Neue Wirkstoffklasse

Vaptane eröffnen neue Therapieoptionen

Vasopressinantagonisten: effektive und vielversprechende Substanzgruppe

Von Andreas Ziegler

Mit der neuen Substanzklasse der Vaptane befinden sich erstmals Wirkstoffe in der Entwicklung, die diuretisch wirken, ohne die Nierenfunktion signifikant zu beeinflussen. Daraus ergeben sich neue Therapieoptionen für hypervolämische oder ödematöse Erkrankungen, die mit konventionellen Diuretika nur unzureichend oder gar nicht behandelt werden konnten. Aufgrund ihres Wirkmechanismus ermöglichen Vaptane zudem die Behandlung von Störungen der Vasopressinsekretion, wie sie teilweise auch beim Einsatz ZNS-wirksamer Arzneistoffe auftreten.

Die Vaptane sind oral verfügbare nicht-peptidische Vasopressin-Rezeptorantagonisten. Das auch als Adiuretin oder Antidiuretisches Hormon (ADH) bezeichnete Nonapeptid Vasopressin ist ein aus dem Hypophysenhinterlappen freigesetztes Hormon, dessen physiologische Aufgabe die Kontrolle der Serumosmolarität sowie die Aufrechterhaltung der Kreislaufhomöostase ist. Eine Erhöhung des osmotischen Drucks des Serums z. B. durch Leberzirrhose oder Herzinsuffizienz bedingt, eine Verminderung des extrazellulären Flüssigkeitsvolumens, absinkender Blutdruck sowie emotionale Einflüsse wie Stress stimulieren die Sekretion von Vasopressin. Ein niedriger osmotischer Druck, ein erhöhtes Flüssigkeitsvolumen sowie Alkohol vermindert die Freisetzung des Peptidhormons. Die physiologische Wirkung von ADH wird über die Vasopressinrezeptoren vermittelt. Diese werden in die drei Rezeptorsubtypen V1a , V1b und V2 unterteilt, die primär in der Niere (V2), an den Gefäßen (V1a) und in der Hypophyse (V1b) lokalisiert sind (siehe Tabelle).

Über eine Stimulation der renalen V2 -Rezeptoren fördert Vasopressin die Wasserrückresorption, indem es die Permeabilität des Sammelrohrepithels für Wasser, nicht aber für Salze erhöht. Bei der Bindung von ADH an den V2 -Rezeptor verschmelzen die in Vesikeln der Tubulusepithelzellen gespeicherten Aquaporine mit der luminalen Zellmembran und ermöglichen so die Wasserrückresorption: die Diurese wird gesenkt. In höheren Konzentrationen als zur Vermittlung der Antidiurese notwendig sind, wirkt ADH auch auf die glatte Gefäßmuskulatur. V1a -Rezeptor-vermittelt kommt es dort zu einer Vasokonstriktion und zu einem Anstieg des Blutdrucks. Die Wirkung der vorrangig im ZNS lokalisierten V1b -Rezeptoren lässt sich nicht so klar umreißen wie die der anderen Subtypen. Die Aktivierung der V1b -Rezeptoren führt unter anderem zur Adrenocorticotropin- sowie Endorphinfreisetzung und ist Teil der adaptiven Stressreaktion des Körpers (siehe Abb. 1).

Selektive Blockade der drei Rezeptorsubtypen

Alle drei Rezeptorsubtypen gehören zur Gruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und werden durch die Bindung von Vasopressin an die zwischen den transmembranären α-Helices gelegenen Bindungstaschen aktiviert. Wenngleich sich die physiologischen Wirkungen der Rezeptorsubtypen deutlich voneinander unterscheiden, so weisen sie doch eine hohe Übereinstimmung in ihrer Aminosäuresequenz auf und interagieren in ähnlicher Weise mit ihrem einzigen natürlichen Liganden, dem Vasopressin (ADH). Dennoch besitzen die Bindungstaschen der verschiedenen Rezeptorsubtypen charakteristische sterische Unterschiede, die es ermöglichen Subtyp-spezifisch wirkende Antagonisten zu synthetisieren. Bereits in den 1960-er Jahren wurden verschiedene peptidische Vasopressin-Rezeptorantagonisten entwickelt, die sich jedoch nicht durchsetzen konnten. Zum einen konnten sie nur parenteral eingesetzt werden, zum anderen verloren sie ihren antagonistischen Effekt oder wirkten sogar agonistisch, wenn sie über längere Zeit angewendet wurden. Die modernen, unter der Bezeichnung Vaptane subsumierten, nicht-peptidischen ADH-Antagonisten sind hingegen auch oral bioverfügbar.

