Apothekenpraxis

Kommissionierautomat – eine lohnende Investition?

Kommissionierer bieten vielfältige Vorteile, sind aber auch mit einem erheblichen Investitionsaufwand verbunden und verursachen über die Betriebskosten laufende Aufwendungen. Automatisierte Lagersysteme bilden gerade für Neugründungen oder bei ohnehin anstehendem Umbau eine mögliche Option, die immer eine Einzelfallprüfung erfordert. Wichtige Determinanten sind dabei die Größe der Apotheke, die Kundenzahl, die Struktur des Absatzes, die vorhandenen Kapazitäten, das Niveau der Arbeitsorganisation sowie die Kosten-Nutzen-Relation und die Refinanzierbarkeit des Vorhabens. Erst wenn das Vorhaben tragfähig ist, kann man sich auch steuerlichen Aspekten widmen.
Einfach und Bequem – aber lohnt sich ein Kommissionierautomat? Wie ist er für die Apotheke finanzierbar? Was sollte bei der Finanzierung berücksichtigt werden? Und wann rechnet er sich?
Foto: willach+heise

Ein automatisches Warenlager, das die Ware selbst einsortiert und auf Abruf bis an den HV-Tisch befördert, ein Wunsch vieler Apothekeninhaber und das nicht zuletzt vor dem Hintergrund wachsender Rezeptbearbeitungszeiten als ein Ergebnis der Rabattverträge. Kommissionierautomaten sind nicht mehr nur etwas für Technikfreaks. Technisch ausgereifte Systeme verschiedener Anbieter stehen zur Verfügung und sind seit Langem regelrecht auf Erfolgskurs.

Wo liegt der Nutzen von Kommissionierautomaten?

Veränderung des Erscheinungsbildes der Apotheke. Die Anschaffung eines Automaten ist nicht nur eine finanzielle Entscheidung, sie bedeutet auch die Identifikation mit einem modernen, kundenorientierten Marktauftritt, der in ein entsprechendes Gesamtkonzept der Apotheke eingebunden sein muss. Nicht selten erreichen Apotheken, sofern sie durch Transparenz für den Kunden den Kommissionierer geschickt und anschaulich "vermarkten", eine spürbare Ausweitung ihrer Kundenzahl.

Effektivere Raumnutzung. Im Vergleich zu üblichen Schubschrankanlagen wird mit dem Kommissionierer eine wesentlich höhere Lagerdichte erreicht. Auf etwa 10 m2 passen bis zu 12.000 Packungen. Das schafft Platz für eine freizügigere Raumgestaltung des OTC-Bereiches. Zusätzliche Verkaufs- und Präsentationsfläche entsteht. Vor allem dann, wenn für den Automaten Flächen im Keller oder Obergeschoss genutzt werden können, die zumeist auch kostengünstiger sind. Das ist besonders für Apotheken in teuren Innenstadtlagen ein wichtiger Aspekt.

Erhöhung der Lieferfähigkeit und Abgabesicherheit. Durch die elektronisch gesteuerte Auslagerung werden manuelle Handlingfehler vermieden. Die Fehlerquote sinkt. Sowohl Fehlbestände als auch Fehlabgaben werden reduziert und führen aufgrund der verbesserten Lieferfähigkeit zu einem Imagegewinn für die Apotheke.

Rationalisierung des Bedienvorgangs/Zeitersparnis im Frontoffice. Der Handverkauf wird von "unproduktiven" Wegzeiten und Auslagerungstätigkeiten entlastet. Die Packungen werden über die Kasse angefordert und mithilfe entsprechender Fördertechnik direkt zum Handverkauf transportiert. In Abhängigkeit von der Förderstrecke und der Anzahl der Artikel kann man von einer Zeitersparnis je Kunde von ca. 1,5 min., je nach Laufstrecke auch mehr, ausgehen. Angemerkt sei, dass die Zeitersparnis durch den Automaten momentan allerdings benötigt wird, um die durch die Rabattverträge verlängerten Abgabezeiten, im Durchschnitt etwa 1,5 bis 2 min. je Kunde, zu kompensieren.

Eine weitere Zeitersparnis (etwa 0,5 min./Kunde) deutet sich für die Zukunft im Zusammenhang mit der geplanten Einführung der Gesundheitskarte an. Die elektronisch eingelesenen Verordnungsdaten lösen direkt (nach der üblichen Bearbeitung) die Auslagerung durch den Automaten aus.

Erhöhung des Kundendurchsatzes, der Kundenbindung, des Umsatzes. Besonders in frequenzstarken Zeiten ist ein höherer Kundendurchsatz möglich. Mit der gleichen Mitarbeiterkapazität wird eine höhere Kundenfrequenz abgedeckt. Der Bedienvorgang beschleunigt sich. Unter den gegenwärtigen Bedingungen (Rabattverträge) kann man mit Automat von einer Bedienerquote von etwa 13 bis 15 Kunden je Mitarbeiterbedienerstunde ausgehen.

