Praxis aktuell

Blutdruck kann man nicht spüren, nur (richtig) messen

Viele Kunden möchten ihren Blutdruck selbst messen und das kann eine sinnvolle Ergänzung zur Messung in der Arztpraxis sein. Denn so werden zahlreiche Messwerte an verschiedenen Tagen bestimmt, die eher dem wirklichen Blutdruck im Alltag entsprechen. Doch was auf den ersten Blick so einfach aussieht, hat in der Praxis seine Tücken. Deshalb ist eine gute Beratung sowohl bei der Auswahl eines Gerätes als auch zum korrekten Umgang mit dem Gerät notwendig.

Grundsätzlich müssen Blutdruckmessgeräte reproduzierbare Ergebnisse liefern, eine gute Anzeige- und Messgenauigkeit haben. Zur Beurteilung gibt es ein spezielles klinisches Prüfverfahren DIN EN 540. Erfahrungsgemäß treten jedoch bei jeder vierten bis sechsten Messung Messfehler mit Abweichungen von bis zu 10 mmHg auf. Deshalb vergibt die Deutsche Hochdruckliga e.V. ein eigenes Prüfsiegel, das über die Kriterien der DIN-Norm hinausgeht. Dabei werden insbesondere bei der Auswahl der Probanden und der Schulung der Prüfer weitergehende Anforderungen erfüllt. Die Hersteller der Blutdruckmessgeräte müssen von sich aus das Prüfsiegel bei der Deutschen Hochdruckliga beantragen (siehe Kasten). Geräte mit diesem Prüfsiegel gelten hinsichtlich ihrer Messgenauigkeit für die Anwendung zu Hause als besonders empfehlenswert.


Zur besseren Vergleichbarkeit von Blutdruckmessgeräten haben die amerikanische Gesellschaft zur Fortentwicklung medizinischer Instrumente und die britische Hypertonieliga strenge Prüfkriterien für diese Geräte entwickelt. Auch die Deutsche Hochdruckliga vergibt ein Gütesiegel, das gleichartige Anforderungen an die Geräte stellt. Ziel ist es, durch Verleihen eines qualifizierten Prüfsiegels die Messgenauigkeit von Blutdruckmessgeräten zu verbessern. Geprüft wird nur auf Antrag des Herstellers. Hier die Messgeräte, die 2007 für ihre zuverlässige Messgenauigkeit das Prüfsiegel der Deutschen Hochdruckliga erhalten haben.

Oberarm-Messgeräte
Hartmann Tensoval duo control (2007) Hartmann Tensoval comfort (2007)
microlife BP A 100 plus (2007)
Omron M5 Professional
Panasonic EW 3152 (2007)
Scala DB 61 M

Handgelenk-Messgeräte
microlife BP W 100 (2007)
Omron R5 Professional

Quelle: www.hochdruckliga.de

Oberarm oder Gelenk?

Unterschieden werden Blutdruckmessgeräte mit Oberarmmanschette oder zur Messung am Handgelenk. Bei allen Geräten muss eine Schnellentlüftung der jeweiligen Manschette möglich sein. Blutdruckmessgeräte für das Handgelenk sind stets vollautomatisch und die Messung erfolgt oszillatorisch, wird also durch die Druckschwankung der Pulswelle ausgelöst. Oberarmmanschettengeräte werden auch als halbautomatische oder auskultatorische Geräte angeboten. Für den Laien wird im Regelfall ein vollautomatisches Gerät die bessere Wahl sein, da das Abhören der Blutflussgeräusche (Korotkow-Geräusche) mit dem Stethoskop entfällt. Die Oberarmmanschette drückt durch das Aufpumpen auf die Oberarmarterie. Mit dem Stethoskop in der Ellenbeuge kann nach komplettem Aufpumpen kein Puls- oder Blutfließgeräusch festgestellt werden. Das erste wahrnehmbare Geräusch wird dem systolischen Wert zugeordnet. Zu hören ist der Auswurf des Blutes durch die Herzkontraktion. Bei weiterem Entlüften der Manschette sind diese Geräusche noch eine Weile zu vernehmen, verschwinden dann aber mit Erschlaffen des Herzmuskels. Dieser Moment entspricht dem diastolischen Blutdruckwert.


