Alternativmedizin

Schüßler-Salze in der Praxis

Grundlagen und Wirkungsbereiche der Mineralstoffe nach Dr. Schüßler
Von Margit Müller-Frahling

Am 30. März jährt sich der Todestag von Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler, dem Begründer der "biochemischen Heilweise". Er starb vor 110 Jahren. Seine Heilweise gründet auf den physiologisch-chemischen Vorgängen im menschlichen Organismus. Mit der Zufuhr von zwölf Mineralstoffen soll der Mineralstoffhaushalt reguliert und die extra- und intrazellulären Konzentrationen der Mineralstoff-Ionen gesteuert werden. Seine heute als Schüßler-Salze bekannten biochemischen Funktionsmittel sind apothekenpflichtig. Sie werden in Deutschland als biochemische Tabletten, Triturationen, Globuli und Dilutionen angeboten. Durch die zunehmende Bekanntheit und Anwendung von Schüßler-Salzen wird es notwendig, zu dem Thema fachgerecht in der Apotheke zu beraten.

Der Oldenburger Arzt Dr. med. Wilhelm Schüßler (1821 bis 1898) veröffentlichte vor 135 Jahren im März 1873 die Grundzüge seines neuen Heilverfahrens unter dem Titel "Eine abgekürzte homöopathische Therapie" in der "Allgemeinen Homöopathischen Zeitung" [1]. Mit dieser öffentlichen Darlegung und den sich anschließenden Auseinandersetzungen begann die Entwicklung und Verbreitung einer neuen Heilweise, die bis heute weltweit Anhänger gefunden hat. Schüßler erkannte die Notwendigkeit einer ausreichenden und körpergerechten Mineralstoffzufuhr für den menschlichen Körper. Seine Heilweise benannte er: Biochemie. Sie baut auf der Grundlage allen Lebens auf: auf der einzelnen Zelle. Die Heilweise gründet auf den physiologisch-chemischen Vorgängen im menschlichen Organismus. Mit den zwölf Mineralstoffen nach Dr. Schüßler werden ausschließlich homogene Stoffe in potenzierter Form zugeführt. Ziel ist die Regulierung des Mineralstoffhaushaltes und die Steuerung der extra- und intrazellulären Konzentration der Mineralstoff-Ionen. Dadurch sollen mögliche Defizite der Zelle, die zu gesundheitlichen Störungen führen, ausgeglichen werden. Schüßler-Salze haben keine Nebenwirkungen und können altersunabhängig angewandt werden. Es gibt keine Kontraindikationen für Schwangere. Die homöopathische Zubereitung der Mineralstoffe dient der Vereinzelung der Moleküle, um ihre Aufnahme zu optimieren. Im Unterschied zu orthomolekularen Produkten werden die Mineralstoffe durch die Potenzierung stark "verdünnt". Schädliche Wirkungen sind daher auch bei höheren Dosierungen ausgeschlossen.

Viele Zeitschriften brachten in der letzten Zeit Sonderbeilagen zum Thema Schüßler-Salze und deren Anwendungsmöglichkeiten. Hier entsteht leider manchmal der Eindruck, es handle sich bei den biochemischen Funktionsmitteln um eine Art besseren Milchzucker, der beliebig anzuwenden sei. Schüßler-Salze haben allerdings ihren festen Platz in vielen Hausapotheken wegen ihrer Wirksamkeit erobert. Zweifel werden von pharmazeutischem und medizinischem Fachpersonal geäußert, weil für die Wirkung der Schüßler-Salze bis zum heutigen Tag zwar Erklärungsmodelle und Erfahrungsberichte, jedoch keine wissenschaftlichen Studien vorliegen. Für viele Anwender ist der wissenschaftliche Nachweis nicht wichtig, sie sehen die Wirkung der Schüßler-Salze in der Praxis bestätigt. In den Apotheken, in denen die biochemischen Mittel verkauft werden, sollte eine sachkundige Beratung die verantwortungsvolle Anwendung begleiten. Ein weiterer Pluspunkt der Beratung in den Apotheken ist, dass auch auf die Grenzen der Selbstmedikation hingewiesen wird.

