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Medizin
Was ist eigentlich ...eine TIA?
Statistisch gesehen kommen 182 Schlaganfälle pro 100.000 Menschen pro Jahr. Es ist die häufigste Ursache für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter (insbesondere Lähmungen, Sprach- und Sprechstörungen). 40 Prozent aller Schlaganfall-Betroffenen versterben innerhalb des ersten Jahres. Der Apoplex zählt zu den häufigsten Todesursachen in den westlichen Ländern, die Folgen von Schlaganfällen gehören zu den häufigsten Gründen für Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Alter. Deutschlandweit treten 150.000 neue Schlaganfälle pro Jahr auf. Vor allem über 65-Jährige sind betroffen. Bei einem "typischen" Schlaganfall gehen pro Stunde 120 Millionen Neuronen, 830 Billionen Synapsen und 714 km Nervenbahnen verloren. Ein Schlaganfall beschleunigt die Hirnalterung um 3,6 Jahre pro unbehandelte Stunde. Deshalb gilt: "Time is brain" – "Zeit ist Gehirn."
TIA und Schlaganfall
Als Faustregel gilt: Ein Drittel der Patienten mit TIA werden einen Schlaganfall erleiden, ein weiteres Drittel wird weitere TIAs haben, aber später keinen Schlaganfall und bei einem weiteren Drittel wird weder eine weitere TIA noch ein Schlaganfall auftreten. |
Symptome maximal 24 Stunden
Laut Definition darf eine TIA maximal 24 Stunden lang anhalten. Alle Symptome, die länger als diese 24 Stunden andauern, werden heutzutage schon einem Schlaganfall gleichgesetzt. Die Symptome werden durch eine Durchblutungsstörung im Gehirn hervorgerufen. Da TIAs Schlaganfallvorboten sind, muss unbedingt nach der Ursache gesucht und anschließend behandelt werden. 36 Prozent aller Patienten mit TIA erlitten innerhalb von sieben Jahren einen Schlaganfall. Die meisten dieser Schlaganfälle traten allerdings bereits innerhalb eines Monats nach der ersten TIA auf.
Veralteter Fachbegriff
Der Begriff TIA wird sich aus der neurologischen Fachwelt mehr und mehr verabschieden. Ein Auszug aus den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zum Thema gibt das Problem gut wieder: "Die klassische Differenzierung von transitorisch ischämischen Attacken (TIA) und vollendeten ischämischen Schlaganfällen gilt als überholt. Die Eingruppierung von Schlaganfällen nach der Dauer der Symptome wird zunehmend durch eine pathophysiologische Einteilung ersetzt, nachdem gezeigt werden konnte, dass auch bei vielen Patienten mit flüchtiger Symptomatik morphologische Hirnschäden nachweisbar sind und sich die Rezidivrate von Patienten mit persistierender Symptomatik nicht unterscheidet. Deshalb wird in dieser Leitlinie der Begriff ‚ischämischer Schlaganfall‘ für alle Formen der akuten fokalen zerebralen Ischämie benutzt." |
Symptome richtig interpretieren
Die typischen Symptome einer TIA sollte jeder kennen. Besonders aufmerksam sollte man bei folgenden Symptomen werden:
•Gleichgewichtsstörungen mit und ohne Schwindel,
•Seh- und Hörstörungen,
•Störungen der Sprache oder des Sprachverständnisses,
•Unfähigkeit zu lesen, zu rechnen oder zu schreiben,
•Taubheitsgefühle in Arm oder Bein und
•Einknicken der Beine.
Sind Gefäße an der Schädelbasis betroffen, resultieren Sehstörungen wie Doppeltsehen (Diplopie) und Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, schleppende Sprache und Sprechstörungen, Taubheit um den Mund und Schwäche oder Jucken in den Armen oder Beinen. Ist die Kopfschlagader betroffen, kann dies einen völligen Sehverlust verursachen. Eine Ischämie einer Großhirnhemisphäre löst einseitige Lähmungen, Taubheit, einseitigen Sehverlust oder Sprachverlust aus.
ABCD-Score
Mit dem ABCD-Score bestehend aus den Parametern Alter, Blutdruck, klinische Symptomatik und Dauer der Symptome wird eine Punktzahl errechnet. Patienten können maximal sechs Punkte erreichen. Je höher die Punktzahl, umso größer ist der Hinweis auf eine TIA. So kann bei Patienten mit einem Score von 5 oder 6 mit fast 100-prozentiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das reversible neurologische Ereignis von weniger als 24 Stunden Dauer eine TIA war.
Zudem wurde in einer Studie nachgewiesen, dass 36 Prozent der Patienten mit einem Score von 6 in einer Woche nach TIA einen Hirninfarkt entwickeln, bei einem Score von 5 noch 16 Prozent. Daher wird geraten: TIA-Patienten mit einem Score von 5 oder 6 sollten sofort in die Klinik geschickt werden, um die Ursache der TIA neurologisch klären zu lassen. A Alter über 60 Jahre 1 Punkt B Blutdruck über 140/90 mmHg 1 Punkt C klinische Symptome wie halbseitige Muskelschwäche oder Sprachstörungen ohne Schwäche 2 Punkte 1 Punkt D Dauer der Symptome 60 Minuten oder länger 10 bis 50 Minuten 2 Punkte 1 Punkt |
Mikroembolien machen Gefäße dicht
Eine TIA ist auf ein kleines Blutgerinnsel (Mikroembolie) zurückzuführen, das ein Blutgefäß verschlossen hat. Wird dieses Gerinnsel aufgelöst oder zerfällt es, dann ist das Blutgefäß wieder frei durchgängig und der TIA-Anfall vorbei. Hauptquellen dieser gefäßverschließenden Gerinnsel sind Thromben in Arterien und an Herzklappen, sowie Gerinnselbildung im Rahmen von Herzrhythmusstörungen.
TIAs können sowohl konservativ als auch operativ behandelt werden. Beträgt die Stenose der Kopfschlagader mehr als 70 Prozent, ist eine Endarteriektomie angebracht. Hierbei handelt es sich um eine Ausschälung der Gefäßwandablagerungen. Bei einer Verengung von weniger als 70 Prozent wird diese Behandlung nicht als sinnvoll angesehen. Mit Medikamenten wird versucht, eine Thrombosebildung zu verhindern. Acetylsalicylsäure konnte in mehreren Studien seine Wirksamkeit gegen TIAs und Schlaganfall zeigen. Ticlopidin war in zwei großen Studien Acetylsalicylsäure überlegen. Heparin und Warfarin sind für die Behandlung von TIAs nicht angezeigt.
Mit gesunder Lebensführung gegen TIAs
Zur Vermeidung einer TIA ist eine gesunde Lebensführung sehr wichtig. Folgende Maßnahmen helfen, das Risiko zu verringern: mit dem Rauchen aufhören, gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Ballaststoffen – wenig Salz, gesättigte Fette und Cholesterin, 30 Minuten körperliche Bewegung, fünfmal die Woche, Übergewicht und exzessiven Alkoholkonsum vermeiden. Über 50-Jährige sollten den Blutdruck regelmäßig kontrollieren.
Internet-Links
• www.dsg-info.de
• www.dgn.org |
Quelle
Kolominsky-Rabas und Heuschmann: Fortschr Neurol Psychiatr 2002; 70 (12):657-662.
Kolominsky-Rabas et al.:Stroke 2006; 37 (5):1179-1183.
Saver J: Stroke 2006; 2006;37:263-266.
Dr. Ingo Blank, Gärtringen
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