Arzneimittel und Therapie

Magnesium kann sinnvoll sein

Fluorchinolone haben bindegewebstoxische Eigenschaften, was sich in einem verstärkten Auftreten von Sehnenentzündungen und -rupturen beispielsweise der Achillessehne äußert. Obwohl diese Nebenwirkungen seit langem bekannt sind, werden sie wohl zu wenig beachtet, so dass die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA für alle Fluorchinolone eine deutlich hervorgehobene Warnung (boxed warning) verfügt hat. Durch eine Magnesium-Substitution lassen sich diese Nebenwirkungen möglicherweise vermeiden.

Die FDA betont, dass das Risiko für Sehnenentzündungen und -rupturen insbesondere bei älteren Patienten über 60 Jahre erhöht ist. Darüber hinaus ist mit diesen Nebenwirkungen verstärkt nach Nieren-, Herz- und Lungentransplantationen sowie unter einer begleitenden Steroidtherapie zu rechnen. Das gilt für alle Vertreter der Fluorchinolone und damit beispielsweise für Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin. Den mit solchen Antiinfektiva behandelten Patienten wird geraten, unbedingt bei ersten Zeichen von Sehnenschmerzen, -schwellungen oder -entzündungen die Fluorchinolon-Therapie abzusetzen, Anstrengungen zu vermeiden und umgehend ihren Arzt aufzusuchen, damit dieser ein Antiinfektivum aus einer anderen Substanzklasse verordnen kann. Ärzte werden aufgefordert, auf eine strenge Indikationsstellung zu achten.

Auch der Knorpelwird geschädigt

Neben der Tendotoxizität zeichnen sich Chinolone auch durch eine Chondrotoxizität aus. Die unterschiedlichen Manifestationen an Sehnen und Knorpel führt Prof. Dr. Ralf, Stahlmann, stellvertretender Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Charité Berlin, auf eine generelle Bindegewebstoxizität zurück.

Gleiche Schäden durch Magnesium-Mangel

Möglicherweise ist dafür eine Chelatbildung der Chinolone insbesondere mit Magnesium, aber auch mit anderen zwei- oder dreiwertigen Kationen verantwortlich (s. Abb.).


Chinolone können Sehnen und Knorpel schädigen. Eine Erklärung bietet die Magnesium-Hypothese [nach Stahlmann].

Diese Hypothese basiert in erster Linie auf Ergebnissen aus Tierversuchen. So konnte die Arbeitsgruppe um Stahlmann zeigen, dass bei jungen Ratten durch Magnesium-Mangel verursachte Knorpelschäden identisch sind mit Chinolon-induzierten Schäden. Erhalten mit Ofloxacin behandelte Ratten zusätzlich Magnesium, lässt sich die Chondrotoxizität von Ofloxacin reduzieren. Umgekehrt wirken eine niedrige Ofloxacin-Dosis und leichter Magnesiummangel im Hinblick auf die Knorpelschädigung synergistisch. Auch bei durch Ciprofloxacin ausgelösten Knorpelschäden konnte die Arbeitsgruppe um Stahlmann an jungen Ratten zeigen, dass Magnesium alleine oder in Kombination mit Vitamin E protektiv wirkt.

Vorsicht bei Kindern und Jugendlichen

Wegen der Chondrotoxizität und der damit verbundenen Arthropathiegefahr sind Chinolone bei Kindern und Jugendlichen bis zum Abschluss der Wachstumsphase in der Regel kontraindiziert. Trotzdem wurde Ciprofloxacin über Jahrzehnte hinweg off label bei Kindern und Jugendlichen mit lebensbedrohlichen Infektionen eingesetzt. Aus diesen Erfahrungen und klinischen Studien mit Gatifloxacin (einem bislang nicht zugelassenen Chinolon) bei Kindern wird geschlossen, dass das Risiko für Arthro- und Tendopathien geringer ist als ursprünglich angenommen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Daher sollten bei Kindern und Jugendlichen Chinolone nur bei solchen Infektionen eingesetzt werden, bei denen andere Antiinfektiva nicht in Frage kommen. Dazu zählt beispielsweise der Einsatz von Ciprofloxacin bei Mucoviszidose-Patienten mit einer durch Pseudomonas aeruginosa verursachten bronchopulmonalen Exazerbation. In Deutschland ist Ciprofloxacin für diese Indikation bei Kindern ab fünf Jahren zugelassen. Darüber hinaus darf Ciprofloxacin bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 1 bis 17 Jahren zur Zweit- und Drittlinientherapie von komplizierten Harnweg- und Nierenbeckeninfektionen (Pyelonephritis) eingesetzt werden. Allerdings nur dann, wenn mikrobiologische Tests nachgewiesen haben, dass die Infektion von empfindlichen Erregern ausgelöst wurde, für die Ciprofloxacin das Mittel der Wahl ist.

Magnesium zeitversetzt substituieren

Die Ergebnisse aus den Tierversuchen zur Rolle von Magnesium legen nahe, das Risiko von Tendo- und Arthropathien unter Chinolonen durch eine zusätzliche Magnesium-Gabe zu reduzieren. Klinische Studien, die einen entsprechenden Nutzen belegen könnten, gibt es zwar nicht. Im Gespräch mit der DAZ sah Prof. Stahlmann jedoch keinen Nachteil darin, wenn Magnesium in zeitlichem Abstand von 4 bis 6 Stunden von der Chinolon-Einnahme in handelsüblichen Dosierungen substituiert wird. Eine zeitgleiche Einnahme ist allerdings wegen der Chelatkomplexbildung unbedingt zu vermeiden.

 

Quelle

FDA-Alert Fluoroquinolone Antimicrobial Drugs 8. Juli 2008

Sendzik J, Stahlmann R: Indikationen und Restriktionen für Chinolone bei bakteriellen Infektionen. Pädiatrische Praxis 2007; 70: 291 – 302

Shakibaei M et al.: Ultrastructure of Achiles Tendons of Rats Treated with Ofloxacin and Fed a Normal or Magnesium-Deficient Diet. Antimicrobial. Agents and Chemotherapy 2000; 44: 261 – 266.

Pfister K et al.: Diminished Ciprofloxacin-Induced Chondrotoxicity by Supplementation with Magnesium and Vitamin E in Immature Rats. Antimicrobial Agents and Chemotherapy 2007; 51: 1022 – 1027.

 


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