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Arzneimittel und Therapie
Mit einem Pflaster gegen Reisediarrhö
Für jährlich mehr als 25 Millionen Reisende sind Reisedurchfälle eine unangenehme Begleiterscheinung des ersehnten Urlaubs, besonders bei Fernreisen in bestimmte Gebiete Afrikas, Asiens und Mittel- und Südamerikas. "Montezumas bzw. Pharaos Rache" machen den Mexikourlaub oder die Nilkreuzfahrt mit einer Inzidenz von etwa 50% zu einem Missvergnügen. Ursache dieser Durchfallerkrankungen ist zumeist eine bakterielle Infektion, wobei als Erreger eine besondere Form von Colibakterien im Vordergrund steht. Diese als ETEC (enterotoxische E. coli) bezeichneten Stämme produzieren ein hitzelabiles Enterotoxin vom A/B Typ (hitzelabiles E.-coli-Toxin, heat labile toxin, LT I und LT II), das eine Größe von etwa 73 kDa hat und im Dünndarm freigesetzt wird. Die Übertragung der Bakterien erfolgt durch kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel; mangelnde hygienische Bedingungen begünstigen solche Infektionen.
Das Enterotoxin LT ist wegen seiner Toxizität für eine Injektion oder orale bzw. nasale Applikation und damit für die Entwicklung eines entsprechenden Impfstoffes nicht geeignet. In einer randomisierten Phase II-Studie wurden 178 erwachsene Probanden im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, die eine Reise nach Mexiko oder Guatemala planten, jetzt mit einem Pflaster, das das hitzelabile Enterotoxin LT enthielt bzw. einem Placebo-Pflaster behandelt. Etwa zwei bis drei Wochen vor der Abreise erhielten die Teilnehmer diese sogenannte ETEC-Pflaster. Ausgewertet wurden die Daten von 59 Probanden mit LT-Pflaster und 111 Probanden mit Placebo-Pflaster. Die Schwere der Durchfallerkrankungen wurde nach der Häufigkeit des Stuhlverlustes eingeteilt.
24 (22%) der Probanden mit Placebo-Pflaster erlitten eine Durchfallerkrankung, wobei elf der Fälle (10%) auf eine ETEC-Infektion zurückzuführen waren. Die Häufigkeit von mittlerem bis schwerem Durchfall war bei den mit dem LT-Pflaster geimpften Teilnehmern der Studie um 75% reduziert; die Dauer der Beschwerden verringerte sich auf weniger als einen halben Tag gegenüber 2,1 Tagen bei der Placebo-Gruppe.
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Pflaster-Impfung sicher und einfach zu handhaben ist und dass sie Häufigkeit und Schwere von ETEC-Infektionen auf Reisen deutlich senkt. Eine Phase-III-Studie ist für 2009 geplant.
Die Pflaster, die nicht gekühlt werden müssen, könnten auch für Kinder in Entwicklungsländern geeignet sein, von denen fast 400.000 jährlich an Durchfallerkrankungen sterben.
Es gibt bereits seit Ende 2004 einen wirksamen Impfstoff gegen ETEC-Bakterien. Dukoral® , als Impfstoff gegen Cholera-Infektionen zugelassen, vermittelt auch eine Kreuzprotektion gegen enterotoxigene Escherichia coli , der auf einer strukturellen Homologie der β-Untereinheit des Cholera- und ETEC-Toxins beruht: Aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Toxine können Antikörper gegen die β-Untereinheit des Choleratoxins auch die entsprechende β-Untereinheit des ETEC-Toxins erkennen und neutralisieren. Für die Indikation Reisediarrhö ist diese inaktivierte Schluckvakzine in Deutschland nicht zugelassen. Ein wirksames Pflaster, wie jetzt vorgestellt, wäre natürlich der bequemere Schutz gegen Reisedurchfälle.
Quelle
French, S. A.; et al.: Use of a patch containing heat-labile toxin from Escherichia coli against traveller‘s diarrhoea: a phase II, randomised, double-blind, placebo-controlled field trial. Lancet 2008; 371: 2019-2025.
Dr. Hans-Peter Hanssen
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