Entstehung der Gefäßgeräusche In Abhängigkeit vom Manschettendruck und der Durchgängigkeit der Oberarmarterie entstehen Puls- oder Blutflussgeräusche, die sogenannten Korotkow-Geräusche. Bei vollautomatischen Geräten erfolgt die Messung der Druckschwankung der Pulswelle oszillatorisch, bei auskultatorischen Geräten müssen die Blutflussgeräusche mit dem Stethoskop abgehört werden.

Beim Anlegen der Oberarmmanschette muss auf guten Sitz geachtet werden, weshalb für Kinder oder Patienten mit dickeren Oberarmen als Zubehör für einige Geräte Spezialmanschetten erhältlich sind. Dies muss bei der Auswahl eines entsprechenden Gerätes von vornherein beachtet werden, da nicht alle Hersteller Wechselmanschetten anbieten. Die üblichen Standardmanschetten sind für Menschen mit 22 bis 32 cm Oberarmumfang ausgelegt. Wird eine zu enge Manschette genutzt, so können zu hohe Werte resultieren, bei einer zu weiten Manschette besteht die Gefahr, den tatsächlichen Blutdruck zu unterschätzen.


Einteilung der Hypertonie im Erwachsenenalter
Blutdruck
systolisch [mmHg]
diastolisch [mmHg]
optimal
< 120
< 80
normal
< 130
< 85
hochnormal
130 bis 139 oder
85 bis 89
Hypertonie
Stadium 1
140 bis 159 oder
90 bis 99
Stadium 2
160 bis 179 oder
100 bis 109
Stadium 3
> 180 oder
> 110
hypertensive Krise (akutes Ereignis)
hypertensive Entgleisung (hypertensive Dringlichkeit)
210 bis 240
110 bis 140
hypertensiver Notfall
210 bis 240 und
lebensbedrohliche Organkomplikationen
110 bis 140

Fallen systolischer und diastolischer Blutdruck in verschiedene Kategorien, wird der Wert genommen, der in die höhere Kategorie fällt.


Quelle: www.hochdruckliga.de

Die Messung mit Handgelenkmessgeräten ist nicht für alle Patienten geeignet. Vor allem Diabetiker oder Patienten mit Veränderungen an den Blutgefäßen wie einer fortgeschrittenen Arteriosklerose oder mit Herzrhythmusstörungen werden häufig schwankende Messwerte ermitteln. Auch bei Schwangeren ist von einer Messung am Handgelenk abzuraten. Im Rahmen der Beratung kann an zwei Tagen probeweise mit einem Oberarm- und einem Handgelenksgerät gemessen werden. Weichen die Messergebnisse um jeweils 10 mmHg und mehr voneinander ab, sollte vom Kauf eines Handgelenkgerätes auf jeden Fall abgeraten werden. Abweichungen im Bereich zwischen 5 und 10 mmHg gegenüber einer auskultatorischen Messung sind durch die andere Messtechnik bedingt. Erfolgt die Messung mit einem Handgelenksgerät muss zudem auf die korrekte Haltung des Armes geachtet werden. Das linke Handgelenk, an dem sich das Gerät befindet, muss in Herzhöhe gehalten werden. Um eine unnötige Belastung und bewegungsbedingte Messfehler auszuschließen, sollte daher der Ellbogen auf einer Tischplatte abgestützt werden. Da bei einem Handgelenkgerät die Manschette nicht ausgetauscht werden kann, sollte für Kunden mit einem kräftigeren Handgelenkumfang ein Gerät mit längerer Manschette (z. T. auch als Komfortmanschette bezeichnet) bestellt werden.

