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Feuilleton
Die Powerfrauen der Pharmazeutischen Wissenschaften – eine Reflexion
Der angesprochene Aufsatz [1] besteht aus einem allgemeinen Teil und einem speziellen, welch letzterer wiederum insbesondere dazu dienen kann, den ersteren mit vielfältigen Details zu unterfüttern.
Worum geht es aber nun letztlich? Scheinbar macht dies die Überschrift deutlich, aber eben nur scheinbar. Einen ersten Hinweis findet man im Aufsatz selbst, wenn – ein einziges Mal – Powerfrauen in einer Zwischenüberschrift angesprochen werden, hier aber in Anführungszeichen.
Endgültig zu stutzen beginnt man aber im Zeitalter der Internet-basierten Enzyklopädien, wenn man in Wikipedia wider Erwarten weder einen Eintrag Powerfrauen noch power woman findet. Der Begriff Powerfrau ist also womöglich gar nicht so etabliert, wie es prima facie erscheinen mag. Und Entsprechendes gilt für seinen vermuteten Ursprung im Englischen: Ein Internet-Wörterbuch erklärt power woman sogar für einen Terminus der Umgangssprache, vorgeschlagen werden woman of power und – man beachte die für das Englische eher ungewöhnlich umständliche Konstruktion – high-powered career woman.
Noch mag man mutmaßen, zumindest einschlägige Monographien könnten einem weiterhelfen. Ein soeben auch als Taschenbuch verfügbar gemachtes Werk (das somit zumindest auf eine gewisse Resonanz trifft) kann hier sicherlich auch nicht weiterhelfen: "Verrückter kann man gar nicht leben: Ärztin, Nonne, Powerfrau" von Ruth Pfau. Und das gilt, obwohl das Werk wider den ersten Anschein sogar mit Arzneimitteln zu tun hat – Frau Pfau hat sich um die Ausrottung der Lepra mit innovativen Medikamenten-Behandlungsstrategien in der dritten Welt, speziell Pakistan, verdient gemacht.
Entsprechendes gilt im Grundsatz für ein schon etwas älteres Werk von Petra Pfannes mit dem Titel: "‚Powerfrau’, ‚Quotenfrau’, ‚Ausnahmefrau’ …?". Schauen wir an diesem Punkt kurz über die Grenzen, so finden wir insbesondere "The rise of public woman" von Glenna Matthews und "Woman and power in history" von Amaury de Riencourt.
Jetzt bleibt eigentlich nur noch die Hoffnung, von Journalisten Erhellendes zur Sache geboten zu bekommen. Immerhin wird man im Handelsblatt fündig. Unter dem Datum des 8. 3. 2007 findet sich dort der Aufsatz von Julia Leendertse: "Trümmerfrau ja, Powerfrau nein, danke". Die Hauptbotschaft besteht darin, dass deutsche Manager sich eine starke Großmutter wünschen! Dass sie für starke Kolleginnen auf Vorstandsebene definitiv keinen Sinn haben, wird in der Tat zweifelsfrei durch aktuelle Statistiken belegt. Spätestens hier wird deutlich, was Pharmazeutinnen und womöglich auch die "Pharmazeutischen Wissenschaften" früheren Frauenbeauftragten wie Kollegen Roth zu verdanken haben!
Dennoch muss aber auch das Begriffspaar Trümmerfrau und Powerfrau kurz näher überdacht werden. Wenn es denn so wäre, dass Frauen erst in primär hoffnungslos erscheinendem Kontext bei weitgehender Abwesenheit von einsatzfähigen Männern als Leistungsträger akzeptiert werden, müsste man sich fragen, wo denn die Hochschulpharmazie heute steht. (Vor welchem Hintergrund Frauen der Geschichte wie zum Beispiel Margaret Thatcher an die Macht gelangten, soll hier gar nicht näher untersucht werden; Maria Theresia von Österreich aber kam fraglos wegen des fehlenden männlichen Erben und der deshalb erlassenen pragmatischen Sanktion zur Regentschaft.) Wie von Kollegen Roth hervorgehoben, ist heute der Anteil weiblicher Hochschullehrer in der Pharmazie höher als an der Universität allgemein. Er liegt aber immer noch ganz erheblich unter dem Anteil weiblicher Studierender des Fachs Pharmazie – also ist auch hier nur ein Teilerfolg erzielt.
Dies gilt es sicher auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass bei den Lernenden in der Pharmazie heute Studentinnen deutlich überwiegen. Noch viel deutlicher wird dieses Übergewicht der Frauen in den Apotheken allgemein. Tatsächlich hat die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände kürzlich für die Apotheke geworben mit "122.000 Mal Frauenpower".
Spätestens hier kommt einem der extrem hohe Frauenanteil im Friseurhandwerk in den Sinn und damit die Frage, ob ein hoher Anteil von Frauen in einem bestimmten Berufsfeld überhaupt auf "Power" hinzudeuten vermag.
An diesem Punkt gilt es, sich das Augenmaß zu bewahren. Die Zunahme an Berufungen auf Professorenstellen ab den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat vermutlich die wissenschaftliche Pharmazie wesentlich vorangebracht, indem bis dahin ungenutzte Humanressourcen erschlossen wurden. Meinungsbildner wie Kollege Roth haben sich damals mit ihrem einschlägigen Wirken große Verdienste erworben. Heute freilich geht es um die Sicherstellung einer wissenschaftlichen, und das heißt universitären Pharmazie. Dabei kommt zentrale Bedeutung der Bereitstellung von "Power-Professoren" zu – grundsätzlich ganz gleich welchen Geschlechts. Selbstverständlich darf darüber auch nicht mehr in Vergessenheit geraten, dass das Führungskräftepotenzial für welche Spezialität auch immer in einem Lande begrenzt ist und die Berücksichtigung von Frauen im hinreichenden Umfang damit unverzichtbar. Darauf weist denn auch das aktuelle Gutachten von McKinsey hin.
Zur Sicherung des Standorts Deutschland lassen Sie uns alle also damit fortfahren, mehr qualifizierte Studierende beiderlei Geschlechts für die Natur- und Biowissenschaften zu begeistern. Karrieremöglichkeiten in der Pharmazie gibt es jedenfalls genügend.
Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting
Vizepräsidentin Biowissenschaften und Forschung FU Berlin
Literatur
Roth, H. J.: Die Powerfrauen der Pharmazeutischen Wissenschaften – Eine Chronologie und Bestandsaufnahme, nicht ganz frei von eigenen Erlebnissen. Dtsch. Apoth. Ztg. 148 (15), 1546-1571 (2008).
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