Die besondere Qualität der Schüßler-Salze

Schüßler selbst konnte die Entwicklung, die seine biochemische Heilweise bis zum heutigen Tag nehmen würde, nicht voraussehen. Er hatte die Absicht, vor dem Hintergrund der zu seiner Zeit zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden ein neues Heilverfahren für Ärzte zu entwickeln. Dieses sollte wissenschaftlich begründet und mit einer begrenzten Anzahl von Mitteln einfach zu handhaben sein [2]. Deshalb stellte er Grundkriterien für seine Funktionsmittel auf, anhand derer er über die Aufnahme eines Funktionsmittels in seine biochemische Heilweise entschied. Nach Schüßler werden bis zu zwölf biochemische Funktionsmittel angewandt (siehe Tabelle unten). Seine Nachfolger führten bis zu 15 Erweiterungsmittel ein.

Als "natürliches Functionsmittel" [3] kommt nur eine anorganische Substanz in Betracht, die eine physiologische Funktion im Körper erfüllt.

Der anorganische Stoff muss daher im konstanten Bestand des Körpers und als physiologisch notwendig nachgewiesen sein, also essenziellen Charakter tragen. Das bedeutet, dass im Fall eines Mangels entsprechende Mangelerscheinungen (Störungen oder sogar Krankheitsbilder) auftreten.

Schüßler wählte die Funktionsmittel, die als "Gewebebildner" [4] erkannt wurden. Er suchte nicht einzelne Elemente aus, sondern Mineralstoffverbindungen, die in ihrer spezifischen Zusammensetzung dem Bedarf des Körpers angepasst sein sollten. Für die unterschiedlichen Verbindungen beschrieb er spezifische Funktionen. Beispielsweise wählte er Calcium in Verbindung mit Phosphor und Calcium in Verbindung mit Schwefel. Calcium phosphoricum werden aufbauende und regenerierende Funktionen zugeordnet, Calcium sulfuricum ausscheidungsfördernde Funktionen.

Die Funktionsmittel sollten der Zelle (den Geweben) direkt zur Verfügung gestellt werden. Der Körper sollte sie unmittelbar verwerten können, ohne dass aufwendige Verarbeitungsprozesse notwendig wären. Dazu mussten die Mittel potenziert (verdünnt) werden. Grundlage seiner gewählten Potenzierungsstufen waren Berechnungen [5]. Mit der Verdünnung sollten zudem mögliche Gefahren einer zu hohen Dosierung eines Mineralstoffs vermieden werden: "Jedes biochemische Mittel muss so verdünnt sein, dass die Funktionen der gesunden Zellen nicht gestört, vorhandene Funktionsstörungen ausgeglichen werden können" [6].

Schüßler empfahl generell die sechste Dezimalpotenz (D 6). Ausnahmen hiervon sind die Funktionsmittel Calcium fluoratum (Nr. 1), Ferrum phosphoricum (Nr. 3), Silicea (Nr. 11), für die er die 12. Dezimalpotenz (D 12) empfahl. Auch aus heutiger Sicht empfiehlt es sich nicht, bei der allgemeinen Anwendung von den Regelpotenzen Schüßlers abzuweichen. Dies sollte allenfalls zu therapeutischen Zwecken geschehen.


110. Todestag von Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler

Dr. med. Wilhelm Heinrich Schüßler wurde am 21. August 1821 in Zwischenahn im damaligen Herzogtum Oldenburg geboren. Er studierte Medizin in Paris, Berlin, Gießen und Prag. 1858 eröffnete er seine Praxis in der Stadt Oldenburg und praktizierte zu Beginn seiner Tätigkeit nach den Grundsätzen der Homöopathie.

