigen Symporters in die intestinalen Epithelzellen aufgenommen. Für Selenat ist es möglich, entweder über einen Na+/Selenat-Symporter oder den Selenat-Anionen-Antiporter transportiert zu werden. In der Nahrung liegt Selen vor allem in Form von Selenomethionin oder Selenocystein vor. Diese Verbindungen sind sehr gut verfügbar. Im Duodenum werden sie über die jeweiligen Aminosäuretransporter rasch und unverändert absorbiert. Insgesamt liegt die Absorptionsrate bei etwa 90 Prozent und ist unabhängig vom Selenstatus im Organismus. Somit besteht auf der Stufe der Absorption keine homöostatische Kontrolle. Nach der Aufnahme gelangen die Selenverbindungen über das Blut zur Leber. Dort wird Selenomethionin in Selenocystein umgewandelt bzw. direkt anstelle von schwefelhaltigem Methionin in Proteine eingebaut. Der menschliche Organismus ist jedoch nicht in der Lage, Selenocystein direkt auf entsprechende tRNAs zu übertragen und somit zur Proteinsynthese zu verwenden. Vielmehr wird in einer PALP-abhängigen Reaktion von Selenocystein Schwefelwasserstoff (H2S) abgespalten, das schließlich als Substrat für die Bildung von Selenophosphat genutzt werden kann. Mit Hilfe dieser Verbindung kann Serin, das auf Selenocystein-spezifische tRNAs übertragen wurde, in tRNA-gebundenes Selenocystein überführt werden, das dann in der Proteinbiosynthese zum Einsatz kommen kann. Während alle funktionell bedeutsamen selenhaltigen Proteine ausschließlich Selenocystein enthalten, dient Selenomethionin als Selenspeicher. Die Größe des Speichers korreliert unmittelbar mit der Nahrungszufuhr und unterliegt im Gegensatz zur Selenocysteinsynthese keinem Regulationsmechanismus. Der Körperbestand eines Erwachsenen liegt zwischen 10 bis 20 mg. Besonders hohe Konzentrationen sind im Herz, aber auch in Leber, Pankreas, Nierenrinde und den Erythrozyten zu finden (Tab. 2). Selen wird in erster Linie über Faeces und Urin ausgeschieden. Außerdem werden geringe Mengen auch über die Haut abgegeben. Liegt ein Selen-Überangebot vor, werden zudem flüchtige Methyl-Selenverbindungen über die Lunge als sogenannter Knoblauchatem abgegeben [3].
Tab. 2: Prozentualer Anteil der einzelnen Organe am Gesamtselengehalt des menschlichen Organismus | |
Organ | Anteil (%) |
Skelettmuskel | 45,7 |
Knochen, Haut, Darm | 26,5 |
Leber | 7,7 |
Blut | 7,4 |
Niere | 3,5 |
Interstinale Flüssigkeit | 3,2 |
Gehirn | 2,3 |
Lunge | 1,9 |
Sonstiges (Herz, Milz, Hoden, Galle) | 1,6 |
Quelle: [2] |
Funktionen: Als Cofaktor unverzichtbar
Die bekannteste biochemische Funktion von Selen basiert auf seiner Wirkung als integraler Bestandteil der Glutathion-Peroxidase (Tab. 3).
