- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 47/2008
- Wenn Clopidogrel das Herz...
Arzneimittel und Therapie
Wenn Clopidogrel das Herz nicht schützen kann
Zu diesem Ergebnis kommt eine retrospektive Kohortenstudie. Sie wurde unter Federführung der amerikanischen Versandapotheke Medco Health Solution durchgeführt und basiert auf Daten von 16.690 Patienten, die nach Stentoperationen oder einer Ballondilatation Clopidogrel zur arteriellen Thromboseprophylaxe erhalten hatten. 6828 von ihnen wurden zusätzlich mit Protonenpumpeninhibitoren behandelt. Das erhöhte deren relatives Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse nach einem Therapiejahr um 50%. Ihr relatives Risiko für einen Herzinfarkt stieg im Vergleich mit den nicht mit Protonenpumpenblocker behandelten Patienten um 74% [1]. Die American Heart Association gibt zu bedenken, dass die mit Protonenpumpenblockern behandelten Patienten ein höheres kardiovaskuläres Risikoprofil aufwiesen als die nur mit Clopidogrel behandelten Patienten. Sie verweist auf eine andere Studie, in der keine negativen Auswirkungen einer Protonenpumpenblockerbehandlung auf die Clopidogrelwirksamkeit festgestellt worden sind. Zur Klärung der offenen Fragen rund um die Wirkungsabschwächung von Clopidogrel seien weitere Studien erforderlich.
Konkurrenz um CYP 2C19
Es ist nicht auszuschließen, dass das schlechtere Abschneiden der mit Protonenpumpenblockern behandelten Clopidogrelpatienten die Folge einer Arzneimittelinteraktion gewesen ist. So muss Clopidogrel über das Enzym CYP 2C19 in seine aktive Form überführt werden. Dieses Enzym wird aber auch für die Metabolisierung der Protonenpumpenblocker benötigt. Protonenpumpenblocker können die Bildung des aktiven Clopidogrelmetaboliten behindern. Die zur Verhinderung der atherothrombotischen Ereignisse notwendige Konzentration des aktiven Clopidogrelmetaboliten wird unter Umständen nicht erreicht.
Wirkungsabschwächung ein Klasseneffekt?
Dem Abstract und der Pressemitteilung der Medco Health Solution ist allerdings nicht zu entnehmen, mit welchen Protonenpumpenblockern die Patienten behandelt worden waren und ob es Unterschiede zwischen den einzelnen Vertretern dieser Wirkstoffklasse gab. Zwar werden alle Protonenpumpenblocker über CYP 2C19 verstoffwechselt, doch in unterschiedlichem Ausmaß. Als sicher gilt, dass die Gabe von Omeprazol zu Wirksamkeitsverlusten von Clopidogrel führen kann. Das konnte in einer vor Kurzem im Journal of the American College of Cardiology veröffentlichten Studie gezeigt werden [2].
Um zu untersuchen, ob es sich dabei um einen Klasseneffekt handelt, wurde die Wirkung von Pantoprazol und Esomeprazol auf die Plättchenhemmung durch Clopidogrel bei 300 Patienten nach einer perkutanen Koronarintervention untersucht. Nach den soeben veröffentlichten Ergebnissen konnte kein Wirkungsverlust von Clopidogrel festgestellt werden [3]. Auch Lansoprazol soll die Thrombozytenaggregations-hemmende Wirkung von Clopidogrel nicht einschränken [4]. Danach scheint es sich bei dem Wirkungsverlust von Clopidogrel unter Protonenpumpenblocker-Behandlung nicht um einen Klasseneffekt zu handeln.
Clopidogrel-Resistenz bei Poor Metabolizern
Das Enzym CYP 2C19 unterliegt einem ausgeprägten genetischen Polymorphismus. Als Folge entsprechender Mutationen kann es entweder weniger oder verstärkt gebildet werden, es werden unter anderem sogenannte Poor Metabolizer (eingeschränkte Enzymbildung) von Extensive Metabolizern (keine Mutation) und Ultra rapid Metabolizern (verstärkte Enzymbildung) unterschieden.
Vor kurzem wurde darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit von Clopidogrel entscheidend vom CYP-2C19-Genotyp abhängt. In einer Studie mit Extensive und Poor Metabolizern wurden bei den Poor Metabolizern eine signifikant niedrigere Thrombozytenaggregations-hemmende Wirkung durch Clopidogrel festgestellt. Wenn die Wirkung unter Clopidogrel ausbleibt, kann das also auch die Folge einer unzureichenden Bildung von CYP 2C19 sein [5].
Erhalten mit Clopidogrel behandelte Poor Metabolizer dann noch einen Protonenpumpenblocker, dann kann die Konkurrenz zwischen dem Protonenpumpenblocker und Clopidogrel um das CYP 2C19 die Situation, dass zu wenig Clopidogrel in die aktive Form überführt wird, zusätzlich verschärfen.