 

Gelegentlich wird in der Gebrauchsanweisung oder in der Produktinformation von Blutdruckmessgeräten der Begriff "Fuzzy Logik" verwendet. Dahinter verbirgt sich eine technische Möglichkeit, mikroprozessgesteuert die Manschette immer bis zum ungefähren systolischen Wert aufzupumpen. Damit wird eine hohe Messgenauigkeit erreicht. Zudem muss eine individuelle Pulssynchronisation während der Messung erfolgen. Da eine Selbstmessung erfolgen soll, muss das Gerät mit einer Hand bedienbar und die Durchführung selbst einfach sein. Das Messergebnis wird in mmHg angegeben, wobei der Messbereich der Blutdruckmessgeräte bis 299 mmHg reicht. Blutdruckmessgeräte, die am Finger messen, werden bisher nicht empfohlen. Die Messergebnisse scheinen durch kalte oder schlecht durchblutete Finger zu leicht beeinflussbar zu sein.

 

Beratung über den Verkauf hinaus

Bei der Abgabe eines Blutdruckmessgerätes sollte gemeinsam mit dem Kunden das Gerät ausgepackt, die Gebrauchsanweisung durchgesprochen und eine Messung durchgeführt werden. So kann der korrekte Umgang mit dem jeweiligen Gerät eingeübt werden. Als besonderen Service kann noch eine Nachkaufbetreuung angeboten werden. Beispielsweise können Sie etwa 14 Tage nach dem Erwerb des Gerätes beim Kunden anrufen und nachfragen, wie er zurecht kommt und eventuell einen weiteren Schulungstermin in der Apotheke anbieten. Ebenfalls kann es sinnvoll sein, nach zwei Jahren auf eine Wartung des Gerätes hinzuweisen. Der Eichpflicht unterliegen die Blutdruckmessgeräte für Endverbraucher übrigens nicht.

 

Worauf Sie in der Apotheke achten sollten

Anders sieht es übrigens für das Blutdruckmessgerät aus, das zum Messen in der Apotheke genutzt wird. Hier müssen die Bestimmungen der Paragraphen 7 (Medizinproduktebuch) und 8 (Medizinproduktebestandsverzeichnis) der Medizinprodukte-Betreiberverordnung beachtet werden: Die Geräte müssen einer messtechnischen und einer sicherheitstechnischen Kontrolle unterzogen werden; Ergebnisse, Fristen der Prüfung sowie Angaben zum Gerät müssen dokumentiert werden. Wird in der Apotheke für Patienten als Serviceleistung die Messung des Blutdrucks angeboten, so sollte gemäß der Standardarbeitsanweisung der ABDA "Blutdruckmessung in der Apotheke" ein abgeschirmter Beratungsraum oder ein Messplatz mit einer Sitzgelegenheit eingerichtet werden. Es muss ein validiertes Blutdruckmessgerät, das das Gütesiegel der Deutschen Hochdruckliga besitzt, oder ein Messgerät mit international anerkanntem Validierungsprotokoll vorhanden sein. Für Messungen mit unterschiedlichem Oberarmumfang sollten Geräte benutzt werden, die mit mindestens zwei verschiedenen Manschettengrößen ausgestattet sind.

 