Angeregt durch die Arbeiten des Chemikers Justus von Liebig (1803-1873), des niederländischen Professors Jacob Moleschott (1822−1893) und die Veröffentlichungen des Zellular-Pathologen Rudolf Virchow (1821−1902) setzte er sich mit den anorganischen Stoffen im menschlichen Körper auseinander. Er führte die anorganischen Stoffe, die damals im Blut und in den Geweben nachgewiesen wurden, als verdünnte biochemische Funktionsmittel in seiner Praxis ein. In seinen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und seiner praktischen Tätigkeit als Arzt bestimmte er zwölf Mineralstoffverbindungen als biochemische Funktionsmittel, die er im Jahr 1874 in seiner Grundlagenschrift "Eine abgekürzte Therapie gegründet auf Histologie und Cellular-Pathologie" veröffentlichte. Das Funktionsmittel Nr. 12 Calcium sulfuricum nimmt eine Sonderstellung ein. Schüßler entfernte es 1895 aus seiner Therapie aufgrund falscher Informationen. Er arbeitete bis zu seinem Tod am 30. März 1898 an seinem Lebenswerk. Immer wieder nahm er Korrekturen vor, prüfte erneut und ergänzte neue Indikationen. Kurz vor seinem Tod vollendete er die Arbeiten an der 25. Auflage seiner "Abgekürzten Therapie".

Die zwölf Mineralstoffe nach Dr. Schüßler und ihre Wirkungsweise
Nr.
Funktions-
mittel
Regelpotenz nach Schüßler
Wirkungsbereich/Funktion
zugeordnetes Organ
körperliche Zeichen
1
Calcium
fluoratum
D 12
Elastizität der Gewebe, Aufbau der schützenden Körperhüllen
Haut, elastische Fasern und Gewebe (Sehnen, Bänder, Gefäßwände), Knochenhaut, Zahnschmelz
Karies, Bänderschwäche, Krampfadern, Hornhaut, Hautrisse, Schrunden, Schulkopfschmerz
2
Calcium
phosphoricum
D 6
Regeneration und Aufbau (Blut, Zelle), Knochenbildung, Eiweißverarbeitung, Entspannung der Muskulatur, Beruhigung des Herzens
Knochen, Zahnbein, Blut, willkürliche Muskulatur
Nasenbluten, Blutarmut, Muskelkrämpfe, Taubheitskribbeln, Nasenpolypen
3
Ferrum
phosphoricum
D 12
"Erste-Hilfe-Mittel", Transport von Sauerstoff, Energiegewinnung
Blut, Darm
Entzündungen, im ersten Stadium einer Krankheit, pulsierende, klopfende Schmerzen, leichtes Fieber (bis 38,5 °C), Ohrenschmerzen, Konzentrationsschwäche, Durchfall, Verstopfung
4
Kalium
chloratum
D 6
Drüsenbetriebsstoff, Entgiftung, steht in Beziehung zum Aufbau der Fasern
Drüsen,
Bronchien
weißlich-schleimige Ausscheidungen, Husten, Hautgrieß, weiße Warzen, Blutverdickung
5
Kalium
phosphoricum
D 6
Nerven- und Gehirnmittel, Energie, Gewebeaufbau, Muskelanregung, biochemisches Antiseptikum
ZNS, Muskeln, Milz
Mundgeruch, Zahnfleischbluten, angegriffene Nerven, Ängstlichkeit, Weinerlichkeit, permanente Müdigkeit
6
Kalium
sulfuricum
D 6
Sauerstoffübertragung in die Zelle, Pigmentierung der Oberhaut, Entgiftung
Haut, Schleimhäute, Bauchspeicheldrüse, Leber
Hautkrankheiten, Pigmentflecken, Völlegefühl nach dem Essen, "Lufthunger", chronische Krankheiten
7
Magnesium
phosphoricum
D 6
Steuerung des vegetativen Nervensystems
Unwillkürliche Muskulatur, Herz, Darm, Drüsen, Knochen
blitzartig einschießende Schmerzen, Krämpfe, Periodenschmerzen, Schlafstörungen, Verlegenheitsröte
8
Natrium
chloratum
D 6
Entgiftung, Gewebeaufbau, Regulierung des Flüssigkeits- und Wärmehaushalts
Schleimhäute, Knorpel, Niere, Blut
wässriger Schnupfen, Gelenkgeräusche, Arthrose, trockene Schleimhäute, trockene Augen, trockene Haut, Geruchsverlust, Geschmacksverlust, kein Durstgefühl, starker Durst
9
Natrium
phosphoricum
D 6
Regulierung des Säurehaushalts und des Fettstoffwechsels, Zuckerabbau
Lymphe, Nerven, Magen
Sodbrennen, Pickel, Mitesser, fette oder fettarme Haut, Rheuma, Windeldermatitis
10
Natrium
sulfuricum
D 6
Entgiftung, Entschlackung
Galle, Dickdarm, Leber
Geschwollene Beine/Hände/Augenlider, Tränensäcke, stinkende Blähungen, Katergefühl, Herpes
11
Silicea
D 12
Festigkeit des Bindegewebes, Bindung von Säuren
Bindegewebe, Haut, Haare,
Nägel
schlechtes Bindegewebe, Schwangerschaftsstreifen, Zuckungen der Muskeln/Lider, Kahlköpfigkeit, Falten, Hand- und Fußschweiß
12
Calcium
sulfuricum
D 6
Durchlässigkeit
des Bindegewebes, Eiweißabbau
Muskeln, Leber, Galle, Bindegewebe
chronische Eiterungen, eitrige Mandelentzündung, Abszess, Rheuma, Gicht, wenn ein Prozess ins Stocken gekommen ist