Phase-II-Studien mit V1 -Antagonisten

Der selektive V1a -Antagonist Relcovaptan, der vasodilatierend wirkt, wurde bisher in mehreren Phase-II-Studien getestet und zeigte positive Effekte in den Indikationen Raynaud-Syndrom und Dysmenorrhö. Bei therapiebedürftiger Hypertonie konnten mit V1a -Antagonisten bisher keine überzeugenden Ergebnisse erzielt werden.

Die limbische Lage der V1b -Rezeptoren gab den Anstoß zu Studien, die seine Rolle in der Steuerung emotionaler Prozesse untersuchten. Der bisher noch unbenannte erste oral verfügbare V1b -Antagonist SSR-149415 inhibiert die Vasopressin-getriggerte ACTH-Freisetzung, sowie die Ausschüttung des Corticotropin-releasing Hormons, verhindert den Stress-induzierten Anstieg des ACTH-Plasmaspiegels und führte am Tiermodell zu anxiolytischen oder antidepressiven Effekten (siehe Abb. 2). Eine Phase-II-Studien untersucht derzeit die Wirksamkeit von SSR-149415 bei Angstzuständen und Depressionen am Menschen.

V2 -Antagonisten: Natriumexkretion unbeeinflusst

In großen klinischen Studien wurden bisher die selektiven V2 -Antagonisten Tolvaptan, Lixivaptan, Satavaptan und Mozavaptan sowie der nicht-selektive Vasopressin-Antagonist Conivaptan untersucht, der sowohl V1a - als auch V2 -Rezeptoren blockiert (siehe Abb. 2). Die V2 -Rezeptorantagonisten hemmen die renale Wasserresorption und erzielen so eine Wasserdiurese, ohne dabei die Elektrolytausscheidung (insbesondere die Natriumexkretion) zu beeinflussen. Dadurch unterscheiden sich die Vaptane grundlegend von konventionellen Diuretika. Die Vaptane sind daher bei Krankheitsbildern indiziert, die mit einer Hyponatriämie einhergehen. Die meist aus einer gesteigerten ADH-Freisetzung resultiert, die zu einer vermehrten Wasserretention und folglich zum Absinken des Serumnatriumspiegels führt. Die erhöhte ADH-Sekretion selbst ist entweder eine Folge des pathologischen Syndroms der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH). Oder sie wird durch hypovolämische Zustände induziert und ist dann Bestandteil einer physiologischen Reaktion des Körpers zur Volumenregulation. Neben der echten Hypovolämie beispielsweise nach akuter Blutung ist dies auch bei ödematösen Krankheitsbildern wie Leberzirrhose und Herzinsuffizienz zu beobachten. Dabei tritt bei einer fortgeschrittenen Leberzirrhose häufig eine Hyponatriämie als Komplikation auf. Da die konventionellen Diuretika zur Ödemtherapie neben der Wasser- auch die Natriumexkretion steigern und so eine vorliegende Hyponatriämie verstärken, könnte der Einsatz der Vaptane in dieser Indikation von besonderem Interesse sein. Bisher wurden Lixivaptan und Tolvaptan in dieser Indikation untersucht. Für beide Wirkstoffe wurde eine deutliche Steigerung der Natriumplasmaspiegel beobachtet. Ein Effekt auf das Überleben der Patienten konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.

Syndrom der inadäquaten ADH-Freisetzung

Ein relativ wenig bekanntes Krankheitsbild, das mit der ADH-Sekretion in Zusammenhang steht, ist das Syndrom der inadäquaten ADH-Freisetzung (SIADH). Es entsteht im Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung oder aufgrund der Einnahme von ZNS-wirksamen Substanzen wie beispielsweise Neuroleptika, Antiepileptika oder Antidepressiva, die die Vasopressinausschüttung induzieren. In klinischen Studien konnten in dieser Indikation mit den selektiven V2 -Rezeptorinhibitoren Satavaptan, Lixivaptan sowie Tolvaptan bereits gute Erfolge erzielt werden. Die erhöhten Natriumblutspiegel normalisierten sich binnen weniger Tage und blieben über zwölf Monate stabil. Die schnelle Anhebung des Natriumblutspiegels (teilweise >12 mmol/l in 24 Stunden) birgt allerdings die Gefahr einer osmotischen Myelinolyse, einer Schädigung der Umhüllung von Nervenfasern. Denn aufgrund des raschen Anstiegs des Natriumplasmaspiegels kommt es zu einer Verschiebung von Wasser aus dem Gewebe ins Blut, da das Natrium aus dem Plasma nicht so schnell in andere Kompartimente diffundieren kann. Die Dehydratisierung des Gehirns führt dabei schließlich über einen unbekannten Mechanismus zu einer Zerstörung der Myelinscheiden.