Die durch den Automaten gewonnenen Kundenkontaktzeiten sind aktiv für individuelle Kundenbindung, Beratung und Verkauf sowie für den zügigen Abschluss des mit der Abgabe verbundenen Kassenvorgangs zu nutzen. Das kann, ja muss zu höheren Abverkaufszahlen und zu Mehrumsatz (OTC) führen. Die Verkaufsaktivität (Packungen/Kunde) muss tendenziell steigen. Unbedingt ist die Entwicklung des Barumsatzes und des Rohertrags je Kunde zu analysieren. Ein neues "Kassenverhalten" und organisatorische Veränderungen werden notwendig. Regelmäßige Schulungen und Trainings befähigen die Mitarbeiter mehr aus der gewonnenen Kundenkontaktzeit zu machen.

Zeitersparnis im Backoffice. Automaten ermöglichen eine Rationalisierung der Warenwirtschaft. Die Zeit für die Verbuchung, Einlagerung und Verwaltung des Warenlagers verkürzt sich ebenso wie die Zeit für die Auslagerung von Ladenhütern usw. Das Ein- und Umräumen von Ware entfällt. Fehlbestände, die immer wieder eine Überraschung und Störung im Tagesgeschäft sind, werden vermieden. Für Wirtschaftlichkeitsüberlegungen im Allgemeinen und die Mitarbeiterplanung im Besonderen kann man je nach Umfang der zu bewegenden Packungszahl im Backoffice zunächst von einer Zeitersparnis von 2,5 und mehr Mitarbeiterstunden pro Arbeitstag ausgehen. In praxi bedeutet das, dass bezogen auf rd. 300 Arbeitstage p.a. etwa 0,4 bis 0,5 sog. Vollzeitkräfte im Backoffice freigesetzt werden. Das sollte nach Umbau und Installation des Automaten durch arbeitsorganisatorische Veränderungen usw. tatsächlich umgesetzt werden.

Wann rechnet sich der Kommissionierautomat?

Bei den ohne Zweifel bestehenden Vorteilen, entscheiden jedoch die im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Bedingungen über die Tragfähigkeit der Investition in ein automatisches Warenlager. Wichtiges Kriterium für die Aufwand-Nutzen-Relation ist die Auslastung des Kommissionierers. Eine bestimmte Kundenfrequenz ist notwendig. Für kleinere Apotheken, die am Tag, bis auf wenige Spitzen, über einen steten Kundenstrom verfügen, rechnet sich ein Kommissionierer üblicherweise nicht. Personal kann, wegen der ohnehin notwendigen Abdeckung der Öffnungszeiten oft nicht oder in nicht ausreichendem Umfang freigesetzt werden.

Anders sieht es bei Apotheken aus, die permanent fünf und mehr gut ausgelastete Handverkäufer im Einsatz haben. Dann machen sich die Entlastungen deutlich bemerkbar und den Automaten bezahlbar. Automaten rechnen sich nicht zuletzt auch dadurch, dass die freiwerdende Zeit systematisch kunden- und abverkaufsorientiert erschlossen wird.

Wie viel Zeit im HV-Bereich gewonnen werden kann, hängt auch vom Anteil der kommissionierfähigen Packungen ab. Eine hohe Kommissionierquote sichert einen hohen Nutzen. Die Zahl der Kundenwünsche, die über den Automaten abgewickelt werden kann, ist abhängig von der Apothekenlage und der daraus resultierenden Absatz- und Warenlagerstruktur. Deutliche Unterschiede bestehen diesbezüglich z. B. zwischen Center- und Ärztehausapotheken, nicht zuletzt durch den unterschiedlichen Stellenwert des eigentlichen Handverkaufs. Aus Frei- und Sichtwahl generieren sich zum Teil mehr als 50% der abgesetzten Packungen, beide gehören aber zu den Bereichen, die nicht bzw. nur bedingt für die automatisierte Lagerhaltung geeignet sind. Das und vieles mehr sind Überlegungen, die im Vorfeld der Investitionsentscheidung anzustellen sind.

Je nach Größe (Packungskapazität) und Ausstattung (z. B. mit oder ohne Kühlsegment, mit oder ohne Einlagerungsautomat) des Automaten sowie notwendiger Fördertechnik bewegen sich die Anschaffungskosten etwa zwischen 100.000 und 150.000 Euro. Wird die Anschaffung des Automaten mit einem Umbau der Apotheke verbunden, kann sich das Investitionsvolumen durchaus in Richtung 200.000 Euro und mehr bewegen.

Wie finanzieren?

