Medizin

Was ist eigentlich ...eine Neurofibromatose?

Die Neurofibromatose ist eine Tumorerkrankung der Haut oder der inneren Organe, die durch entartete Nerven- und Bindegewebszellen entsteht. Es handelt sich dabei um Folgen einer Mutation von Tumorsuppressorgenen. Abhängig von der Symptomatik und dem Ort der Genmutation lassen sich acht verschiedene Typen einer Neurofibromatose unterscheiden. Am bekanntesten sind die Typen 1 und 2.

Die Neurofibromatose Typ 1 ist auch als Recklinghausen-Krankheit oder Morbus Recklinghausen bekannt. Benannt wurde die Erkrankung nach dem Erstbeschreiber, dem deutschen Pathologen Friedrich Daniel von Recklinghausen (1833 –1910). Er wies auch nach, dass die Hauttumoren dieser Erkrankung aus Nerven- und Bindegewebszellen bestehen. Sie gehört zu den häufigsten genetisch bedingten Erkrankungen.

Etwa jedes 30.000. Neugeborene kommt in Deutschland mit der Neurofibromatose Typ 1 zur Welt.

Die Neurofibromatose Typ 2 ist wesentlich seltener als der Typ 1. Sie tritt mit 1 zu 35.000 Neuerkrankungen weltweit seltener auf als Typ 1. Neumutationen sind auch hier möglich, insgesamt aber deutlich seltener. Zudem kommt es hierbei seltener zu Hautveränderungen sondern vorwiegend äußert sich die Erkrankung in Hör- und Gleichgewichtsstörungen.

Tumorsuppressorgene NF1 und NF2

Die Ursache der Neurofibromatose Typ 1 ist eine Mutation des NF1-Gens. Neurofibromatose Typ 2 ist durch eine Mutation des NF2-Gens bedingt. NF-Gene sind sogenannte Tumorsuppressorgene. Das heißt, im gesunden Zustand unterdrücken sie Mutationen. Bei NF-Kranken sind diese Gene defekt oder fehlen ganz und Fibrome können entstehen. Auch steigt generell die Chance der Entartung.

Die Neurofibromatose besitzt einen autosomal-dominanten Erbgang. "Autosomal" deutet an, dass das betroffene Gen auf einem Autosom und nicht auf einem Geschlechtschromosom liegt. Folglich können beide Geschlechter gleich häufig an der Neurofibromatose erkranken. Dominant bedeutet, dass die Nachkommen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an Neurofibromatose erkranken, wenn ein Elternteil ein mutiertes NF-Gen trägt. Etwa die Hälfte aller Neurofibromatose-Typ-1-Erkrankungen ist im Rahmen einer Neumutation entstanden. Aus diesem Grund findet sich bei einer großen Anzahl der Betroffenen auch keine Erkrankung bei den Eltern oder Großeltern.

Pigmentflecken bei Typ 1

Die Symptome der beiden Neurofibromatosearten sind sehr unterschiedlich. Erste Symptome der Neurofibromatose Typ 1 sind meistens oval geformte, milchkaffeefarbene Pigmentflecken (Café-au-lait-Flecken) und sommersprossenartige Sprenkelungen in den Achselhöhlen. Bei etwa 80 Prozent der erkrankten Säuglinge sind die Flecken im ersten Lebensjahr zu finden, auch die Mundschleimhaut kann pigmentiert sein. Erst später, häufig in der Pubertät, entstehen Neurofibrome. Dies sind gutartige Geschwülste aus Nerven- und Bindegewebszellen, welche sich auf der Haut am ganzen Körper, den inneren Organen und im Gehirn bilden können. Die Größe variiert zwischen wenigen Millimetern bis zu mehr als Handtellergröße. Sie können mit Schmerzen oder neurologischen Störungen einhergehen. Auch in der Iris sind helle oder dunkle Knötchen zu finden, so genannte Lisch-Knötchen (tumorartige Fehlbildungen).

