Aus Kammern und Verbänden

Pharmazie, Botanik, Ackerbau im 16. Jahrhundert

Die Regionalgruppen Sachsen-Anhalt und Sachsen der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie veranstalteten am 5. Juli im Torgauer Ratssaal ihre Jahresversammlung und beschäftigten sich mit dem Umfeld, in dem das Kräuterbuch des Johann Kentmann von 1563 entstanden war.
Die Veranstalter Dr. Hansjochen Hanke und Barbara Wittor.

Dipl.-Ing. Kathrin Franz, Leipzig, referierte über "Apothekergärten des 16. Jahrhunderts in Sachsen”. Sie schilderte die geschichtliche Situation Sachsens und hob die prächtige Hofhaltung Kurfürst Johann Friedrichs in Torgau, die Universität Wittenberg und die auch nach dem verlorenen Schmalkaldischen Krieg immer noch gute Entwicklung Sachsens hervor. Der Torgauer Apotheker Joachim Kreich unterhielt einen Kräutergarten, der in Conrad Gessners "De Hortis Germaniae” (1561) erwähnt wird; er war einer der ersten Besitzer von Tomatenpflanzen, einer Hyazinthe sowie neuer Tulpensorten. Der Zürcher Mediziner Gessner korrespondierte mit seinen Kollegen Christoph Leuschner in Meißen und Johannes Kentmann in Torgau, was den Tausch seltener Pflanzen einschloss.

"Experimente am Hof – die pharmazeutische Praxis der Anna von Sachsen” war das Thema von Ph. D. Alisha Rankin, Medford, Mass. Während adlige Herren sich gern mit Alchemie, Mathematik oder Landvermessung befassten, widmeten adlige Damen sich eher der Botanik, Medizin oder Pharmazie. So steht auf dem Epitaph der Landgräfin Eleonore von Hessen-Darmstadt: "… durg Apoteck sie viell erlost”. Wahrscheinlich weckte Gräfin Dorothea von Mansfeld in Kurfürstin Anna von Sachsen (1532–1585) das Interesse für die Pharmazie. In dem umfangreichen Briefwechsel gab die Mansfelderin ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter, so auch ein Rezept zur Herstellung von Aqua Vitae. Anna verschenkte "ihren” Aquavit, der dem Mansfelder in der Bekanntheit bald den Rang ablief, auch als Neujahrsgabe. Sie selbst versuchte, mit Vorschlägen für die Glasbläser die Destilliergeräte und damit das Herstellungsverfahren zu verbessern. Von der langanhaltenden Popularität Annas zeugt ein Notgeldschein aus Annaburg mit den Versen:

Das ist ein Spruch von alters her,

wer Sorgen hat, hat auch Likör.

Drum hatte Mutter Anna welche,

so griff sie nach dem Sorgenkelche.

(http://webgerman.com/Notgeld/Directory/A/Annaburg6.htm)

Ursula Schlude, M. A., Berlin, zeichnete ein Bild vom Agrarwissen des 16. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der "weiblichen Geschichte". Ein Kopialbuch von 1556, das Abschriften der von Anna von Sachsen geschriebenen Briefe enthält, belegt ihr eindrucksvolles Wissen über landwirtschaftliche Techniken und die ökonomischen Zusammenhänge. Zudem ließ Anna über Neuerungen in der Bewirtschaftung der kurfürstlichen Güter und die jeweiligen Ergebnisse genau Buch führen.

Barbara Wittor

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