Tab 3: Selenhaltige Proteine und ihre Funktionen | ||
Enzym/Protein | Katalytische Reaktion | Organlokalisation |
Glutathion-Peroxidasen | Abbau von Wasserstoffperoxid und anderen Peroxiden | Ubiquitär |
Deiodasen | Umwandlung von T4 in T3 | Viele Gewebe, u. a. Gehirn, Niere und Schilddrüse |
Thioreduktasen | Reduktion von Disulfiden zu SH-Gruppen | Zahlreiche Gewebe, u. a. Leber und Niere |
Selenphosphatsynthase | Selenproteinsynthese | Testes |
Selenprotein P | Abbau von Peroxynitrit? Schwermetallbildung? | Viele Gewebe, u. a. Leber |
Selenprotein W | Unklar | Viele Gewebe |
Quelle: [3] |
Dieses Enzym liegt in den Erythrozyten, aber auch in Organen vieler Tierspezies vor. Es handelt sich dabei um einen essentiellen Faktor der Schutzmechanismen gegenüber oxidativen Schädigungen. Bislang konnten vier Selen-abhängige Glutathion-Peroxidasen identifiziert werden. Sie unterscheiden sich durch ihre Spezifität gegenüber Hydroperoxiden und ihre Lokalisation (Cytosol, Plasma, Phospholipide) [1]. Neben der Superoxiddismutase und antioxidativ wirkenden Vitaminen agiert die Glutathion-Peroxidase, indem sie die Wasserstoffübertragung von Glutathion auf freie Peroxide katalysiert. Dabei wird Glutathion oxidiert und muss anschließend durch das Enzym Glutathionreduktase wieder reduziert werden. Daneben ist Selen Cofaktor des Enzyms Iodthyronin-5-Deiodase, das in drei verschiedenen Isoformen vorliegt. Deiodasen haben die Funktion, die Abspaltung von Iod aus dem Ringsystem des Thyroxins (T4) zu katalysieren, was zur Bildung des aktiven Schilddrüsenhormons Triiodthyronin (T3) führt [3]. Somit besteht zwischen Selen und dem Schilddrüsenstoffwechsel ein Zusammenhang [1]. Daneben können Deiodasen Schilddrüsenhormone deaktivieren. Dabei wird T4 durch eine 5-Deiodierung am Tyrosylring in reverse-T3 umgewandelt. Auch Thioredoxinreduktasen enthalten Selenocystein. Diese Enzyme sind bei der Regulation des zellulären Redoxstatus über das Thioredoxsystem, das ebenfalls an den Glutathionstatus gekoppelt ist, von Bedeutung. Das Thioredoxin-Thioredoxinreduktase-System reguliert redoxsensitive Transkriptionsfaktoren und nukleäre Rezeptoren. Außerdem steuert es über die Reduktion von Disulfidbrücken die Proteinfaltung und ist an der DNA-Biosynthese beteiligt. Die Selenophosphatsynthase hat zur Aufgabe, den ersten Schritt der Biosynthese anderer Selenoproteine zu kontrollieren. Die Funktionen der Selenoproteine P und W sind noch ungeklärt. Hinweise deuten darauf hin, dass Selenoprotein P Peroxonitrit abbaut, das Endothel auskleidet und eventuell an der Schwermetallbindung beteiligt ist. Selenoprotein W ist vor allem in der Muskulatur, aber auch im Gehirn und anderen Geweben lokalisiert, doch über seine Funktion ist nichts bekannt. Weiterhin hat Selen eine essenzielle Funktion bei der Spermatogenese und der Reproduktion. Bei männlichen Säugetieren führt ein Selenmangel zur Infertilität; beim Menschen konnte dieser Effekt bislang nicht beobachtet werden. Selenoproteine sind auch im weiblichen Ovar, in den Nebennieren und im Pankreas vorhanden [2]. Schließlich hat Selen von allen Spurenelementen den stärksten Einfluss auf das Immunsystem. Ein Mangel führt zu einem Rückgang der Phagozytoseaktivität und einer verstärkten Infektanfälligkeit. Die immunstimulierende Wirkung steht vermutlich im Zusammenhang mit der Aktivitätssteigerung der Glutathion-Peroxidase durch Selen [6].
Bedarf: Gerade so gedeckt
Derzeit ist die Datenlage bezüglich des Selenbedarfs noch lückenhaft, so dass bislang nur Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr vorliegen. Diese Schätzwerte orientieren sich in erster Linie an der Aktivität der Glutathion-Peroxidase und der Selenkonzentration im Plasma [3]. So liegen die aktuellen Schätzwerte der DGE für Jugendliche und Erwachsene bei 30 bis 70 µg pro Tag (Tab. 4).