Quelle [1] Aubert RE et al.: Proton Pump Inhibitors Effect on Clopidogrel Effeciveness. Circulation 2008; 118: 815; Medco News Releases 11. Nov. 2008. [2] Gilard M et al.: Influence of Omeprazole on the Antiplatelet Action of Clopidogrel Associated with Aspirin (OCLA Study) J Am Coll Cardiol 2008; 51: 256 - 60. [3] Siller-Matula JM et al.: Effects of pantoprazole and esomeprazole on platelet inhibition by clopidogrel. Am Heart J 2008; doi: 10.1016/j.ahj.200809017 [4] Smith DS et al.: Effects of the proton pump inhibitor lansoprazol on the pharmacodynamics and pharmacokinetics of prasugrel and clopidogrel. J Clin Pharmacol 2008; 48: 475 - 484. [5] Kim KA et al.: The Effect of CYP2C19 Polymorphism on the Pharmacokinetics and Pharmacodynamics of Clopidogrel: A Possible Mechanism for Clopidogrel Resistance. Clin Pharmacol Therap 2008; 84: 236 - 242.
du
KommentarWenn es um die Einsparung von Kosten geht, dann werden gerne Vertreter einer Wirkstoffklasse über einen Kamm geschoren. Prominentes Beispiel: Protonenpumpenblocker. So empfahl die Kassenärztliche Bundesvereinigung zusammen mit der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im März 2007, bei der Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit anstelle von Pantoprazol kostengünstigere Omeprazol-Generika zu verordnen. Klinisch relevante Unterschiede in der Wirksamkeit und dem Interaktionspotenzial wurden nicht gesehen. Gegner einer solchen Gleichmacherei haben immer wieder auf Unterschiede der einzelnen Protonenpumpenblocker in der Metabolisierung hingewiesen. Zwar werden alle Vertreter dieser Wirkstoffklasse über das Cytochrom-P450-Enzym CYP 2C19 metabolisiert, doch unterscheiden sie sich in ihren Affinitäten zu diesem Enzym. CYP 2C19 ist eines der wichtigsten Enzyme für die Biotransformation von Arzneistoffen. Substanzen, die auf dieses Enzym angewiesen sind, haben naturgemäß ein hohes Interaktionspotenzial. Es wird um so stärker ausgeprägt sein, je größer ihre Affinität zu dem Enzym ist. Entsprechende Unterschiede im Interaktionsprofil sind daher auch bei den Protonenpumpenblockern zu erwarten. Die Frage ist, ob sie auch klinisch relevant sind. Nun hat die amerikanische Versandapotheke Medco Health Solution im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie festgestellt, dass das kardiovaskuläre Risiko steigt, wenn Clopidogrel nach Stentoperationen oder Ballondilatation zusammen mit Protonenpumpenhemmern eingesetzt wird. Der Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel soll Thrombosen nach perkutaner koronarer Intervention verhindern. Dazu muss er durch CYP 2C19 in seine aktive Form überführt werden. Das scheinen die Protonenpumpenblocker nach den Ergebnissen der Medco-Untersuchung in klinisch relevantem Ausmaß zu verhindern. Leider liegt keine detaillierte Publikation vor, so dass nicht klar ist, welche Protonenpumpenblocker eingesetzt worden sind und ob wirklich alle Vertreter die Wirksamkeit von Clopidogrel in gleichem Ausmaß außer Kraft gesetzt haben. Zweifel sind durchaus angebracht. Gerade in jüngster Zeit sind mehrere Studien publiziert worden, die gezielt untersucht haben, wie Protonenpumpenblocker die Wirkung von Clopidogrel verändern. So hat die OCLA-Studie ergeben, dass Omeprazol die plättchenaggregationshemmende Wirkung von Clopidogrel vermindert. Für Lansoprazol konnte das dagegen ebenso wenig gezeigt werden wie für Pantoprazol oder Esomeprazol [3, 4]. Allerdings wurde in all diesen Studien lediglich geschaut, wie die Thrombozytenaggregation beeinflusst wurde. Ob durch die Protonenpumpenblocker das kardiovaskuläre Risiko zum Beispiel in Form von Herzinfarkten trotz Clopidogrel gestiegen ist, darüber können sie keine Auskunft geben. Die Autoren der OCLA-Studie konstatieren daher auch, dass die klinischen Folgen der durch Omeprazol herabgesetzten Clopidogrelwirkung unklar seien. Weitere Studien seien erforderlich, um dies zu klären. Über das, was in der Medco-Untersuchung gesehen wurde, kann nur spekuliert werden. Es ist gut möglich, dass das Ergebnis überwiegend die Folge einer Omeprazol-Clopidogrel-Interaktion gewesen ist. Es kann aber auch sein, dass unter den Betroffenen, bei denen Clopidogrel Thrombosen nicht verhindern konnte, viele Poor Metabolizer waren, die schon aufgrund ihrer genetischen Ausstattung nicht in der Lage sind, für ausreichende Wirkspiegel des aktiven Clopidogrelmetaboliten zu sorgen. Um solche Therapieversagen zu verhindern, hätte im Vorfeld der Metabolisierungstyp bestimmt werden müssen. Es bleiben also viele offene Fragen. Insbesondere bestehen berechtigte Zweifel daran, dass wirklich keine klinisch relevanten Unterschiede im Interaktionspotenzial zwischen den einzelnen Vertretern der Protonenpumpenblocker vorliegen. Klarheit können nur kontrollierte klinische Studien liefern, in denen der potenziell unterschiedliche Einfluss beispielsweise von Omeprazol und Pantoprazol auf kardiovaskuläre Ereignisse unter einer Clopidogreltherapie direkt verglichen wird. Im Vorfeld müssen allerdings auch Metabolisierungstypen bestimmt und Poor Metabolizer ausgeschlossen werden. Solange die vielen offenen Fragen allerdings nicht beantwortet sind, sollte im Interesse der Patienten auf solche Protonenpumpenblocker zurückgegriffen werden, die nach der bisherigen Datenlage die Clopidgrelwirkung kaum beeinflussen.
Doris Uhl
Redakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung
|
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.