Neben den charakteristischen Symptomen können weitere Beschwerden wie beispielsweise Wirbelsäulenverkrümmungen, Epilepsie, Tumoren am Sehnerv (Optikusgliome), gutartige Nervenfasertumoren (Neurinome), Sensibilitätsstörungen (Parästhesien) oder endokrine Störungen auftreten.

Schwerhörigkeit bei Typ 2

Bei der Neurofibromatose Typ 2 treten nur selten Neurofibrome der Haut auf. Hier bilden sich die Nerventumoren vorwiegend an den inneren Organen und besonders im Gehirn. Dadurch resultieren die typischen Beschwerden wie Fazialisparese, Gleichgewichtsstörungen, Hörstörungen, Grauer Star (Katarakt), Gehirntumoren (zerebrale Meningeome) sowie Akustikusneurinome. Diese Neurinome können schon im Alter von 20 bis 30 Jahren zu Schwerhörigkeit führen – oftmals das erste Symptom für eine Neurofibromatose Typ 2.

Gendiagnostik hilft weiter

Die Diagnose "Neurofibromatose Typ 1" kann sicher gestellt werden, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien zutreffen:

Café-au-lait-Flecken (mindestens sechs)

Neurofibrome

Sommersprossen-Sprenkelungen in den Achselhöhlen

Lisch-Knötchen

Tumor am Sehnerv (Optikusgliom)

Knochenveränderungen, Skoliose

Verwandter ersten Grads (Vater oder Mutter) hat Neurofibromatose Typ 1

Letztendlich besteht noch die Möglichkeit einer DNA-Untersuchung der NF-1- und NF-2-Gene auf Mutationen. Ist solch eine Mutation in der Familie bekannt, kann die Diagnostik auch vorgeburtlich während einer Schwangerschaft aus kindlichen Zellen (Chorionzotten oder Fruchtwasser) erfolgen (Pränataldiagnostik).

Neurofibrome entfernen

Da die Neurofibromatose genetisch bedingt ist, besteht auch nicht die Möglichkeit einer ursächlichen Behandlung, nur symptomatisch. Störende und schmerzende Neurofibrome der Haut können beispielsweise laserchirurgisch entfernt werden. Ebenso symptomatisch behandelt werden Symptome wie beispielsweise Epilepsie, Konzentrationsschwächen oder Grauer Star. Um Neubildungen von Tumoren zu erkennen, sollte mindestens einmal im Jahr eine ärztliche Kontrolle erfolgen. Diese Kontrolle richtet sich nicht nur auf mögliche Neurofibrome der Haut, sondern auch auf Veränderungen der inneren Organe, der Augen und der Ohren.

Die Neurofibromatose Typ 1 kann sehr unterschiedlich verlaufen. Während einige Erkrankte lediglich einige Pigmentflecken und Neurofibrome aufweisen, können andere Betroffene bereits zur Geburt deutliche Krankheitszeichen wie Optikusgliome, Akustikusneurinome oder Café-au-lait-Flecken aufweisen. Wieder andere entwickeln erst im Lauf der Zeit Beschwerden, die einer Behandlung bedürfen. In mehr als der Hälfte aller Fälle verläuft die Erkrankung mild. Allerdings ist das Risiko, bösartige Tumoren zu entwickeln, gegenüber der restlichen Bevölkerung bei beiden Neurofibromatoseformen um etwa fünf Prozent erhöht. Aus den benignen Neurofibromen können sich maligne Neurofibrosarkome oder Lymphome entwickeln.


Quelle

Altmeyer, P.: Therapielexikon Dermatologie und Allergologie. Springer, Heidelberg 2005

Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2005

Rassner, G.: Dermatologie. Lehrbuch und Atlas. Urban & Fischer, München 2007

Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Stand: 2008)


Dr. med. Ingo Blank, Gärtringen

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