Häufige Fehler bei der Blutdruckmessung

• der Messarm wurde nicht von beengender Kleidung frei gemacht

• der Messort befindet sich nicht in Herzhöhe

• Manschette oder Mikrofon werden falsch positioniert

• der Druck aus der Manschette wird zu rasch abgelassen

• Nachpumpen

• die Messung wird zu schnell wiederholt

Richtiges Messen

Der Blutdruck wird normalerweise im Sitzen gemessen. Für Messungen, die die unterschiedlichen Blutdruckwerte bei verschiedenen Tätigkeiten und im Tagesverlauf erfassen sollen, gibt es spezielle 24-Stunden-Messgeräte, die Ärzte gelegentlich zur genaueren Diagnostik einsetzen. Bei Messungen im häuslichen Umfeld oder in der Apotheke soll der Patient sich etwa fünf Minuten hinsetzen und erst dann den Blutdruck messen. Während der Messung selbst sollte ebenfalls ruhig sitzen geblieben und nicht gesprochen werden. Für eine wiederholte Messung ist zwischen zwei Messungen mindestens eine Minute Abstand einzuhalten. Und in der Zwischenzeit sollten keine an- oder aufregenden Gespräche geführt werden! Das gilt sowohl für die Anwendung eines Oberarm- wie auch eines Handgelenkgerätes. Zur täglichen Kontrolle sollte am besten regelmäßig morgens und abends eine Messung durchgeführt werden. Die ermittelten Werte werden in einen Blutdruckpass, den viele Blutdruckmessgerätehersteller oder einige Arzneimittelhersteller für Endverbraucher kostenlos anbieten, eingetragen – ein kleines Oktavheft erfüllt den gleichen Zweck. Notiert werden neben den Werten Datum und Uhrzeit der Messung. Wer mag kann zusätzlich protokollieren, wie er sich fühlt, ob besondere Vorkommnisse wie Fieber, besonderer Stress oder ähnliches zu berücksichtigen sind. Einige Geräte bieten bereits die Option, die gemessenen Werte mit Datum und Uhrzeit zu speichern. Über eine Schnittstelle lassen sie sich je nach Gerätetyp sogar auf einen Computer übertragen.

 

Standardisierte Blutdruckmessung

• fünf Minuten Ruhe im Sitzen, Arm in Herzhöhe lagern, Beine nebeneinander, Messung am Arm mit dem höheren Blutdruck

• Blutdruckmanschette anlegen, Unterrand 2,5 cm über der Ellenbeuge, Rechtshänder in der Regel am linken Arm

• Mikrofon an der Innenseite des Oberarms über der Schlagader plazieren

• Manschette bis 30 mmHg über den systolischen Druck aufpumpen (beim systolischen Druck verschwindet der Puls am Handgelenk)

• Manschettendruck langsam um 2 bis 3 mmHg pro Sekunde ablassen

• Beobachten, bei welchem Druck der erste Ton bzw. das erste Blinkzeichen erscheint (= systolischer Blutdruck) und bei welchem Druck der letzte Ton bzw. das letzte Blinkzeichen (= diastolischer Druck) wahrzunehmen ist. Werte auf 2 mmHg genau ablesen. Bei automatischen Geräten werden die Blutdruck- und Pulswerte als Ziffern angezeigt.

• Werte im Blutdruckpaß eintragen

• Wiederholungsmessung frühestens nach einer Minute

Bei Hypertoniker, die entweder unter Folgeschäden leiden, schlecht medikamentös einstellbar sind oder Patienten nach einer Herz-, Nieren- oder Lungentransplantation kann eine engmaschige Blutdruckmessung notwendig sein. In diesen Fällen kann der behandelnde Arzt ein entsprechendes Rezept ausstellen, um eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen zu ermöglichen. Hier müssen die jeweiligen Lieferverträge der einzelnen Krankenkassen beachtet werden. Bei der Auswahl der Geräte ist daher auf ihre Berücksichtigung im Hilfsmittelverzeichnis zu achten. Halbautomatische Blutdruckmessgeräte sind unter 21.28.01.1, vollautomatische – hierunter fallen auch Blutdruckmessgeräte für das Handgelenk – unter 21.28.01.2 gelistet. Für Versicherte mit Sehstörungen kann der Arzt im begründeten Einzelfall auch ein Gerät mit Sprachausgabe verordnen.

 

Quelle

Schäfer, C.; Doneth, I.; Kamps, N.: Hilfsmittel und Medizinprodukte für die Kitteltasche. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart (2006).

Werning, Claus (Hrsg.): Medizin für Apotheker, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart (2007).

Informationen verschiedener Hersteller von Blutdruckmessgeräten.

Standardarbeitsanweisung "Blutdruckmessung in der Apotheke". Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) der ABDA, Stand 08/2006.

www.hochdruckliga.de


 

Apothekerin Dr. Constanze Schäfer
Abt. Aus- und Fortbildung
Apothekerkammer Nordrhein
Poststr. 4
40213 Düsseldorf

 


Constanze Schäfer, Ingo Doneth, Norbert Kamps

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