Arzneimittel und Therapie

Genetische Zusammenhänge aufgeklärt

Das Restless-legs-Syndrom zählt zu den häufigsten neurologischen Krankheitsbildern. Da die Erkrankung in mehr als Dreiviertel aller Fälle gehäuft in einer Familie vorkommt, vermutete man schon länger eine genetische Komponente bei der Entstehung. Der Vererbungsweg ist vermutlich autosomal-dominant. Seit Jahren wird versucht, die Ursachen der Erkrankung mit Hilfe genetischer Untersuchungen zu klären. Aktuell konnten Risikogene ermittelt und gezeigt werden, dass es sich beim RLS um eine sehr frühe Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems handeln könnte.

Beim Restless-legs-Syndrom (RLS) handelt es um eine unangenehme Missempfindung der Beine mit ziehenden oder reißenden Schmerzen sowie einem unbändigen Bewegungsdrang (daher die deutsche Bezeichnung "unruhige Beine"); die Symptome treten in Ruhe- und Entspannungsphasen auf. Die Symptome wurden bereits 1685 von Thomas Willis beschrieben, aber erst 1945 wurde die Erkrankung als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Fast 10% der deutschen Bevölkerung leiden unter einem Restless-legs-Syndrom, etwa acht Millionen Menschen. Die Häufigkeit des RLS nimmt mit dem Alter zu: Ab einem Alter von 65 Jahren sind bis zu 10% betroffen, es können aber auch Kinder an RLS erkranken. Frauen sind häufiger betroffen als Männer [1].

Frühe Entwicklungsstörung des Nervensystems

Bereits vorher waren die RLS-Risikogene MEIS1, BTBD9 und LBXCOR1 identifiziert worden. Bei ihnen handelt es sich um Gene, die im Zusammenhang mit der embryonalen Entwicklung eines Organismus bekannt sind. In dieser Aktivitätsphase sind sie an der Musterbildung der Extremitäten und des zentralen Nervensystems beteiligt. An einer aktuellen, sogenannten genomweiten Assoziationsstudie, an der 2458 RLS-Patienten und 4749 gesunde Probanden aus Deutschland, Österreich und Kanada teilnahmen, wurden Sequenzvarianten (single nucleotide polymorphisms = SNPs), die über das gesamte Genom verteilt waren, analysiert. Beim Vergleich der Sequenzen zwischen Patienten und Kontrollen konnten dabei Varianten im PTPRD-Gen identifiziert werden, die vermehrt bei RLS-Patienten auftreten, aber seltener bei den gesunden Probanden vorkommen Der Name des Gens, PTPRD, steht für Protein-Tyrosin-Phosphatase-ReceptorTyp-Delta. Das entsprechende Protein ist im Tiermodell untersucht und spielt bei der korrekten Wegfindung der Nervenzellfortsätze zu den so genannten Motoneuronen eine Rolle. Diese Neuronen steuern direkt oder indirekt die Muskulatur, beispielsweise der Beine. Damit ist auch PTPRD wichtig für die frühe Embryonalentwicklung des Organismus. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich beim Restless-legs-Syndrom um eine sehr frühe Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems handeln könnte. "Mit den identifizierten RLS-Risikogenen ist erstmals eine gezielte molekulargenetische Ursachenforschung für das Restless-legsSyndrom möglich geworden und die Grundlage zur Verbesserung der Therapie geschaffen", erklären die Autoren der Studie. Es bleibt abzuwarten, wie schnell das Wissen um die genetischen Risikofaktoren in innovative neue Behandlungskonzepte umgesetzt werden kann.


Quelle

[1] Blank, I.: Wenn die Beine keine Ruhe geben. Was ist eigentlich … ein Restless-legs-Syndrom? Dtsch. Apoth. Ztg. 2007; 47: 62.

[2] Schormair B; et al.: PTPRD (protein tyrosine phosphatase receptor type delta) is associated with restless legs syndrome. J. Nat. Genet. 2008; 40: 946-948.


Dr. Hans-Peter Hanssen
Universität Hamburg
Institut für Pharmazeutische Biologie und Mikrobiologie
Bundesstr. 45
20146 Hamburg
hans-peter.hanssen@hamburg.de

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