Einsatz bei progredienter chronischer Herzinsuffizienz

Im Hinblick auf die therapeutische Anwendung der Vaptane richtet sich das Interesse derzeit vor allem auf die progrediente chronische Herzinsuffizienz. Aufgrund einer ausgeprägten Hyponatriämie sowie sich entwickelnder Resistenzen können die klassischen Diuretika hier jedoch häufig nicht eingesetzt werden. Der selektive V2 -Rezeptorantagonist Tolvaptan zeigte bei akuter und chronischer Herzinsuffizienz in mehreren Studien einen positiven Effekt. Binnen 24 Stunden kam es infolge einer deutlichen Ödemreduktion zu einer signifikanten Gewichtsabnahme sowie einer Normalisierung der Natrium-plasmaspiegel. Außerdem wurde eine Verbesserung der Atemnot beobachtet. Herzfrequenz, Blutdruck und Kaliumblutspiegel blieben hierbei unverändert. Auch die Nierenfunktion wurde im Gegensatz zu den Beobachtungen bei anderen Diuretika nicht negativ beeinflusst. Eine jüngere Studie mit Tolvaptan an über 4000 Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA III/IV) bestätigte zwar die guten Ergebnisse der vorangegangenen Studien, allerdings konnte auch in dieser Indikation trotz deutlicher klinischer Effekte – Verbesserung der Atemnot bereits am ersten Tag, signifikante Gewichtsreduktion und Normalisierung des Serumnatriums) – kein wesentlicher Einfluss auf das Überleben der Patienten nachgewiesen werden. Ein Grund dafür könnte sein, dass eine selektive Antagonisierung der V2 -Rezeptoren zu einer verstärkten Stimulation der V1a -Rezeptoren führt, mit der Folge einer kardialen Vasokonstriktion, die für den Krankheitsverlauf ungünstig ist. Um diese negativen Folgeerscheinungen zu vermeiden fokussiert sich das Interesse derzeit auf die Substanz Conivaptan, die sowohl V2 -Rezeptor- als auch V1a -blockierende Eigenschaften aufweist.

Vaptane sind gut verträglich

Angesichts der umfassten physiologischen Wirkungen sind die Vaptane abgesehen vom bereits genannten Myelinolyserisiko erstaunlich gut verträglich. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind Mundtrockenheit, erhöhte Transaminasewerte und Kaliumserumspiegel. Bei der parenteralen Verabreichung traten die bei dieser Applikationsform typischen Nebenwirkungen wie Irritationen bis hin zu Entzündungen an der Einstichstelle auf. Allerdings ist zu beachten, dass Vaptane bei falscher Dosierung zu einer Verstärkung hypovolämischer Zustände sowie zu einer zu raschen Anhebung der Natriumplasmaspiegel bis hin zu einer Hypernatriämie führen können. Im Tierversuch führte Conivaptan bereits in subtherapeutischen Dosen zu schädigenden Effekten auf den Fötus und verzögerten Geburten. Daher sollten die V2 -Rezeptorantagonisten nicht während der Schwangerschaft eingenommen werden. Conivaptan ist außerdem ein potenter CYP3A4-Inhibitor, was zu Interaktionen mit zahlreichen Wirkstoffen führen kann, die ebenfalls über dieses Enzym metabolisiert werden. Diese bei der Langzeittherapie möglichen CYP3A4-vermittelten Arzneimittelinteraktionen sind auch der Grund, weshalb die orale Anwendung von Conivaptan derzeit nicht weiterverfolgt wird.

