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- DAZ 28/2008
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Arzneimittel und Therapie
Hilft eine adjuvante Chemotherapie in frühen Stadien?
Bei fortgeschrittenen kolorektalen Karzinomen, bei denen bereits Lymphknoten befallen sind (Stadium III), ist der Nutzen einer Chemotherapie nach der chirurgischen Intervention unumstritten. Doch gilt dies auch für Darmtumoren im frühen Stadium (Stadium II), die potenziell kurativ entfernt wurden? Profitiert der Patient von einer Chemotherapie oder erleidet er nur deren Nebenwirkungen? Mit dieser Frage befasste sich eine langjährige multizentrische und randomisierte Studie der englischen Quasar (= Quick and simple and reliable) Collaborative Group.
An der Studie nahmen 3239 Patienten teil, bei denen ein kolorektales oder rektales Karzinom chirurgisch kurativ entfernt worden war und bei denen keine klare Indikation für eine Chemotherapie vorlag. 91% der Patienten hatten ein kolorektales Karzinom im Stadium II, 71% ein Kolonkarzinom und 29% ein Rektumkarzinom. 1622 Probanden erhielten eine adjuvante Chemotherapie, die aus 30 Dosen 5-Fluorouracil plus Folinsäure bestand. Sie wurde entweder alle vier Wochen als fünftägiger Therapiezyklus oder kontinuierlich einmal wöchentlich nach einem der folgenden Schemata appliziert:
- 5-Fluorouracil (370 mg/m2) plus niedrig dosierte Folinsäure (25 mg)
- 5-Fluorouracil (370 mg/m2) plus hoch dosierte Folinsäure (175 mg)
Bis 1997 hatten einige Patienten den Immunmodulator Levamisol (zwölf dreitägige Zyklen von dreimal täglich 50 mg alle zwei Wochen per os) oder ein Placebo erhalten.
Als Vergleichsgruppe dienten 1617 Patienten. Der primäre Studienendpunkt war die Gesamtmortalität. Die Daten von 3,8% der Chemotherapiegruppe und von 3,1% der Vergleichsgruppe waren unvollständig und konnten nicht in die Analyse mit einbezogen werden.
Senkung des Mortalitätsrisikos
• Während der medianen Nachbeobachtung von 5,5 Jahren starben 311 Patienten der Chemotherapiegruppe und 370 Patienten der Beobachtungsgruppe. Die adjuvante Chemotherapie senkte das relative Mortalitätsrisiko um 18% (p = 0,008). Das bedeutet bei einer 5-Jahresmortalität von 20% eine Senkung des absoluten Risikos um 3,6%.
• Unter der Chemotherapie waren 293 Rezidive aufgetreten, in der Beobachtungsgruppe 359; das entspricht einer Risikoreduktion von 22% (p = 0,001).
• Subgruppenanalysen ergaben, dass alle Patienten unabhängig von der Tumorlokalisation (Kolon oder Rektum), dem Geschlecht, dem Alter oder dem Chemotherapieschemata (alle vier Wochen oder einmal wöchentlich) von der adjuvanten Chemotherapie profitierten. Lediglich bei Patienten über 70 Jahren wurde keine Reduktion der Rezidivrate beobachtet. In den ersten beiden Jahren nach der Randomisierung hatte die Chemotherapie den stärksten Effekt, die Rezidivrate sank um 36%.
• Schwere unerwünschte Ereignisse waren in der Chemotherapiegruppe selten. Acht Patienten (0,5%) starben während der 30-wöchigen Therapiephase, allerdings nicht an den Folgen des Tumorleidens. Nur bei einem dieser Patienten bestand möglicherweise ein Zusammenhang mit der Therapie. Im gleichen Zeitraum waren vier Patienten (0,25%) in der Vergleichsgruppe verstorben.
Individuelle Entscheidungen
Ein Kommentator befasst sich mit der Frage, welche praktische Bedeutung diese Studienergebnisse aufweisen. Er sieht in ihnen eine Entscheidungshilfe pro oder kontra Chemotherapie beim frühen kolorektalen Karzinom (Stadium II). Dennoch sollte vor jeder zytotoxischen Behandlung die individuelle Situation des Patienten überdacht werden. So sind etwa bei älteren Patienten der kognitive Status, ihr psychosoziales Umfeld und mögliche Komorbiditäten zu berücksichtigen und zu überdenken, ob ihnen eine lange Chemotherapie zugemutet werden kann. Da auch bei jüngeren Patienten nur ein kleiner Teil von der Chemotherapie profitiert, sollten prognostische und prädiktive Faktoren in die Therapieentscheidung mit eingebunden werden. Vielleicht kann in Zukunft die Entscheidung pro oder kontra Chemotherapie mithilfe genetischer Signaturen (Genchips) getroffen werden.
InternetZur Entscheidungshilfe bei der Wahl adjuvanter Therapieregime kann eine Risikoberechnung mithilfe eines Simulationsprogramms vorgenommen werden. Adjuvant! online ist ein in Europa häufig eingesetztes Programm zur Einschätzung des Rezidiv- und Mortalitätsrisikos sowie zur Kalkulation des Effekts adjuvanter Therapien. Nach Eingabe persönlicher Risikofaktoren (Alter, Komorbidität, Grading, Tumorgröße, Anzahl befallener Lymphknoten) erfolgt die Auswahl gängiger Therapieregime. Das Programm ermittelt den Benefit der einzelnen Therapieregime im Vergleich zu keiner durchgeführten Behandlung und stellt ihn in einem farbigen Balkendiagramm dar. Die Datenbasis beruht auf den Ergebnissen retrospektiver Analysen. |
Quelle
QUASAR Collaborative Group: Adjuvant chemotherapy versus observation in patients with colorectal cancer: a randomised study. Lancet 370, 2020–2029 (2007).
Cunningham D., et al.: Adjuvant chemotherapy of colorectal cancer. Lancet 370, 1980–1981 (2007).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
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