Tab. 4: Schätzwerte für eine angemessene Selenzufuhr | |
Alter | Selen (µg/Tag) |
Säuglinge
0 bis unter 4 Monate 4 bis unter 12 Monate |
5 – 15 7 – 30 |
Kinder
1 bis unter 4 Jahre 4 bis unter 7 Jahre 7 bis unter 10 Jahre 10 bis unter 13 Jahre 13 bis unter 15 Jahre |
10 – 40 15 – 45 20 – 50 25 – 60 25 – 60 |
Jugendliche und Erwachsene
15 bis unter 19 Jahre 19 bis unter 25 Jahre 25 bis unter 51 Jahre 51 bis 65 Jahre 65 Jahre und älter |
30 – 70 30 – 70 30 – 70 30 – 70 30 – 70 |
Schwangere | 30 – 70 |
Stillende | 30 – 70 |
Quelle: [5] |
Dies gilt auch für Schwangere und Stillende, doch über die Höhe einer ausreichenden Zufuhr wird noch diskutiert. In den ersten Lebensmonaten ist für das Kind eine niedrige Selenzufuhr ausreichend, da in der Leber vor der Geburt Selen gespeichert wurde. Mit Einführung der Beikost steigt schließlich der Selengehalt in der Nahrung des Kindes an. Die Schätzwerte für Kinder wurden unter Beachtung der Nährstoffdichte interpoliert [5]. Die tatsächliche tägliche Selenzufuhr liegt in Deutschland für Männer bei 41 µg und für Frauen bei 30 µg. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Bevölkerung lediglich die Minimalanforderungen erfüllen. Weiterhin stellt sich die Frage, ob die aktuellen Schätzwerte ausreichen, um die Funktion des Immunsystems und die Prävention verschiedener Erkrankungen wie Krebs zu optimieren. So fordern einige Experten eine Erhöhung der täglichen Zufuhr auf 120 bis 150 µg [3]. Für einige Personengruppen ist das Risiko, unzureichend mit Selen versorgt zu sein, besonders hoch. Dazu zählen Personen mit einer einseitigen Ernährung wie Veganer oder Personen mit energiereduzierter Kost, aber auch frühgeborene Kinder, Dialysepatienten, Alkoholiker und diejenigen, die von Phenylketonurie, Mukoviszidose oder dem Kurzdarmsyndrom betroffen sind [1; 3; 5].
Selenmangel und die Folgen
Ein ausgeprägter Selenmangel ist in hiesigen Breiten praktisch nicht anzutreffen [3]. Ein Selenmangel in klinisch auffälliger Form konnte bei einer langfristigen totalen parenteralen Ernährung, bei der keine Selensupplementierung erfolgte, beobachtet werden. Besonders häufig trat dies bei Säuglingen und Kleinkindern auf. Dabei kam es zu Kardiomyopathie, Leberschädigung oder Muskelschmerzen und -verhärtung [2]. Eine der klassischen Selenmangelerkrankungen ist die Keshan-Krankheit, die nach der selenarmen chinesischen Provinz Keshan benannt wurde. Dabei handelt es sich um eine endemisch auftretende Kardiomyopathie, von der besonders Kinder und junge Frauen betroffen sind. Ausgelöst wird die Erkrankung durch Coxsackie-B3-Viren, die unter Selenmangel ihre Virulenz erlangen. Auf eine chronisch unzureichende Selenversorgung lässt sich auch die Kashin-Beck-Krankheit zurückführen. Diese Erkrankung tritt meist im frühen Jugendalter auf. Dabei handelt es sich um eine Osteoarthropathie, die mit starken Gelenkverformungen einher geht. An der Pathogenese sind vermutlich noch weitere Faktoren wie Protein- und Jodmangel beteiligt [1; 3]. Erniedrigte Plasma-Selenspiegel (< 3 µg/dl) können auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder mit gastrointestinalen Erkrankungen beobachtet werden. Symptome eines Selenmangels sind Myopathien, Erhöhung der Lebertransaminasen und der Kreatinkinase, Nagelveränderungen (weiße Flecken) sowie dünne und blassere Haare. In vitro wurde zudem eine erhöhte Hämolyserate beobachtet. Ein marginaler Selenmangel bewirkt zwar einen Rückgang der Glutathion-Peroxidase, doch sind klinisch keine Symptome erfassbar [1].