Funktionsmittel sind keine Nahrungsergänzung

Mit seinen Funktionsmitteln wollte Schüßler die "von der Norm abgewichene physiologische Chemie" [7] korrigieren, d. h. aus heutiger Sicht, Störungen der mineralischen Versorgung, Zusammensetzung und die zugehörigen Regulationsprozesse des Organismus positiv beeinflussen. Die Aufnahme der Funktionsmittel erfolgt über Mundschleimhaut, Rachen und Schlund. Etwaige Verwertungsstörungen des Magen- und Darmtraktes haben daher keinen Einfluss auf die Aufnahme. Der Organismus kann die Moleküle direkt aufnehmen und verwerten.

Mit Bezug auf Rudolf Karl Virchow (1821 bis 1902) und dessen Arbeiten zur Zellularpathologie wollte er die anorganischen Stoffe in einer geeigneten qualitativen Form als Heilmittel zuführen. Aus heutiger Sicht ging es Schüßler um die "Bioverfügbarkeit" der anorganischen Stoffe. Keineswegs war es Schüßlers Absicht, die Zufuhr der notwendigen Quantität der anorganischen Stoffe mit seinen Funktionsmitteln zu erreichen. Er fasste seine Mittel nie als "Nahrungsergänzungsmittel" auf.

Schüßler verfolgte zwei Ziele:

  • die Deckung des Defizits an Mineralstoffen, das die Zelle im Stoffwechsel erleidet,
  • die Regulierung der von ihm beschriebenen Bewegungsstörungen der Moleküle [8].

Schüßler differenzierte die Mineralstoffe in Baumaterial und Funktionsmittel: "Baumaterial sind sie durch ihre Masse, Funktionsmittel durch ihre Qualität" [9]. Zwischen den Mineralstoffbereichen extrazellulär und intrazellulär gibt es ein Konzentrationsgefälle, das für einen gesunden Organismus stabil bleiben muss.

