Arzneimittel und Therapie

Interferon dirigiert natürliche Killerzellen ins Krebsgewebe

Natürliche Killerzellen sind in der Lage, abnorme Zellen wie Tumorzellen oder virusinfizierte Zellen abzutöten. Im Gegensatz zu den T-Zellen des Immunsystems müssen sie dabei keine spezifischen Zielstrukturen erkennen: Sie töten gezielt solche Körperzellen ab, die ihren "molekularen Pass", bestimmte Proteinkomplexe auf der Zelloberfläche, im Verlauf einer Virusinfektion oder Krebsentartung verloren haben. Jetzt konnte im Tierversuch gezeigt werden, dass Interferon γ und eine weitere Signalsubstanz (CXCL10) Killerzellen zum Tumor locken können [1].
Interferon γ ist ein Glykoprotein aus 143 Aminosäuren, das eine immunstimulierende, vor allem antivirale und antitumorale Wirkung entfaltet.

Die Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg hoffen, dass durch Injektion der Signalsubstanzen Tumortherapien unterstützt werden könnten, nachdem auf diese Weise natürliche Killerzellen aktiviert wurden.

Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass Krebspatienten häufig dann eine umso bessere Prognose zeigen, wenn sich vermehrt natürliche Killerzellen (NK-Zellen) in den Tumoren finden. NK-Zellen sind eine wichtige Komponente der körpereigenen Abwehr gegen Tumore und virale Infekte. Während die T-Zellen des Immunsystems spezifische Zielstrukturen erkennen müssen, um aktiv zu werden, töten NK-Zellen gezielt solche Körperzellen ab, die durch eine Virusinfektion oder Krebsentartung bestimmte Moleküle des MHC-Proteinkomplexes (MHC; von engl. major histocompatibility complex) verloren haben. Dabei handelt es sich um körpereigene Antigene auf der Oberfläche von Körperzellen, die immunologische Vorgänge regulieren. Diese Proteine kennzeichnen die Zellen als zum Körper gehörig. MHC-Proteinkomplexe sind die Produkte von Genen, die als Haupthistokompatibilitätskomplex zusammengefasst sind. Sie sind beispielsweise für die Immunerkennung und die Gewebeverträglichkeit bei Transplantationen von Bedeutung. Infizierte oder entartete Zellen produzieren keine MHC-I-Moleküle mehr, die sie als körpereigen ausweisen.

In der jetzt veröffentlichten Studie prüften Wissenschaftler des DKFZ in Heidelberg an einem Mausmodell, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass NK-Zellen in einen Tumor einwandern [1]. Eine entscheidende Rolle spielt dabei γ-Interferon: Normalerweise überleben Mäuse eine Transplantation von Lymph- oder Hautkrebszellen durchschnittlich 25 Tage. Werden die Krebszellen jedoch auf Mäuse übertragen und dabei gleichzeitig das γ-Interferon ausgeschaltet, so sterben die Tiere früher, ihre Tumoren enthalten weniger NK-Zellen. Das Interferon γ wirkt dabei aber offensichtlich nur indirekt auf die NK-Zellen. Es regt im Tumor die Bildung eines weiteren Signalmoleküls an. Diese Substanz mit dem Namen CXCL10 lockt gezielt solche NK-Zellen in das Tumorgewebe, die den dazu passenden Rezeptor auf ihrer Oberfläche ausbilden. Je mehr Signalmolekül im Tumor entsteht, desto mehr NK-Zellen wandern ins Krebsgewebe und umso länger überleben die Mäuse. NK-Zellen werden auch dann angelockt, wenn den Mäusen biotechnologisch hergestelltes γ-Interferon oder CXCL10 in die Geschwulst gespritzt wird. Aus medizinischer Sicht ist besonders interessant, dass sich der Effekt auch "von außen" beeinflussen lässt. "So können wir möglicherweise Tumortherapien unterstützen, indem wir dem Krebs gezielt die natürlichen Killerzellen auf den Hals hetzen", hofft die Immunologin Dr. Adelheid Cerwenka vom DKFZ [2].


Quelle

[1] Wendel M.; et al.: Natural killer cell accumulation in tumors is dependent on IFN- and CXCR3 ligands. Cancer Res. 2008; 68(20): 8437-8445.

[2] Deutsches Krebsforschungszentrum, Pressemitteilung vom 16. Oktober 2008.


Dr. Hans-Peter Hanssen

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