Selen-Intoxikationen
Die therapeutische Breite von Selen ist relativ gering, doch häufig wird seine Toxizität überschätzt. Selbst bei einer langfristigen Aufnahme von 850 µg/d zeigen sich keine unerwünschten Effekte. Dieser Wert wurde als NOAEL festgelegt. Erste Nebenwirkungen konnten bei einer dauerhaften Aufnahme von 900 µg/d beobachtet werden. Eine Selenose liegt ab einer chronischen Zufuhr von etwa 1000 µg vor. Die Symptomatik umfasst Haarausfall, neurologische Störungen, Nagelveränderungen, Diarrhoe, knoblauchartigen Atem und Leberzirrhose [3]. Der Mechanismus für eine Selenintoxikation ist noch nicht geklärt. Möglicherweise greift Selen in zelluläre Oxidationsprozesse ein, indem die Sulfhydrylgruppen dehydrogenierender Enzyme durch -SeH ersetzt werden oder es inhibiert die Proteinsynthese. Das derzeitige Upper Level of Intake, das die Selenzufuhr aus Nahrung und Supplementen einbezieht, liegt bei 300 µg/d [1]. Bei einer Intoxikation sollte möglichst rasch Selen eliminiert werden, z.B. durch forcierte Diurese, wenn nötig Dialyse oder eine Komplexierung der Selenverbindungen. Bislang ist ungeklärt, ob reduzierende Agenzien wie Vitamin C verabreicht werden sollen, da es durch eine Reduktion möglicherweise zur Bildung von unlöslichem atomarem Selen kommt. Ebenso muss bei der Behandlung die chemische Form der Selenverbindung, die zur Intoxikation geführt hat, bekannt sein [2].
Selen in NahrungsergänzungsmittelnIn Europa dürfen Nahrungsergänzungsmittel mit Natriumselenat, -hydrogenselenit und -selenit angereichert werden. Selen ist sowohl als Einzelpräparat als auch in Kombination mit anderen Mineralstoffen und Vitaminen in Form von Selenhefe, Bierhefe, Natriumselenat und Natriumselenit im Handel erhältlich. In Deutschland empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung für Personen ab dem siebten Lebensjahr die Obergrenze von 30 µg/Tagesration einzuhalten. Diese ergibt sich, da in Deutschland bislang keine repräsentativen Daten über die Selen-Aufnahme vorliegen und somit kein tolerierbarer Gehalt in der Tagesration eines Nahrungsergänzungsmittels ermittelt werden kann [4]. Gegenwärtig scheint nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine Supplementation nicht notwendig [5]. |
Präventive und therapeutische Aspekte
Nach derzeitigem Kenntnisstand können Selen und andere Antioxidanzien einen Beitrag in der Krebsprävention leisten. Gerade in der Frühphase der Krebsentstehung kann Selen protektiv wirken, da es Zellstrukturen, etwa die DNS, vor oxidativen Schädigungen schützt. Ebenso wird die oxidative Aktivierung von procancerogenen Verbindungen minimiert. Für einen optimalen antioxidativen Schutz sollte nach derzeitigem Kenntnisstand die Selenaufnahme bei 100 µg/d liegen [3]. Dagegen ist nach Ansicht der DGE die Wirksamkeit noch nicht ausreichend geklärt, so dass eine Zufuhr, die über den aktuellen Schätzwerten liegt, nicht empfohlen werden kann. Gleiches gilt auch in Hinblick auf die Vorbeugung von Herzinfarkten oder Störungen des Immunsystems [5]. Es bestehen aber auch Hinweise aus experimentellen und klinischen Studien, dass Patienten mit einer HIV-Infektion von einer Selensupplementierung profitieren können. Oft weisen diese Personen niedrige Plasma-Selenkonzentrationen auf. Neben dem immunstimulierenden Effekt, inhibiert Selen möglicherweise auch die Replikationsrate des HI-Virus. Gegenwärtig werden dazu noch Untersuchungen durchgeführt [3].
Literatur
[1] Elmadfa, I, Leitzmann, C (2004): Ernährung des Menschen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 4., korrigierte und aktualisierte Auflage, 265-271.
[2] Biesalski, H.-K.; Köhrle, J.; Schümann, K. (2002): Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe – Prävention und Therapie mit Mikronährstoffen.Thieme, Stuttgart, 161-171.
[3] Hahn, A.; Ströhle, A.; Wolters, M.(2006): Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage, 156-159.
[4] Eisenbrand, G.; Schreier, P. (2006): Römpp Lexikon Lebensmittelchemie, Thieme, Stuttgart, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 1057-1058.
[5] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE); Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE); Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung (SGE) (Hrsg.)(2000): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Frankfurt/Main 1. Auflage, 195-200.
[6] Biesalski, H.-K. et al (Hrsg.) (2004): Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart, 3., erweiterte Auflage, S. 330.
Katja Aue
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