Die Mineralstoffe nach Dr. Schüßler können und sollen die Menge an Mineralstoff, die ein gesunder Organismus benötigt, nicht ersetzen. Der Mineralstoff Calcium sollte beispielsweise nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) täglich in einer durchschnittlichen Menge von 900 mg aufgenommen werden. In der Verdünnung, die der D 6 entspricht, kommt ein Gramm Wirkstoff auf eine Tonne Milchzucker, in der Verdünnung D 12 eine Million Tonnen Milchzucker auf ein Gramm Wirkstoff.

Homöopathie oder Biochemie?

Bis heute ist die Auseinandersetzung über die Abgrenzung der Biochemie nach Dr. Schüßler zur Homöopathie nicht abgeschlossen. Das ist verständlich, da Schüßler zunächst als homöopathischer Arzt tätig war und seine biochemische Heilweise aus dieser Praxis heraus entwickelte. Die Funktionsmittel werden auch heute nach dem Homöopathischen Arzneibuch (HAB) hergestellt. Das nährt das Missverständnis, die Biochemie nach Dr. Schüßler sei eine homöopathische Therapie. So verstanden werden die Funktionsmittel in sehr geringen Gaben und nur eine begrenzte Anzahl der Mittel gleichzeitig angewandt. Dies wird leider dem Bedarf der betroffenen Menschen in vielen Fällen nicht gerecht.

Schüßler setzte sich bereits im Jahr 1863 intensiv mit der Frage auseinander, welchen Nutzen homöopathische Verreibungen haben können [10]. Er sah den Potenzierungsvorgang als Möglichkeit zur Vereinzelung der Moleküle an, im Unterschied zu Samuel Hahnemann, der in dem Potenzierungsvorgang eine energetische Wirkung im Sinne einer Kraftsteigerung annahm.

Da Schüßler seine neue biochemische Heilweise auf der Grundlage seiner praktischen Tätigkeit als homöopathischer Arzt entwickelte, ist verständlich, dass er seine Überlegungen im Jahr 1873 zunächst als "Abgekürzte homöopathische Therapie" veröffentlichte. In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Schüßler und Vertretern der Homöopathie. Im theoretischen Diskurs und seinen zunehmenden praktischen Erfahrungen grenzte Schüßler seine Heilweise von der Homöopathie ab. Im Jahr 1876 entschloss er sich, aus dem homöopathischen Verein auszutreten und das Wort "Homöopathie" konsequent durch das Wort "Biochemie" zu ersetzen [11]. Unmissverständlich nahm er 1879 zu den Unterschieden der beiden Heilweisen Stellung: "Zwischen der Hahnemann’schen Homöopathie und meiner Heilmethode besteht der folgende Unterschied: Mein Verfahren ist eine directe Biochemie, weil ich Substanzen anwende, welche den, in den erkrankten Geweben enthaltenen homogen sind. Die Hahnemannianer gleichen durch heterogene Mittel die Störung der Molekularbewegung in den erkrankten Geweben aus. Sie üben also eine indirecte Biochemie. (...) In den Fällen z. B., wo sie Natrium muriaticum, Calcarea phosphorica und Silicea anwenden, üben sie eine directe Biochemie; denn diese Substanzen sind natürliche Functionsmittel der Gewebe [12]." Noch im März 1898 schrieb Schüßler ausdrücklich in das Vorwort seiner letzten Auflage: "mein Heilverfahren ist aber kein homöopathisches (...) [13]."