Angesichts dieser Größenordnung stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Leasing und Mietkauf sind Alternativen zum Kauf. Allgemein gilt der Grundsatz: Kauf vor Leasing und Mietkauf. Dabei ist unerheblich, ob der Kauf aus Eigenmitteln oder unter Inanspruchnahme von Fremdmitteln, also von Darlehen finanziert wird. Denn die beiden letztgenannten Formen sind in jedem Falle die teureren Varianten. Beim Leasing und Mietkauf sind häufig die formellen Anforderungen im Hinblick auf den Bonitätsnachweis wesentlich geringer und unkomplizierter, als bei der Beantragung eines Hausbankdarlehens. Aber gerade hierin liegt auch die Gefahr, denn die Nachweise, die eine Bank verlangt (BWA, Bilanzen, Vermögensübersicht) dienen durchaus dem Schutz des Kreditnehmers.

Die Anschaffung eines Automaten und die Entscheidung für die "richtige" Finanzierung setzt immer die Prüfung des Einzelfalls voraus, die der Apotheker unbedingt gemeinsam mit seinem Steuerberater vornehmen sollte. Zu klären sind dabei z. B. die notwendige Kapazität des Automaten, die Nutzung und ggfls. Freisetzung betrieblicher Ressourcen, die anfallenden Folgekosten, die Finanzierung und die im Ergebnis entstehende Liquiditätsbelastung. Unterschiedliche Finanzierungsformen und -angebote sollte der Apotheker unbedingt vom Steuerberater durchrechnen lassen.

Ebenfalls eine Detailprüfung ist notwendig bezüglich der Nutzung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Unter bestimmten Voraussetzungen können Apotheker z. B. für die künftige Anschaffung eines Automaten einen den Gewinn mindernden Investitionsabzugsbetrag (IAB) in Höhe von 40% der Anschaffungskosten (bezieht sich nur auf die Hardware) bilden. Dadurch sollen Abschreibungen, die an und für sich erst im Jahr der tatsächlichen Anschaffung anfallen, aufwandsmäßig vorweggenommen werden. Die Inanspruchnahme des IAB führt zu einer Steuerstundung, so dass, ähnlich wie bei der früheren Ansparrücklage, finanzielle Mittel angespart werden können, um der Apotheke die Finanzierung der Investition zu erleichtern. Noch ein Hinweis am Rande: Die Bildung des IAB ist immer eine Entscheidung bezogen auf den konkreten Fall. Grundsätzlich ist sie aber nur angeraten bei tatsächlicher Investitionsabsicht.

Die Vorteile der Nutzung des IAB werden an einem Beispiel deutlich (siehe Kasten).

In den genannten Jahren sind zwar mit Ausnutzung des IAB zunächst niedrigere Steuern zu verzeichnen, aber die steuerliche Belastung ist bei Nutzung des IAB aufgrund der niedrigeren linearen Abschreibung in den Folgejahren höher. Der IAB ist – vorausgesetzt, die Investition wird realisiert – weniger ein Instrument der Steuerersparnis denn eine Möglichkeit zur Gestaltung der Liquidität.

Bei der Entscheidung für einen Automaten sind neben der Investition und den Finanzierungsfragen vor allem die laufenden Aufwendungen für Wartung, Strom, Reparaturen usw. zu berücksichtigen. Monatlich kann man hierfür von etwa 1000 Euro ausgehen.

Rechnet man die Verteilung der Anschaffungs- und Finanzierungskosten durchschnittlich auf einen Zeitraum von etwa zehn Jahren hinzu, dann ergeben sich in Abhängigkeit vom ehemaligen Investitionsvolumen monatlich kalkulatorische Belastungen von ca. 2500 bis 3000 Euro. Bezogen auf ein Jahr sind das etwa 30.000 bis 36.000 Euro, die durch Einsparungen bei anderen Kosten bzw. durch Mehrrohertrag aus Mehrumsatz zu finanzieren sind. Sollte beispielsweise keine Kostenersparnis möglich sein, dann muss die effizientere Nutzung der Kundenkontaktzeiten dazu führen, dass der OTC-Umsatz (bei einer angenommenen Spanne von 35%) um etwa 85.000 bis 100.000 Euro erhöht wird. Das ist ein sehr anspruchsvolles Ziel, das systematisch angegangen werden muss. Apotheken mit einer hohen Kundenfrequenz (300 Kunden pro Tag und mehr) haben dafür sicher die besten Voraussetzungen.

Erst wenn die durch den Automaten entstehenden Mehraufwendungen – sei es durch Personalkostenersparnisse, durch Roherträge oder sei es durch Beides – gedeckt werden, rechnet sich die Anschaffung. Die Investitionsentscheidung erfordert somit eine sorgsame Planung in verschiedener Hinsicht.


Kontaktadresse:
Von Dipl.-Kfm. Axel Witte, Steuerberater,
c/o RST Steuerberatungsgesellschaft mbH,
Essen/Dresden/Dessau/Werdau, Tel. (02 01) 8 79 99-0,
Fax (02 01) 8 79 99-55,
E-Mail: essen@rst-beratung.de

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