Vielzahl weiterer Indikationen denkbar

Derzeit ist die Behandlung von euvolämischer oder hypervolämischer Hyponatriämie die einzige anerkannte Indikation der Vasopressin-Rezeptorantagonisten. Diese Indikation ist jedoch interessant, da therapiebedürftige Hyponatriämie in der Regel mit einem signifikanten Anstieg der Morbidität und Mortalität assoziiert ist. Aufgrund schwerwiegender Vorerkrankungen wie Zirrhose oder Herzinsuffizienz ist die Behandlung von hyponatriämischen Patienten sehr schwierig. Hier könnten die Vaptane ein reizvoller neuer therapeutischer Ansatz sein. Allerdings liegen derzeit noch keine Studien vor, die ihren Nutzen mit dem der herkömmlichen Hyponatriämie-Therapie (z. B. strenge Wasserrestriktion oder Salzsupplementierung) vergleichen. Es gibt bisher noch keine Langzeitbeobachtungen im Hinblick auf die Morbidität und Mortalität. Eine Reihe weiterer Indikationen der Vaptane wird derzeit untersucht. Dazu zählen kongenitaler nephrogener Diabetes insipidus, diabetische Nephropathie, Herzinsuffizienz ohne Hyponatriämie, Depression sowie die Aszitesprävention bei Leberzirrhose. Darüber hinaus geben präklinische Studien Hinweise auf einen möglichen Nutzen bei Glaukom, Morbus Menière, Subarachnoidalblutungen, Hirnödemen, Morbus Cushing oder dem Haferzellkarzinom der Bronchien.

In Deutschland noch nicht zugelassen

In den USA ist Conivaptan (Vaprisol®) zur intravenösen Behandlung von euvolämischen und hypervolämischen Hyponatriämien bereits zugelassen. In Japan kann Mozavaptan (Physuline®) zur Behandlung einer Hyponatriämie eingesetzt werden. Das Zulassungsverfahren für Tolvaptan läuft. In Deutschland sind die Vaptane bisher noch nicht zugelassen.

 

Quelle

Decaux, G.; et al.: Non-peptide arginine-vasopressin antagonists: the vaptans. Lancet 2008; 371: 1624–32.


 


 

Anschrift des Verfassers
Apotheker Dr. Andreas Ziegler
Flurstr. 2, 90613 Großhabersdorf

 

 

Abb. 1: In der Regulation der Kreislaufhomöostase spielt das antidiuretische Hormon (ADH) eine entscheidende Rolle: Eine Erhöhung der Serumosmolarität sowie eine Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens stimulieren über den Barorezeptor die ADH-Freisetzung im Hypophysenhinterlappen. Auch emotionale Einflüsse wie Stress oder ZNS-wirksame Medikamente fördern die ADH-Ausschüttung, durch Alkohol wird sie hingegen gehemmt. Die physiologische Wirkung von ADH wird über Vasopressinrezeptoren vermittelt. Über eine Stimulation der renalen V2-Rezeptoren fördert Vasopressin die Wasserrückresorption im Sammelrohr. Bei höheren ADH-Konzentrationen kommt es V1a-Rezeptor-vermittelt an den Gefäßen zu einer Vasokonstriktion und somit zum Blutdruckanstieg. Die in der Hypophyse lokalisierten V1b-Rezeptoren sind Teil der adaptiven Stressreaktion, eine Stimulierung durch ADH führt zur Freisetzung von Adrenocorticotropin und Endorphinen.
Abb. 2: Wirkmechanismus der Vaptane Die sterischen Unterschiede der drei Vasopressin-Rezeptorsubtypen ermöglichen eine selektive Hemmung. Der selektive V1a-Antagonist Relcovaptan wirkt vasodilatatorisch. Der oral verfügbare V1b-Antagonist SSR-149415 inhibiert die Stress-induzierte Vasopressin-getriggerte ACTH-Ausschüttung und reduziert die emotionale Stressempfindung. Die selektiven V2-Antagonisten können eingesetzt werden, um die renale Wasserresorption zu hemmen. So wird eine Wasserdiurese erzielt, ohne die Elektrolytausscheidung zu beeinflussen. Denkbar wäre es, dass aus einer selektiven Blockade der V2-Rezeptoren eine verstärkte V1a-Rezeptor-Stimulation resultiert, die ihrerseits zu einer für herzinsuffiziente Patienten ungünstigen kardialen Vasokonstriktion führen könnte. Hier könnte Conivaptan eingesetzt werden, das sowohl V2- als auch V1a-blockierende Eigenschaften aufweist.

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