Biochemische Funktionsmittel aus heutiger Sicht

Für eine Indikation leitete Schüßler die Auswahl und Dosierung (Verdünnungsstufe und Häufigkeit der Gaben) der biochemischen Funktionsmittel aus theoretischen Erwägungen und den praktischen Ergebnissen ab. Das ist bis heute so geblieben. Die Aussagen Schüßlers wurden verschieden interpretiert. Das hat zu unterschiedlichen Annahmen von möglichen Wirkmechanismen geführt und damit auch zu unterschiedlichen Angaben in Bezug auf mögliche Kombinationen der Funktionsmittel und deren Dosierung. Die damit einhergehende Verwirrung in der Handhabung der Mittel ist bedauerlich, da die Biochemie nach Dr. Schüßler eine wertvolle Hilfe darstellen kann. Dazu muss sie theoretisch und praktisch an die heutigen Anforderungen angepasst werden. Schüßler verfolgte die Fortschritte in Forschung und Wissenschaft sehr genau [14]. Er bestimmte die Zusammensetzung seiner biochemischen Funktionsmittel auf der Basis der damaligen Untersuchungsmethoden. Daher nahm er an, dass die Mineralstoffe in den durch Aschenanalysen nachgewiesenen Verbindungen als Moleküle im menschlichen Körper vorhanden und auch in dieser Form in die Zelle permeieren würden. Schüßler hatte vor über 130 Jahren keine Kenntnis davon, dass Anorganika nur als Ionen in die Zelle transportiert werden oder durch Ionenkanäle in die Zelle permeieren. Er ging davon aus, dass die Moleküle die kleinsten Einheiten darstellen würden. Dieses Verständnis muss entsprechend korrigiert werden. Die von Schüßler bereits angenommenen molekularen Bewegungen können sich entsprechend der Erkenntnisse in der biologischen Medizin nach heutigem Wissen auf

  • Bewegung der Ionen im extra- und intrazellulären Raum und auf
  • durch anorganische Moleküle ausgelöste Bewegungen organischer Moleküle beziehen [15].

Die Dosierung und die Anzahl der biochemischen Funktionsmittel richten sich grundsätzlich nach dem Bedarf. Dieser ist individuell und wird aus den Erfahrungen entsprechend der Störungen, der Bedürfnisse (beispielsweise Schokoladenhunger als Zeichen für Nr. 7 Magnesium phosphoricum) und mithilfe der Antlitzanalyse ermittelt.

Die Antlitzanalyse

Die Biochemie nach Dr. Schüßler ist nicht statisch, sie wurde bereits zu Schüßlers Lebzeiten in den neu gegründeten biochemischen Vereinen diskutiert und weiterentwickelt. Das ist bis heute so geblieben. In ihrer Geschichte wurde sie vielfach verändert. Kurt Hickethier (1891 bis 1958) erforschte zum Beispiel für elf biochemische Funktionsmittel Charakteristika im Antlitz des Menschen [16] und entwickelte so die Grundlagen der heutigen Antlitzanalyse. Sie ist zu einem Instrument der Biochemie nach Dr. Schüßler geworden, um die notwendigen Funktionsmittel für die betreffende Person optimal zu bestimmen. Die Zeichen im Antlitz sind bereits sichtbar, bevor körperliche Störungen auftreten. Bei der Antlitzanalyse wird der Zustand der Haut (Färbungen, Turgor, Hautstrukturen, Falten) als Hinweis auf den Versorgungszustand des betreffenden Menschen an biochemischen Funktionsmitteln hinzugezogen. Die antlitzanalytischen Kennzeichen wurden in der Anwendungspraxis zunächst durch Beobachtung erforscht. Sie verändern sich nach ausreichender Einnahme des jeweils angezeigten biochemischen Funktionsmittels. Die Antlitzanalyse darf nicht mit der Irisdiagnostik verwechselt werden, die von manchen naturheilkundlichen Behandlern als Diagnoseverfahren praktiziert wird. Heute gibt es für jedes der zwölf Funktionsmittel nach Dr. Schüßler antlitzanalytische Kennzeichen, die wichtige Hinweise auf einen Bedarf sein können und die die Bestimmung des notwendigen Funktionsmittels wesentlich erleichtern.

Schlussfolgerungen für die praktische Anwendung

Ein Bedarf an Funktionsmitteln kann sich in einer ungenügenden Steuerung und Verwertung der lebensnotwendigen Mineralien im Organismus zeigen. Die Einnahme der biochemischen Funktionsmittel muss nicht notwendigerweise mit einem weiteren Mineralstoffpräparat unterstützt werden, sondern die Zufuhr kann über eine ausgewogene Ernährung erfolgen. Die Einnahme höher dosierter Mineralstoffpräparate (Dosierung mindestens gleich oder über der von der DGE empfohlenen Tageszufuhr) sollte mit den jeweiligen Funktionsmitteln begleitet werden, damit deren Aufnahme und Verwertung optimiert werden.

Die Gaben der biochemischen Funktionsmittel müssen so dosiert sein, dass eine Regulierung der vorhandenen Störungen möglich wird. Bei chronischen Störungen kann daher eine Einnahme über einen langen Zeitraum notwendig sein. Die Ermittlung des Bedarfes ist daher unabdingbar, um eine zielführende Anwendung zu erreichen.

Ein höherer Bedarf kann nur durch Steigerung der Tablettenanzahl gedeckt werden, da die allgemein optimale Aufnahme einer festgelegten Verreibungsstufe bedarf.

Grundsätzlich bestimmt der Bedarf die Dosierung. Hierbei gibt es nicht "richtig und falsch". Es gibt Menschen, die auf kleinere Mengen am Tag (3 Tabletten von einem Mittel) positive Veränderungen vermerken und andere Menschen wiederum, die hierfür eine Dosierung von 30 Tabletten am Tag anwenden.


Allgemeine Empfehlung zur Dosierung:

  • Prophylaxe: 3 bis 5 Tabletten am Tag,
  • besondere Belastungssituationen: mindestens 12 Tabletten am Tag,
  • akute Störungen: jede 5 Minuten eine Tablette im Mund zergehen lassen,
  • chronische Fälle: langfristige Einnahme von 7 bis 10 Tabletten am Tag.

Sensible, ältere und besonders belastete Menschen sollten mit einem Drittel der angegebenen Dosierung beginnen. Die Dosierung wird langsam im Rhythmus von sieben Tagen gesteigert. Stellt sich der gewünschte Erfolg ein, wird die Dosierung nicht weiter gesteigert.

Eine Überdosierung an Mineralstoff kann aufgrund der Verdünnung nicht erfolgen.

Bei der Auswahl der Potenzen sollten die in der biochemischen Praxis bewährten Potenzen gewählt werden, um die höchstmögliche Wahrscheinlichkeit der Wirkung zu erreichen. Abweichungen empfehlen sich nicht in der generalisierten Anwendung, sondern nur in spezifischen Fällen, eventuell zu therapeutischen Zwecken.

Die Schüßler-Salze können – müssen bei einigen Beschwerdebildern – aufgrund ihrer Verdünnung und spezifischen Zusammensetzung nach Bedarf miteinander kombiniert werden. Es gibt keine Gegenspieler und keine Begrenzung in der Anzahl der zu kombinierenden Schüßler-Salze. Für die Auswahl einer Kombination können Einnahmepläne genutzt werden, die auf der Basis vielfältiger praktischer Erfahrungen zusammengestellt wurden.

In akuten Situationen zeigt sich ein hoher Bedarf an einem oder wenigen Schüßler-Salzen. Einnahmepläne werden jetzt unterbrochen und nur die Schüßler-Salze angewendet, die vordringlich sind.

Die Schüßler-Salze können und sollen auch in der Gesundheitsvorsorge eingesetzt werden, da sie Störungen vorbeugen helfen. Je gesünder ein Mensch ist, desto mehr verschiedene Schüßler-Salze können in einer gleichmäßig niedrigen Dosierung genommen werden.

Schüßler-Salze können als Bestandteil eines Konzeptes ganzheitlicher Gesundheitspflege betrachtet werden. Hierzu gehören darüber hinaus Eckpunkte wie Ernährung, Bewegung und psychisches Wohlbefinden. Zunehmend erleiden Menschen beispielsweise durch Stress und mangelhafte Ernährung Defizite in ihrem Mineralstoffhaushalt und daraus resultierende Störungen. Gleichzeitig fordern immer mehr Menschen in den Apotheken Beratung zu Fragen der Gesundheitspflege und -prophylaxe. Kompetente Beratung in gesundheitsfördernden und komplementärmedizinischen Bereichen in der Apotheke ist darüber hinaus ein Faktor, der entscheidende Attraktivitätsvorteile gegenüber Versandapotheken bringen kann. Die Biochemie nach Dr. Schüßler kann in der Beratungsarbeit der Apotheke eine wertvolle Dienstleistung für komplementärmedizinisch orientierte Kunden sein.


Literaturtipp


Margit Müller-Frahling und Birte Kasperzik

Biochemie nach Dr. Schüßler
Grundlagen – Praxis – Antlitzanalyse

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Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2007.

ISBN 978-3-8047-2356-6

 

Quelle

[1] Platz, H. (1921): Dr. Schüßler und seine biochemische Heilmethode. Dr. Willmar Schwabe, Leipzig, S. 29

[2] Schüßler, W. H. (1874): Eine Abgekürzte Therapie, gegründet auf Histologie und Cellular-Pathologie, Druck und Verlag der Schulzeschen Buchhandlung C. Berndt und A. Schwartz, Oldenburg, S. 3

[3] Schüßler, W. H. (1875): Eine Abgekürzte Therapie, gegründet auf Histologie und Cellular-Pathologie, 2. verm. Aufl. Druck und Verlag der Schulzeschen Buchhandlung, Oldenburg, S. 5

[4] Moleschott, Jacob (1857): Der Kreislauf des Lebens. Physiologische Antworten auf Liebig’s Chemische Briefe. 3., verm. u. verbess. Aufl. Victor von Zabern, Mainz, S. 159

[5] Schüßler, W. H. (1898): Eine Abgekürzte Therapie. Anleitung zur biochemischen Behandlung der Krankheiten. 25. Auflage, Schulzesche Hof-Buchhandlung und Hof-Buchdruckerei, Oldenburg, S. 12

[6] Schüßler, W. H. (1898), S. 10

[7] Schüßler, W. H. (1898), S. 9

[8] Schüßler, W. H. (1898), S. 8

[9] Schüßler, W. H. (1874), S. 3

[10] Schüßler, W. H. (1863): Populäre Darstellung des Wesens der Homöopathie oder Erörterung der Frage: Was ist eigentlich Homöopathie? In: Commission bei Ferdinand Schmidt, Oldenburg, S. 23/ 24

[11] Lindemann, G. (1992): Dr. med. Wilhelm Heinrich Schüßler. Sein Leben und Werk. Isensee Verlag, Oldenburg, S. 43

[12] Schüßler, W.H. (1879): Die Heilung der Diphtheritis auf biochemischem Wege. Ein Wort an gebildete Laien von Dr. med. Schüssler. Schulzesche Hof-Buchhandlung und Hof-Buchdruckerei, Oldenburg, S. 13/ 14

[13] Schüßler, W. H. (1898), S. 4

[14] Egger, Hartwig: Wilhelm Heinrich Schüßler war ein Fan von Jacob Moleschott, in Weg zur Gesundheit, 6/ 2005, S. 156/ 157

[15] Heine, H. (2007): Lehrbuch der biologischen Medizin, Grundregulation und Extrazelluläre Matrix. 3., vollst. überarb. Aufl. Hippokrates, Stuttgart/Leipzig, S. 53-55

[16] Hickethier, K.: Sonnerschau - Lehrbuch der Antlitzdiagnostik, Verlag Charlotte Depke, Kemmenau, 7. Auflage 1993

[17] Müller-Frahling, M.; Kasperzik, B. (2007): Biochemie nach Dr. Schüßler. Grundlagen, Praxis, Antlitzanalyse. 2., unveränd. Aufl. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, S. 226 ff

 


Anschrift der Verfasserin

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